Angeblicher Hilferuf eines dänischen Abgeordneten an Russland, Grönland gegen die USA zu verteidigen, ist gefälscht
- Veröffentlicht am 4. Februar 2025 um 17:42
- 9 Minuten Lesezeit
- Von: Eduard STARKBAUER, AFP Slowakei
- Übersetzung: Lisa-Marie ROZSA
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"Der dänische Parlamentsabgeordnete Karsten Hønge forderte Dänemark auf, sich an Russland zu wenden, um Grönland gegen Trump zu verteidigen", heißt es in einem Facebook-Post auf Slowakisch am 11. Januar 2025. Andere Beiträge auf Slowakisch lauten ähnlich, mit einer Übersetzung des angeblichen Hilferufs des Politikers aus dem Dänischen. In diesem Zusammaenhang kursiert ein angebliches Screenshot des Facebook-Posts von Karsten Hønges, zusammengesetzt aus seinem Foto und einem dänischen Text.
Beiträge mit der gleichen Behauptung erschienen auch auf slowakischen Telegram-Konten etwa hier oder hier. Auf Facebook erschienen Beiträge mit ähnlichen Behauptungen auch auf Englisch, Spanisch, Griechisch, Rumänisch und Französisch.
Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzer teilten verschiedene Versionen des angeblichen Beitrags des Politikers: Ein Foto von Hønge in einer verschneiten Landschaft, ein Bild von ihm mit einem Megafon in der Hand und eine Version, wo der Text mit beiden Bildern kombiniert wurde, wie in diesem Fall.
In dem angeblichen Beitrag heißt es auf Dänisch: "Dänemark wird die Abspaltung Grönlands nicht akzeptieren. In einer Situation extremer Eskalation und Spannung müssen wir extreme Maßnahmen ergreifen und Russland um Hilfe bei der Lösung dieses Problems bitten. Und ich bin sicher, dass unsere Bitte erhört wird, denn Russland wird nicht zulassen, dass Grönland ein Teil der Vereinigten Staaten wird. Das ist für Russland genauso nachteilig wie für uns."
Basierend auf Beiträgen über die angebliche Bereitschaft Dänemarks, Russland einzubeziehen, haben auch slowakische Blogs wie Hlavný denník oder Slovanské noviny Artikel veröffentlicht. Deren Inhalte wurden bereits in der Vergangenheit von AFP überprüft, etwa hier oder hier.
Die Tatsache, dass es sich bei den geteilten Beiträgen um Fälschungen handelt, wurde von Karsten Hønge selbst bestätigt. Der Politiker ist in der Tat einer der Befürworter der Unabhängigkeit Grönlands und hat Russlands Außenpolitik im Zusammenhang mit der laufenden Invasion in der Ukraine kritisiert.
Verwendung älterer Bilder sowie grafische Unstimmigkeiten
Die angeblichen Posts tauchten auf, nachdem Grönland zu einem weltweit heiß diskutierten Thema geworden war, weil Donald Trump als gewählter US-Präsident im Dezember 2024 behauptete, er wolle Grönland in die USA eingliedern. "Für die Zwecke der nationalen Sicherheit und Freiheit auf der ganzen Welt glauben die Vereinigten Staaten, dass der Besitz und die Kontrolle über Grönland eine absolute Notwendigkeit sind. Ken wird einen großartigen Job machen, wenn es darum geht, die Interessen der Vereinigten Staaten zu vertreten", schrieb Trump in einer Erklärung auf Truth Social und kündigte die Wahl von Ken Howery zu seinem Botschafter in Dänemark an (hier archiviert).
Am 8. Januar 2025 ließ Donald Trump in einem Interview die Möglichkeit offen, das US-Militär einzusetzen, um Grönland sowie den Panamakanal zu okkupieren (hier archiviert).
