Beiträge über angebliche pro-russische Proteste in Europa verwenden alte Fotos anderer Kundgebungen

Aufgrund geringerer US-Unterstützung für die Ukraine verstärkt die EU ihre Militärhilfe für das Land und rüstet massiv auf. In diesem Zusammenhang erschienen Anfang März 2025 Beiträge in sozialen Medien, in denen von pro-russischen Kundgebungen "biblischen Ausmaßes" in Europa die Rede ist. Die geteilten Fotos bilden jedoch pro-russische Kundgebungen in Deutschland und Serbien im Jahr 2022 und eine nicht damit zusammenhängende Protestveranstaltung in Russland im Jahr 2019 ab. AFP konnte keine Angaben zu pro-russischen Massenprotesten im Jahr 2025 finden.

"PRO-RUSSISCHE Kundgebungen von biblischem Ausmaß in ganz EUROPA. EUROPA ERWACHT. Hunderttausende Europäerinnen und Europäer gingen auf die Straße, um Russland zu unterstützen !", hieß es in einem slowakischen Facebook-Post vom 7. März 2025, der mehr als 1700 Mal geteilt wurde. Dem Beitrag zufolge protestierten die Demonstrantinnen und Demonstranten gegen die "antirussische Propaganda im Europäischen Parlament" oder gegen "die Aufrüstung der EU, während die Menschen nichts zu essen und kein Dach über dem Kopf haben". Einige Beiträge enthielten auch mehrere Fotos von Kundgebungen, auf denen russische Flaggen und ein Foto des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sehen sind.

Manche Beiträge beinhalten ein angebliches Zitat von Putin, in dem dieser mit Raketenangriffen auf europäische Eliten droht. Obwohl eine Stichwortsuche der im angeblichen Zitat verwendeten Wörter keine Hinweise für eine solche Behauptung Putins ergab, haben Kreml-Mitglieder der EU in der Vergangenheit mit direkten Angriffen gedroht. Darunter auch Aktionen, die zu einem Weltkrieg führen könnten.

In der ersten Hälfte des März 2025 tauchten ähnliche Beiträge wie dieser – der mehr als 500 Mal geteilt wurde – im Internet auf. Sie enthielten Fotos von Menschenmengen, aber weder ein Bild noch ein Zitat von Putin. Demnach sollen allein in Berlin, Dresden und anderen deutschen Städten 100.000 Menschen "zur Unterstützung Russlands" auf die Straßen gegangen sein.

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Facebook-Screenshots der Behauptung auf Slowakisch: 21. März 2025

All diese Beiträge sind jedoch irreführend. AFP hat keine Aufzeichnungen über eine solche große pro-russische Demonstration gefunden, die im März 2025 stattfand. Darüber hinaus sind alle Fotos der Kundgebungen in den Beiträgen mindestens drei Jahre alt. Sie zeigen hauptsächlich Versammlungen in Deutschland und Serbien, an denen insgesamt einige tausend Menschen teilnahmen. Eines der Fotos stammt sogar aus dem Jahr 2019 aus Moskau und zeigt einen Protest gegen das Regime von Wladimir Putin, bei dem faire Kommunalwahlen gefordert wurden.

Ältere Fotos aus Serbien und Russland 

Mittels umgekehrter Bildsuche konnte festgestellt werden, dass alle in den Beiträgen verwendeten Fotos bereits in der Vergangenheit in Medien erschienen sind und sich auf verschiedene Kundgebungen aus den Jahren 2019 und 2022 beziehen.

Das Foto einer Menschenmenge mit russischen Flaggen stammt tatsächlich von Juli 2019, als sich mehr als 20.000 Menschen in Moskau versammelten. Sie forderten, dass sich auch Oppositionelle für die Kommunalwahlen registrieren dürfen. Unterstützt wurde dieser Protest vom damaligen Oppositionsführer Alexej Nawalny. Wie im folgenden Screenshot zu sehen ist, wurde das Bild von Reuters aufgenommen.

