Dieses Vorschaubild eines Videos über eine Demonstration ist manipuliert

Sogenannte christliche Influencer, die erzkonservative, oft frauen- und LGBTQ-feindliche Werte propagieren, haben auch in Deutschland viel Zulauf. Anfang November 2025 verbreitete ein deutscher Youtuber einen Beitrag in sozialen Medien, der den Eindruck einer bedrohlichen Situation auf einer "linken Demo" für die Legalisierung von Abtreibungen erweckt. Allerdings wurde die von ihm geteilte Abbildung – ein Vorschaubild eines Videos – nachträglich manipuliert. Das zeigen mehrere Elemente im Bild selbst. AFP fand zudem die Originalszene, die als Vorlage für das manipulierte Bild diente.

"So brutal wurde ich auf einer linken Demo angegangen... (wegen meinem YouTube Kanal)", schrieb ein deutscher Influencer mit dem Namen "Ketzer der Neuzeit" am 2. November 2025 auf X. Dazu postete er den Link eines seiner Youtube-Videos, das er am selben Tag hochlud. Das Vorschaubild des Clips, das in den Postings zu sehen ist, zeigt den Youtuber inmitten vermummter Demonstrantinnen und Demonstranten. Neben ihm ist eine weiterer Mann erkennbar, die anscheinend zum Schlag mit einem Knüppel ausholt. Im Hintergrund des Bildes wehen Fahnen der Antifaschistischen Aktion. 

Der Link zum Youtube-Video mit dem Vorschaubild wurde auch auf Facebook vielfach geteilt, unter anderem von einem AfD-Kreisverband.

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X-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 7. November 2025

Das Bild wurde jedoch manipuliert.

Hinter dem Youtube-Kanal "Ketzer der Neuzeit" steckt der rechte Influencer Leonard Jäger. Seine Kanalbeschreibung lautet: "Ich bin Leo, ich bin Christ & ich mach mein Ding. 'Ketzer - jemand, der öffentlich eine andere als die in bestimmten Angelegenheiten für gültig erklärte Meinung vertritt.'"

Von Medien wird der 25-Jährige immer wieder als "Christfluencer" bezeichnet. Er stellt sich selbst als frisch konvertierten Christen dar und verbreitet eine Mischung aus frauenfeindlichen und "Anti-Woke"-Botschaften, ergänzt durch Bibelzitate. Darüber hinaus vertreibt er eine sogenannte "christliche" Bekleidungslinie, wie auf seiner Website angeführt ist.

In dem rund 18-minütigen Clip interviewt Jäger mehrere Personen: "Viel Spaß also beim Zuschauen, wie ich als böser fundamentalistischer Christ auf Pro-Abtreibungsdemonstranten treffe", sagt er zu Beginn. Im Video spricht er Demonstrantinnen und Demonstranten an, die sich unter anderem für eine Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch einsetzen, wie auf mehreren Bannern im Clip zu lesen ist.

Vorschaubild mit Künstlicher Intelligenz (KI) manipuliert

AFP fand in dem Video selbst die Szene, die als Vorlage für das manipulierte Vorschaubild diente. Ab Minute 18:02 ist Jäger zu sehen, wie er seine Hand ausstreckt. Die im vorderen Bildbereich gezeigten Personen stimmen überein. Im Gegensatz dazu unterscheidet sich der Hintergrund auf dem geteilten Foto massiv von dem, was in den Filmaufnahmen zu sehen ist.

Eine Person mit roter Jacke, die anscheinend zum Schlag ausholt, ist nicht zu sehen. Fahnen der Antifaschistischen Aktion sind ebenfalls nicht sichtbar. Das zeigt eine Gegenüberstellung der beiden Aufnahmen, die auch ein User auf X postete.

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Vergleich des manipulierten Bildes (links), gelbe Hervorhebungen von zentralen hinzugefügten Elementen und rotes Kreuz durch AFP, und der echten Szene: 7. November 2025

Zudem wirken die Augen des Mannes mit roter Jacke verzerrt, was auf eine Manipulation hindeutet.

Dass es sich um ein manipuliertes Bild handelt, zeigen zudem Ergebnisse des SynthID Detector-Tools. Das Werkzeug kann feststellen, ob ein mit Google KI erstelltes Bild ein SynthID-Wasserzeichen enthält. Laut dem SynthID Detector wurde das Bild mit einer "sehr hohen Wahrscheinlichkeit" mit Google KI verändert.

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Screenshot der Ergebnisse des SynthID Detector-Tools von Google: 6. November 2025

Das frei zugängliche Tool ImageWhisperer, das Verifikationsexperte Henk van Ess erstellte und derzeit weiterentwickelt, lieferte ein ähnliches Ergebnis: Das Bild sei mit "hoher Wahrscheinlichkeit" manipuliert.

Video zeigt Demonstration im Jahr 2024

Die Szenen, in denen Jäger mit Demonstrierenden spricht, wurden im Dezember 2024 in Berlin aufgenommen, wie aus dem Video hervorgeht. Mithilfe einer Stichwortsuche fand AFP Medienberichte über eine Demonstration für die Legalisierung von Abtreibungen, die am 7. Dezember 2024 in der Hauptstadt stattfand.

Rund 3000 Menschen nahmen laut der Polizei an der Demonstration in Berlin teil, wie etwa die "Süddeutsche Zeitung" schrieb. Die Beamtinnen und Beamten registrierten zudem zwei Gegendemonstrationen. Im Zusammenhang mit dem Protest wurden insgesamt neun Strafanzeigen aufgenommen, unter anderem wegen Körperverletzung. Fünf Personen wurden vorläufig festgenommen, hieß es in dem Bericht.

Die interviewten Personen im Video reagieren mitunter tatsächlich heftig auf den Youtuber. Ab Minute 9:36 etwa schubst ein Demonstrant den Influencer zur Seite. Ab Minute 17:41 ist zu sehen, wie Jäger von einem Gegenstand am Kopf getroffen wird, der einer Fahnenstange aus Holz ähnelt. Es handelt sich jedoch nicht um eine Flagge der Antifaschistischen Aktion. Ein Beamter ermahnt daraufhin den Mann, der die Flagge trug. Im Anschluss kündigte der Youtuber an, rechtliche Schritte einzuleiten. 

In Deutschland existiert eine Vielzahl lokaler Gruppen und Initiativen, die unter dem Namen Antifaschistische Aktion in informellen Netzwerken agieren. Diese Verbindungen sind oft nur temporär und haben wechselnde Mitglieder. Der Ausdruck Antifaschismus hat seinen Ursprung in der italienischen Opposition gegen das Regime Benito Mussolinis, die von 1922 bis 1943 aktiv war. In Deutschland wiederum entstammt der Antifaschismus dem Widerstand gegen die Diktatur des Dritten Reichs.

AFP überprüft regelmäßig Falschbehauptungen, die in Kombination mit KI-generierten Inhalten geteilt werden. 

Fazit: Anfang November 2025 verbreitete ein deutscher Youtuber einen Beitrag in sozialen Medien, der den Eindruck einer bedrohlichen Situation auf einer Demonstration für die Legalisierung von Abtreibungen erweckt. Allerdings wurde das von ihm geteilte Vorschaubild eines Videos mit Szenen nachträglich manipuliert. Das zeigen mehrere Elemente im Bild selbst. AFP fand zudem die Szene, die als Vorlage für das manipulierte Bild diente.

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