Die Bilder, die in den online verbreiteten Posts verwendet werden, wurden von Hønge auf seinem offiziellen Facebook-Konto gepostet, kombiniert mit verschiedenen Erklärungen. Das Foto von der verschneiten Fassade, das in den letzten Beiträgen in der Slowakei zu sehen war, erschien ursprünglich auf dem Profil des Politikers in einem Beitrag vom 2. Januar 2025. In seinem wirklichen Status schrieb Hønge, dass die Zukunft der Beziehungen zwischen Dänemark und Grönland von ihnen selbst entschieden werde, nicht von Trump "und seinem absurden Verhalten".
"In jedem Fall ist es an der Zeit, die Zusammenarbeit zu demokratisieren und zu modernisieren. Eine echte Gemeinschaft basiert auf Gleichheit und Respekt", sagte der Politiker in dem Beitrag, der Russland weder erwähnt noch um Hilfe bittet. Auch in Hønges Kolumne in der Zeitung "Avisen Danmark", auf die er sich in den Kommentaren (hier archiviert) bezieht, wird Russland nicht erwähnt.
Der Megaphon-Beitrag wurde am 19. November 2024 veröffentlicht und betrifft das Thema Altersrente. Dieser hatte keine Verbindung zu Grönland, Russland oder Donald Trump.
Eine Überprüfung des Änderungsverlaufs auf Facebook zeigt, dass der Text von Hønges ursprünglichem Beitrag mit den fraglichen Fotos nicht von dem Politiker bearbeitet wurde. Da Web-Content-Archivierungstools wie die Wayback Machine aber nur Aufzeichnungen der Facebook-Posts des Politikers aus der Zeit vor Trumps Rede zu Grönland enthalten, kann AFP nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschließen, dass er die angeblichen Posts theoretisch veröffentlicht und später dann wieder gelöscht hat (hier archiviert).
AFP hat jedoch Beweise dafür erhalten, dass es sich bei den angeblichen Screenshots, die in den viralen Posts geteilt wurden, tatsächlich um Fälschungen handelt. Durch das Faktencheck-Tool von Google konnte AFP herausfinden, dass sich beide Versionen des angeblichen Beitrags am 10. Januar 2025 gleichzeitig über dieselben prorussischen Kanäle verbreiteten – hauptsächlich auf Telegram und X (beispielsweise hier oder hier). Berichte, die sich auf den angeblichen Beitrag beziehen, erschienen auch in den staatlich unterstützten russischen Medien des Prawda-Netzwerks oder auf EA Daily.
In den meisten Beiträgen, die in sozialen Medien geteilt wurden, wird der Vorname des Politikers inkorrekterweise mit C statt mit K geschrieben. Darüber hinaus wurde von Hønges angeblicher Beitrag in allen Fällen sieben Stunden früher veröffentlicht.
Keiner der Posts, die sich auf Hønges angebliche Behauptungen über Russland beziehen, enthält einen Hyperlink oder einen direkt eingefügten Beitrag des Politikers. In der Regel teilen sie als Beweis nur einen leicht unscharfen Screenshot des angeblichen Beitrags.
Beiträge, die beide Bilder gleichzeitig enthalten – eines oberhalb und eines unterhalb des Textfeldes – entsprechen nicht der üblichen Art der Darstellung auf Facebook..
Dementi von Hønge und die Reaktion in Dänemark
Karsten Hønge dementierte direkt auf seinem Profil auf X, dass er die angeblichen Beiträge veröffentlicht habe. "Fake News auf X und Facebook über meinen Wunsch, ein Bündnis mit Russland gegen die USA wegen Grönland zu bilden. Es besteht nicht die geringste Chance, dass ich Russland um Unterstützung bitten würde. Ich stehe zu Grönland", schrieb er am 14. Januar 2025 (hier archiviert). Eine Suche nach dem Begriff "Russland" oder "Rusland" (dänische Schreibweise) auf seinen Facebook- und X-Profilen ergab ebenfalls keine Ergebnisse, die eine solche Meinung zum Ausdruck brachten.
Die Echtheit der Beiträge, in denen eine russische Intervention in Grönland gefordert wurde, widerlegte auch seine Partei, die Sozialistischen Volkspartei (SF), auf der selben Plattform (hier archiviert).
