Kalifornische Waldbrände beleben bekannte Verschwörungserzählungen über "Smart Cities"
- Veröffentlicht am 31. Januar 2025 um 16:59
- 5 Minuten Lesezeit
- Von: Daniel Patrick GALGANO, AFP USA
- Übersetzung: Gundula HAAGE , AFP Deutschland
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Im Januar 2025 haben verheerende Waldbrände Teile Kaliforniens verwüstet und dabei auch einige Stadtteile der zweitgrößten Stadt der USA, Los Angeles, getroffen. Online kursierten schnell Verschwörungserzählungen über die Brände: "Wusstet ihr, dass genau dort, wo die Brände in LA wüten, eine wundervolle 'SmartCity2028' entstehen soll?", schrieb etwa ein X-Nutzer am 12. Januar 2025. "Was es für Zufälle doch so gibt...". Dazu teilte er einen Screenshot einer Broschüre mit dem Titel "SmartLA 2028".
Auf Facebook, Threads, Instagram und Telegram sorgten vergleichbare Behauptungen über eine angebliche Verknüpfung zwischen den Waldbränden und Plänen für eine sogenannte "Smart City" für tausende Interaktionen. Auch in anderen Sprachen, etwa auf Englisch und Griechisch, kursierten ähnliche Aussagen.
Waldbrände in Kalifornien sind seit Jahren ein großes Problem. Im Januar 2025 herrschte zudem eine für die Jahreszeit ungewöhnlich trockene Witterung mit sehr starken Winden. Der Nationale Wetterdienst der USA und lokale Regierungsbehörden warnten bereits am 7. Januar 2025 vor Waldbrandgefahr. Mehr als zwei Dutzend Menschen kamen bei den Bränden ums Leben, die Sachschäden in Milliardenhöhe verursachten. Ganze Stadtviertel in Pacific Palisades und der nahe gelegenen Stadt Pasadena wurden dabei zerstört, trotz Bemühungen der Feuerwehr, die Brände zu löschen.
In den online kursierenden Beiträgen wird behauptet, die Brände seien absichtlich gelegt worden, um Platz für eine "Smart City" zu schaffen. Dabei handelt es sich um ein städtebauliches Konzept, das eine breite Palette von Technologien zur Überwachung von Verkehrsmustern, Stromverbrauch sowie kriminellen Aktivitäten einsetzt, um die öffentlichen Dienstleistungen zu verbessern und Treibhausgasemissionen zu senken.
Im Jahr 2023 hat AFP bereits ähnliche Verschwörungserzählungen über einen angeblichen Zusammenhang zwischen Waldbränden auf Hawaii und "Smart-City"-Plänen widerlegt.
Stadtentwicklung für Los Angeles: "SmartLA 2028"
Im Dezember 2020 kündigten Stadtvertreterinnen und -vertreter einen Investitionsplan in die Infrastruktur von Los Angeles namens "SmartLA 2028" an. Darin vorgesehen ist Technologie zur Überwachung des Stromverbrauchs, die Integration von städtischen Diensten in eine mobile App und die Installation von Sensoren, die Notfalldienste bei potenziellen Verbrechen und Hausbränden alarmieren können.
Im Jahr 2028 sollen die Olympischen Sommerspiele in Los Angeles stattfinden. Die Hoffnungen sind groß, dass die Stadt bis dahin in der Lage sein wird, ihren notorisch dichten Verkehr zu entzerren, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und die Notfalldienste zu verbessern.
Der "SmartLA"-Plan sieht nicht vor, ganze Stadtviertel abzureißen oder Teile der Stadt von Grund auf neu zu bauen. Stattdessen konzentriert er sich auf Maßnahmen wie die Installation von Geräten zur Überwachung von Verkehrsmustern und die Erfassung von Daten über Luftqualität, Kriminalität, Straßenverhältnisse und andere Dinge, um die lokalen Dienstleistungen zu verbessern.
"Technologie ermöglicht es der Stadt Los Angeles, die Lebensqualität für unsere Einwohner, Unternehmen und Besucher effizient und ethisch zu verbessern", sagte Ted Ross, Informationsbeauftragter der Stadt Los Angeles, in einem Video, in dem er diese Strategie erläuterte.
Der Plan gilt zudem nur für die Stadt Los Angeles und enthält kein Konzept für den Rest des Landkreises, zu dem andere von Bränden betroffene Städte wie Pasadena gehören.
AFP kontaktierte Ross, um weitere Informationen zu erhalten, aber hat zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels noch keine Rückmeldung erhalten.
Hohe Kosten der Katastrophenhilfe
Susan Winter, stellvertretende Forschungsdekanin an der University of Maryland, sagte auf AFP-Anfrage am 13. Januar 2025, dass Zerstörung kein "vernünftiger Ansatz für die Stadtplanung" sei. Sie wies darauf hin, dass die Kosten, welche die Regierung für den Wiederaufbau der von Bränden verwüsteten Gebiete auftreiben müsse, den wirtschaftlichen Nutzen einer Ausstattung der Region mit intelligenter Technologie schnell überschreiten würden.
"Der Plan der Stadt Los Angeles sieht für mich in keiner Weise zwielichtig oder ruchlos aus", sagte Winter gegenüber AFP. Sie fügte hinzu, dass Stadtplanerinnen und -planer auf öffentliche Bedenken über eine mögliche Verletzung der Privatsphäre durch intelligente Technologien reagiert hätten. Demnach sah der Plan vor, die gesammelten Daten zu anonymisieren und den Speicherort der Informationen einzuschränken, um das Risiko eines Datenlecks zu verringern.
Versicherungsunternehmen bezifferten die erwarteten Verluste durch die Brände in Los Angeles auf bis zu 24 Milliarden US-Dollar. Der gesamte Sachschaden könnte zudem 250 Milliarden US-Dollar übersteigen.
Aus Sorge um die durch den Klimawandel zunehmend häufiger auftretenden Naturkatastrophen in der Region hatten mehrere Haus- und Feuerversicherungsunternehmen ihre Arbeit in Kalifornien eingeschränkt oder ganz eingestellt. Berichten zufolge hatten Tausende Einwohnerinnen und Einwohner von Los Angeles vor den Bränden keine private Hausratversicherung.
Hussam Mahmoud, Professor für Bau- und Umweltingenieurwesen an der Colorado State University, erklärte am 14. Januar 2025 gegenüber AFP, dass Städte in den USA aktiv in technische Systeme investiert haben, die Waldbrände frühzeitig erkennen sollen, um eine Ausbreitung zu verhindern. "Ich bezweifle sehr, dass irgendjemand sagen würde: 'Lasst uns das Gebiet zerstören, indem wir das tun'", sagte er.
Ermittlerinnen und Ermittler suchen derweil noch nach möglichen Auslösern der Brände. Dem Unternehmen Southern California Edison nahe Pasadena wurde in einem Gerichtsverfahren bereits eine Mitschuld an der weiteren Ausbreitung eines Brandes attestiert, weil das Unternehmen versäumt habe, seine Anlagen auszuschalten, als die Brände zu wüten begannen. Bislang gibt jedoch keinerlei Anzeichen dafür, dass Regierungsbehörden die Feuer absichtlich ausgelöst haben könnten.
AFP hat bereits mehrere Falschbehauptungen im Zusammenhang mit den Waldbränden in Los Angeles widerlegt.
Fazit: Der online kursierenden Behauptung, kalifornische Behörden hätten die verheerenden Waldbrände in Kalifornien absichtlich gelegt, um ein Konzept namens "SmartLA" umzusetzen, fehlt jede Grundlage, wie Expertinnen und Experten erklärten.