Alte Aufnahme kein Beleg für Kapitulation ukrainischer Truppen in Kupjansk
- Veröffentlicht am 17. November 2025 um 13:02
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: Elena CRISAN, AFP Österreich
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Die Ukraine bereitet sich auf einen weiteren harten Winter vor, während das Land seit 2022 von Russland angegriffen wird. Online nehmen Gerüchte zu, wonach das ukrainische Militär an mehreren Fronten kapitulieren würde. Ein in sozialen Medien geteiltes Bild soll belegen, dass Soldaten in der ukrainischen Stadt Kupjansk ihre Waffen niedergelegt hätten. Doch das Bild ist alt und stammt aus Mariupol im Jahr 2022. Zudem fand AFP keine Belege dafür, dass ukrainische Truppen sich dort massenhaft ergeben hätten.
Mit erhobenen Händen und unbewaffnet marschieren Männer in Militärkleidung auf einem nicht asphaltiertem Weg hintereinander. Eine Aufnahme, die in einem Facebook-Posting vom 11. November 2025 geteilt wurde und auch auf Threads und X die Runde macht, soll laut Userinnen und Usern eine aktuelle Szene aus Kupjansk darstellen, einer Stadt im Osten der Ukraine, wo das Militär angeblich seine Waffen niedergelegt hätte.
Auch auf Griechisch wurde die Falschbehauptung verbreitet.
Andere englischsprachige Posts suggerieren, dass die Aufnahme aus Pokrowsk, einer anderen Stadt im Osten der Ukraine, stammen würde. Userinnen und User fragten Grok auf X, ob dies stimme. Der von Elon Musks Unternehmen xAI entwickelte Chatbot antwortete, dass er "nicht mit Sicherheit bestätigen" könne, woher das Bild stamme. Es passe jedoch "zu den aktuellen militärischen Entwicklungen" in der Gegend. Wie AFP berichtete, erkennt Grok Falschinformationen nicht verlässlich.
AFP-Recherchen ergaben, dass das Bild zwar ukrainische Soldaten zeigt, es sich jedoch dabei um eine alte Aufnahme aus einer mehrere hundert Kilometer weit entfernt gelegenen Stadt handelt.
Bild stammt aus Mariupol im Jahr 2022
Eine umgekehrte Bildsuche führte zu mehreren Berichten in seriösen Medien, in denen die Aufnahme bereits im Jahr 2022 verwendet wurde. Sie ist alt und steht somit nicht mit aktuellen Ereignissen im Zusammenhang. Zudem kann anhand der Suchergebnisse festgestellt werden, dass es sich bei der ursprünglichen Aufnahme um ein Video handelte. Das im November 2025 kursierende Standbild ist in diesem Youtube-Video ab Minute 0:05 zu sehen.
AFP konnte die ursprüngliche Herkunft des Videos nicht endgültig verifizieren. Wie AFP berichtete, wurde es im April 2022 im russischen Staatsfernsehen gezeigt. Damals sagte das russische Verteidigungsministerium, dass die Aufnahme die Kapitulation ukrainischer Soldaten in Mariupol zeige. Von ukrainischer Seite wurde dies damals nicht bestätigt.
Schon zu Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 kam die Stadt am Asowschen Meer unter Beschuss. Am 21. April 2022 gab Russlands Präsident Wladimir Putin die "Befreiung" von Mariupol bekannt und befahl die Belagerung des Stahlwerks Asowstal, wo Frauen, Kinder und ältere Menschen Zuflucht gefunden hatten. Im Mai desselben Jahres gab die russische Armee bekannt, dass sich die letzten der dort stationierten 2439 ukrainischen Soldaten ergeben hätten und in Gefängnisse in der Region Donezk gebracht wurden.
Im September 2024 fand ein Gefangenenaustausch statt, bei dem 49 Ukrainerinnen und Ukrainer wieder freigelassen wurden.
Anders als online behauptet, befindet sich der Aufnahmeort des Videos laut Medienberichten in der Hafenstadt Mariupol im Südosten der Ukraine. Die Stadt Kupjansk, die in den Beiträgen mit der Falschbehauptung erwähnt wird, liegt fast 400 Kilometer weiter nördlich, etwa zwei Autostunden von Charkiw entfernt.
Kupjansk wird stark umkämpft
Mithilfe der "Deep State"-Karte von OpenStreetMap (OSM) ist ersichtlich, dass ukrainische und russische Soldatinnen und Soldaten um das Gebiet rund um Kupjansk kämpfen. OSM nutzt Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Luftbilder, GPS-Geräte und einfache Feldkarte, um Militäroperationen der russischen und ukrainischen Armee während der russischen Invasion in der Ukraine darzustellen.
Am 11. November 2025 meldete das Verteidigungsministerium in Moskau laut Medienberichten, dass russische Truppen tief in die ukrainische Stadt Kupjansk vorgedrungen seien. Laut dem in Washington ansässigen Instituts für Kriegsstudien (ISW) sind mögliche Fortschritte der russischen Offensive in Richtung Kupjansk nicht bestätigt.
Aktuell sind mehrere Behauptungen im Umlauf, wonach ukrainische Truppen sich aktuell vor Russland ergeben würden. Sie zielen darauf ab, Gerüchte zu verbreiten, wonach eine Massenkapitulation ukrainischer Soldatinnen und Soldaten stattfinden würde. AFP überprüfte und widerlegte Behauptungen dazu etwa auf Rumänisch oder Ungarisch.
Weitere Faktenchecks zum Krieg in der Ukraine sammelt AFP auf der Website.
Fazit: Ein Bild, das laut Beiträgen im Netz die Kapitulation ukrainischer Soldatinnen und Soldaten in der ukrainischen Stadt Kupjansk belegen soll, ist alt und stammt aus Mariupol. Zudem fand AFP keine Belege für eine angebliche Massenkapitulation ukrainischer Streitkräfte an dem Ort.