
Artikel zu SPD-Forderung einer Migrationsquote für Behörden und Gerichte ist alt
- Veröffentlicht am 25. September 2025 um 14:09
- 4 Minuten Lesezeit
- Von: Johanna LEHN, AFP Deutschland
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"Die gesteuerte Übernahme läuft auf Hochtouren weiter!", schrieb der rechte Youtuber Tim Kellner in einem X-Beitrag vom 9. September 2025 und teilte darin einen Screenshot eines "Bild"-Artikels. Darauf sind Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts zu sehen sowie die Überschrift "SPD plant Migranten-Quote für Beamte und Richter".
Auch andere Nutzerinnen und Nutzer teilten den Screenshot im September 2025 mit zum Teil großer Reichweite auf X. Auf Tiktok kursierte die Behauptung ebenfalls. Unter den Personen, die das Bild im Herbst 2025 verbreiteten, waren zudem zwei AfD-Politiker.

Der Artikel ist jedoch alt und die SPD wies die Darstellung der "Bild"-Zeitung mehrfach zurück.
Im Screenshot ist unten rechts das Logo der Boulevardzeitung "Bild" zu sehen. Mit dieser Information fand AFP durch eine Stichwortsuche den Artikel, der im Screenshot zu sehen ist. Im Artikel ist das Veröffentlichungsdatum 1. Oktober 2024 zu sehen, das im Screenshot in den Beiträgen abgeschnitten ist. Die Schlagzeile von "Bild" ist also nicht aktuell. Eine weitere Stichwortsuche auf der "Bild"-Website sowie auf Google lieferte keine neueren Ergebnisse als den fraglichen Artikel, in denen von derartigen Plänen die Rede wäre.

Im Artikel heißt es: "Die Bundestagsfraktion will nach 'Bild'-Informationen noch vor Weihnachten einen Entwurf für ein Partizipationsgesetz vorlegen." Das gehe aus einer Arbeitsplanung der SPD für das zweite Halbjahr 2024 hervor. Demnach solle mit diesem Gesetz "die Partizipation der Einwanderungsgesellschaft gestärkt werden durch eine Quote von Personen mit Migrationsgeschichte oder Diskriminierungserfahrung bei Bundesgerichten und Behörden".
Als Beweis für seine Ausführungen bettete der Autor einen Screenshot eines Dokuments mit dem Seitenkopf "Planungsgruppe SPD-Bundestagsfraktion" und der entsprechenden Passage zum Partizipationsgesetz in den Artikel ein. Schließlich zitierte er eine Fraktionssprecherin, die die Pläne bestätigt hätte.
SPD dementierte den Artikel
Die Stichwortsuche nach neueren Artikeln zu Plänen der SPD zu einer Migrationsquote für Gerichte und Behörden führte zwar nicht zu aktuellen Berichten, jedoch zu einem öffentlichen Dementi der Darstellung der "Bild" von Rolf Mützenich. Während der Legislaturperiode, in der SPD, Grüne und FDP die Bundesregierung bildeten, war er bis Februar 2025 Chef der SPD-Bundestagsfraktion. In der aktuellen Legislaturperiode hat er dieses Amt nicht mehr inne, sitzt aber noch für die SPD im Bundestag.
Unter anderem der Deutschlandfunk zitierte Mützenich am 2. Oktober 2024. Die SPD wolle laut Mützenich zwar dafür sorgen, "dass sich mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte für Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst interessieren". Er habe jedoch eingeschränkt: "Eine Quotenregelung" lehnte die Partei ab. Eine Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion bestätigte auf AFP-Anfrage am 16. September 2025: "Wir hatten zu keinem Zeitpunkt Quoten für den Öffentlichen Dienst vorgesehen." Die Meldung der "Bild"-Zeitung "stimmte so nicht".
Eine mögliche Erklärung dieser unterschiedlichen Schilderungen ergibt sich aus dem Dokumentenkopf im "Bild"-Artikel, wonach der Screenshot aus einem Papier einer Planungsgruppe stammt. Gruppen wie diese und Arbeitsgruppen erarbeiten innerhalb der Fraktion unter anderem Gesetzentwürfe oder Anträge und diskutieren Ideen mit Expertinnen und Experten, erklärt die SPD-Bundestagsfraktion online. Dass eine solche Gruppe ein Vorhaben formuliert, bedeutet nicht automatisch, dass es von der Fraktion angenommen wird oder der Parteilinie entspricht.
Koalitionsverträge beinhalten keine solche Quote
Eine Migrationsquote für Gerichte und Behörden soll die SPD als Teil des Partizipationsgesetzes gefordert haben, das dem "Bild"-Artikel zufolge im Oktober 2024 noch in Planung war und für das die damalige Innenministerin Nancy Faeser im Juli 2024 einen Entwurf vorgelegt habe. Dieses Partizipationsgesetz stand tatsächlich als Vorhaben im Koalitionsvertrag (Seite 94) von SPD, Grünen und FDP. Von einer Migrationsquote war darin allerdings nicht die Rede.
Auf eine kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion antwortete die damalige Bundesregierung am 30. Dezember 2024 zudem, dass ein Referentenentwurf für das Partizipationsgesetz "in dieser Legislaturperiode nicht mehr vorgelegt" werde, da die Regierung nicht davon ausgehe, das Gesetzgebungsverfahren innerhalb der Fristen abschließen zu können.
Im Koalitionsvertrag der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung findet sich unter den Stichworten Migration, Quote und Partizipation ebenfalls kein Vorhaben zu einer Migrationsquote in Gerichten und Behörden. Zwar hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt, "Qualität und Verlässlichkeit im öffentlichen Dienst" durch eine Fachkräfteoffensive zu sichern und nennt neben mehr Frauen, flexiblerer Arbeitszeit und Teilzeit für Führungskräfte als Absicht "eine bessere Abbildung der Vielfalt unserer Gesellschaft in der öffentlichen Verwaltung". Wie sie mehr Vielfalt erreichen will, formuliert die Koalition darin jedoch nicht.
Die Beiträge mit dem Screenshot des alten "Bild"-Artikels kursierten, nachdem die Wahl dreier Bundesverfassungsrichterinnen und -richter nach einer Hetzkampagne gegen die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf im Juli 2025 scheiterte und bevor der Bundestag am 25. September 2025 über die Ersatzkandidatin anstelle von Brosius-Gersdorf sowie eine weitere Kandidatin und einen Kandidaten abstimmen soll.
Fazit: Die SPD-Fraktion fordert keine Migrationsquote für Beamtinnen und Beamte des Bundes sowie für Bundesrichterinnen und -richter. Im September 2025 wurde ein alter "Bild"-Artikel von Oktober 2024 geteilt. Die Darstellung im Artikel wurde damals öffentlich sowie aktuell auf AFP-Anfrage von der SPD-Fraktion dementiert.