In Dänemark stießen diese gefälschten Posts auf große Resonanz, wobei in Artikeln (etwa hier oder hier) vor der Gefahr gewarnt wurde, prorussische Desinformation zu verbreiten und den Eindruck einer gespaltenen dänischen Gesellschaft zu erwecken (hier und hier archiviert). Einige Medien wiesen auch auf die Absurdität des Missbrauchs des Profils von Karsten Hønge hin. Hønge, machte seine kritische Ansichten zu den geopolitischen Ambitionen Russlands sowie seine Unterstützung für die Unabhängigkeit Grönlands öffentlich. Seine Statements in einer Kolumne oder einem Facebook-Post stehen in starkem Gegensatz zum Inhalt der gefälschten Posts (hier und hier archiviert).
So hat Karsten Hønge in der Vergangenheit im Rahmen des anhaltenden Konflikts mit Russland seine Unterstützung für die Ukraine gezeigt. Am 12. September 2024 besuchte er gemeinsam mit dem dänischen Parlamentspräsidenten Søren Gade die Ukraine, der die Delegation finanzielle Unterstützung zusagte (hier archiviert). Er drückte auch seine Solidarität mit den politischen Gefangenen in Belarus aus, das ein enger Verbündeter Russlands ist. Im März 2023 übernahm er die symbolische Patenschaft von Katsiaryna Makarewitsch, die wegen Regimekritik inhaftiert war (hier archiviert).
Grönland im Rampenlicht
Grönland, die größte Insel der Welt mit etwa 57.000 Einwohnern, ist seit dem 1. Mai 1979 ein autonomes Territorium des Königreichs Dänemark mit Selbstverwaltung in seinen inneren Angelegenheiten. Die Insel ist reich an natürlichen Ressourcen wie Erdöl und seltenen Erden wie Neodym und Dysprosium. Seit 1951 haben die Vereinigten Staaten eine eigene Militärbasis auf Pituffik.
Am Tag seiner Amtseinführung am 20. Januar 2025 sagte Donald Trump, er glaube, Dänemark werde seine Pläne zum Kauf Grönlands "zustimmen", nachdem er sich kürzlich geweigert hatte, eine militärische Intervention auszuschließen, um das Gebiet unter US-Kontrolle zu bringen. "Grönland ist ein wunderschöner Ort, wir brauchen ihn für die internationale Sicherheit. Ich bin sicher, dass Dänemark dem zustimmen wird", sagte Trump nach seiner Rückkehr ins Oval Office gegenüber Reporterinnen und Reportern.
Grönländische Politikerinnen und Politiker, angeführt von Premierminister Múte Bourup Egedem, streben die Unabhängigkeit von Dänemark an (hier archiviert). Egede sagte am 13. Januar 2025, Grönland sei offen für engere Beziehungen zu den USA, auch in den Bereichen Verteidigung und Bodenschätze (hier archiviert). Er fügte hinzu, dass die Regierung Grönlands nach Wegen suche, mit Trump zusammenzuarbeiten, allerdings zu ihren eigenen Bedingungen.
Am 16. Januar 2025 führte die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ein Telefonat mit Donald Trump, in dem sie auf dessen Äußerungen einging, dass die USA die Insel von Dänemark kaufen könnten (hier archiviert). Anschließend teilte sie der dänischen Öffentlichkeit mit, dass Grönland selbst über seine Zukunft entscheiden würde. Des weiteren sagte Frederiksen, dass Trump während des Gespräches sich weigerte, die Drohung auszuschließen, die Kontrolle über Grönland via wirtschaftlichen Druck zu übernehmen.
Fazit: Posts in sozialen Medien, die angeblich von dem dänischen Parlamentsabgeordneten Karsten Hønge geteilt wurden und in welchen er Dänemark scheinbar aufruft, Russland um Hilfe bei der Verteidigung Grönlands zu bitten, sind gefälscht.