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Screenshot der Reuters-Datenbank mit einem Originalbild des Moskauer Protests von 2019: 21. März 2025

Die Nachtaufnahme einer marschierenden Menschenmenge mit einer großen russischen Flagge wurde von AFP am 4. März 2022 während einer Kundgebung in Belgrad zur Unterstützung des russischen Krieges in der Ukraine aufgenommen. An diesem Tag versammelten sich etwa tausend Menschen in der serbischen Hauptstadt, riefen Anti-Nato-Parolen und bejubelten den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Laut einem AFP-Journalisten in Belgrad fanden in Serbien viele pro-russische Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt – insbesondere im Jahr 2022. Zuletzt versammelten sich am 24. Februar 2024 – also am zweiten Jahrestag der Invasion – mehrere hundert ultrarechte pro-russische Anhängerinnen und Anhänger bei einer Kundgebung in Belgrad. Im Jahr 2025 fand mit Stand Ende März keine derartige Demonstration statt.

Ende 2024 und Anfang 2025 fanden in Serbien mehrere große, von Studierenden organisierte Kundgebungen statt, die jedoch nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun hatten. Die Proteste begannen, nachdem 15 Menschen bei einem Dacheinsturz des Bahnhofs in der Stadt Novi Sad im November 2024 ums Leben kamen. Dies geschah, nachdem der Bahnhof von der Regierung umfassend renoviert worden war. Die Tragödie löste eine seit langem aufgestaute Wut über angebliche Korruption und laxe Aufsicht bei Bauprojekten aus. Daraufhin traten mehrere hochrangige Beamte zurück, darunter auch der Premierminister Miloš Vučević. Im März 2025 stieg die Anzahl der Todesopfer des Unglücks auf 16.

Ein Kommentar des Autors des Beitrags auf Sklowakisch, der online am meisten geteilt wurde, legt nahe, dass diese Protestwelle auch Teil der Kundgebungen ist, mit denen die Unterstützung für Russland zum Ausdruck gebracht werden soll. Dies ist auf dem folgenden Screenshot zu sehen.

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Screenshot eines Kommentars des Verfassers des Posts auf Slowakisch zu den jüngsten Protesten in Serbien: 21. März 2025

Ein AFP-Journalist in Belgrad erklärte jedoch, dass diese Demonstrantinnen und Demonstranten "ideologisch durchmischt" seien und ihre Forderungen ausschließlich auf Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung abzielten. Das einzige pro-russische Narrativ komme von den Behörden, die die Proteste dem Versuch des Westens zuschreiben, Serbien durch eine "Farbrevolution" zu destabilisieren. Die serbischen Behörden seien "den russischen Geheimdiensten dankbar für die Informationen, die im Kampf gegen die 'Farbrevolution' helfen", sagte der stellvertretende serbische Ministerpräsident Aleksandar Vulin gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA.

Kundgebungen in Deutschland

Die anderen sechs Fotos in den Beiträgen stammen von pro-russischen Kundgebungen in Deutschland am 10. April 2022, wie AFP durch eine umgekehrte Bildsuche herausfand.

Zwei davon, die Menschen zeigen, die mit deutschen und russischen Flaggen einschließlich des russischen Staatswappens marschieren (etwa hier und hier), wurden am 10. April 2022 vom AFP-Fotografen Yann Schreiber in Frankfurt aufgenommen (hier und hier). Das Foto mit einer kommunistischen Flagge und einem Banner in deutscher Sprache wurde am selben Tag von Getty Images ebenfalls in Frankfurt aufgenommen.

Die junge Frau, die eine russische Flagge an einem Auto anbringt, wurde ebenfalls am 10. April 2022 in Frankfurt von Reuters fotografiert – wie auf den Screenshots unten zu sehen ist. Dieselbe Nachrichtenagentur fotografierte am selben Tag in Hannover ein Banner mit der Aufschrift "ewige Freundschaft" zwischen Russland und Deutschland und Autos mit Flaggen beider Länder.

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Screenshots aus der Reuters-Datenbank mit einem Originalbild des Frankfurter Protests aus dem Jahr 2022: 21. März 2025

Am 10. April 2022 versammelten sich pro-russische Demonstrantinnen und Demonstranten in Deutschland. Die beträchtliche Anzahl russischsprachiger Bevölkerung des Landes forderte ein Ende der Diskriminierung, die sie seit Beginn des Krieges erlitten hätte. Allerdings versammelten sich nicht so viele Menschen, wie in den vielfach geteilten Beiträgen behauptet wurde. Laut einem AFP-Journalisten demonstrierten in Frankfurt etwa 600 Menschen. In Hannover bildeten etwa 600 Demonstrantinnen und Demonstranten einen Autokonvoi, wie die örtliche Polizei gegenüber AFP mitteilte.

Eine Woche zuvor hatten sich etwa 900 Menschen in Berlin zu einer ähnlichen Veranstaltung versammelt. Von Kritikerinnen und Kritikern wurde diese Demonstration als Ausdruck der Unterstützung für die russische Aggression angesehen.

Die AFP-Redaktion in Deutschland bestätigte, dass die Proteste im April 2022 die letzten größeren pro-russischen Kundgebungen im Land waren. Auch eine erweiterte Websuche ergab keine weiteren größeren pro-russischen Kundgebungen.

Laut AFP-Korrespondentinnen und -Korrespondenten in Deutschland versammelten sich im Oktober 2024 mehr als 10.000 Menschen in Berlin, um gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und die Stationierung von US-Raketen in Deutschland zu demonstrieren. Die Demonstrantinnen und Demonstranten kritisierten die militärische Unterstützung der Ukraine und Israels und forderten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sowie ein Ende des Gaza-Krieges.

Die anderen großen Demonstrationen in Deutschland fanden Ende Januar 2025 – also im Vorfeld der deutschen Bundestagswahlen am 23. Februar 2025 – in etwa 60 Städten statt. Sie richteten sich gegen die in Teilen rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) und den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.

Unterstützung der EU für die Ukraine 

Am 3. März 2025 kündigte US-Präsident Donald Trump die Aussetzung der Militärhilfe für die Ukraine an. Dies geschah nur wenige Tage nach seinem öffentlich ausgetragenen Streit mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office. Diese Maßnahme übte Druck auf Kiew aus, Friedensverhandlungen mit Russland zuzustimmen. Als Reaktion darauf bekundeten die Staats- und Regierungschefs der EU ihre Unterstützung für die Ukraine. Gleichzeitig will die Europäische Union massiv aufrüsten.

Zahlreiche Menschen versammelten sich in Europa in den drei Jahren seit Beginn des russischen Angriffskriegs zu Kundgebungen, um ihre Unterstützung für die Ukraine zum Ausdruck zu bringen. Nach Kriegsausbruch fanden Massendemonstrationen in ganz Europa statt. So demonstrierten beispielsweise in Berlin etwa 100.000 Menschen, in Prag 70.000 und in Amsterdam 15.000. Obwohl die Ukraine bei öffentlichen Kundgebungen weiterhin unterstützt wird, sind Umfang und Intensität der Unterstützung nicht mehr auf dem Niveau der ersten Kriegsmonate.

Zum Gedenken an den zweiten Jahrestag der russischen Invasion versammelten sich beispielsweise 5000 bis 10.000 Menschen in Berlin. Zuletzt protestierten am dritten Jahrestag im Februar 2025 laut Medienberichten "tausende" Menschen in Berlin.

Weitere Faktenchecks zum Ukrainekrieg sammelt AFP auf ihrer Website

Fazit: Die Behauptungen über massive pro-russische Proteste in Europa Anfang 2025 sind falsch und basieren auf alten Fotos oder wurden aus dem Kontext gerissen. Es gibt keine Belege für aktuelle pro-russische Demonstrationen dieser Größenordnung. Die genutzten Bilder von Protesten in Russland, Serbien und Deutschland stammen aus den Jahren 2019 und 2022.

Update aus technischen Gründen
31. März 2025 Update aus technischen Gründen

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