Im australischen Perth aufgenommen – Video zeigt keinen Starkregen nahe Barcelona im November 2024

Im Herbst 2024 kam es zu einer Flutkatastrophe durch Starkregen in Spanien, vor allem in der Region Valencia und kurz darauf in Barcelona. Online wird in diesem Kontext ein Zeitraffer-Video verbreitet, das heftige Regenfälle nahe Barcelona zeigen soll. Tatsächlich stammen die Bilder nicht aus Spanien: Sie wurden im Jahr 2020 am Flughafen von Perth in Australien aufgenommen, wie der Urheber bestätigte. In sozialen Medien wurde das Video bereits mehrfach mit falschen Ortsangaben geteilt.

Die Überschwemmungen im Südosten Spaniens, vor allem in der Region von Valencia am 29. Oktober 2024, bezeichnete der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez als "ziemlich sicher" schwerste Flut in Europa in diesem Jahrhundert. Mitte November 2024 belief sich die Zahl der Todesopfer vorläufig auf mindestens 220, die Suche nach Vermissten dauerte an.

Am 4. November 2024 folgten weitere starke Regenfälle im Großraum Barcelona, die zu Überflutungen führten. Nur zwei Wochen nach den Überschwemmungen in der Region Valencia trafen Unwetter die Provinz Málaga.

Wie so oft bei Extremwetterereignissen wurden auch im Zusammenhang mit den Fluten in Spanien Falschinformationen in sozialen Medien verbreitet. So teilten Facebook-Nutzerinnen und -Nutzer Anfang November 2024 ein Zeitraffer-Video einer dunklen Wolkenfront mit heftigem Regen mit den Worten: "Zeitraffer (Beschleunigung) zeigt buchstäblich, wie der Himmel über Castelldefels (bei Barcelona) fällt, mit Wasserkumulierungen von über 150 L innerhalb von 3 Stunden." Auch auf X und Telegram wurde das Video verbreitet sowie auf anderen Sprachen wie Englisch, Französisch und Spanisch.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 28. November 2024

Im Video sind jedoch nicht die heftigen Regenfälle in Castelldefels nahe Barcelona zu sehen – es wurde bereits vor einigen Jahren andernorts aufgenommen.

Video in verschiedenen Kontexten verbreitet

Eine umgekehrte Bildsuche zeigte zunächst, dass die Aufnahmen in den vergangenen Monaten und Jahren im Zusammenhang mit verschiedenen Wetterphänomenen an unterschiedlichen Orten verbreitet wurden: So wurde beispielsweise behauptet, darauf sei der Hurrikan Milton im US-Bundesstaat Florida im Oktober 2024 zu sehen oder auch Regenfälle im indischen Bangalore im September 2022.

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Instagram-Screenshot der damaligen Behauptung zu Hurrikan Milton: 21. November 2024
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Youtube-Screenshot der damaligen Behauptung zu Bangalore: 21. November 2024

Im August 2022 hat AFP das Video schon einmal überprüft und herausgefunden, dass es am Flughafen von Perth in Australien aufgenommen worden war.

Unter den zahlreichen Beiträgen ist eine Veröffentlichung auf Youtube aus dem Jahr 2020, die einen nützlichen Hinweis enthält: In der oberen rechten Ecke ist "Kane Artie Photography – Not for media use. Licensing available" (zu Deutsch: "Kane Artie Fotografie – keine Mediennutzung. Lizenz verfügbar") zu lesen (hier archiviert).

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Youtube-Screenshot des Videos, Hervorhebung durch AFP: 28. November 2024

Eine Stichwortsuche führte zum Webshop des Fotografen Kane Artie, der in Perth an der Westküste Australiens lebt. Artie, der sich als Autodidakt beschreibt, macht Landschaftsbilder seiner Region, Drohnenfotos und Zeitraffer-Aufnahmen, auch Timelapse genannt.

Auf seinem Facebook-Profil postete er das häufig verbreitete Zeitraffer-Video am 2. August 2022 und, als erstes Publikationsdatum, am 25. Februar 2020 (hier und hier archiviert). Geteilt wurde der Originalbeitrag mehr als 40.000 Mal. Artie schrieb in seinem Post, die Aufnahmen seien am Flughafen von Perth entstanden. Die Lizenz sei zudem bei "Severe Weather Australia" erhältlich, einem Medium, das nach eigenen Angaben spektakuläre Wetteraufnahmen sammelt.

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Facebook-Screenshot des Originalbeitrags vom 25. Februar 2020: 28. November 2024

Das Video hat Artie zudem am 1. August 2022 als Reel auf seinem Instagram-Profil hochgeladen, wo es bis Mitte November 2024 mehr als 1,5 Millionen Likes bekommen hat (hier archiviert).

Auf seinem Profil gibt er einen Einblick, wie das Zeitraffer-Video entstanden ist und veröffentlicht Aufnahmen, die er kurz vor dem heftigen Regenfall gemacht hat (hier archiviert). Darin ist zu erkennen, dass er das Video in der Nähe der Start- und Landebahnen eines Flughafens aufgenommen hat. 

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Instagram-Screenshots des Reels von Kane Artie: 28. November 2024

Darin sind einige Bäume wiederzuerkennen, die auch im Video zu sehen sind, das fälschlich in Barcelona verortet wird: 

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Vergleich des Videos mit der Falschbehauptung (links) und einer Aufnahme von Kane Artie in Perth (rechts), Hervorhebungen durch AFP: 28. November 2024

AFP konnte mithilfe von KI-Tools nicht bestimmen, ob die Aufnahmen durch künstliche Intelligenz (KI) verändert wurden.

Kane Artie erklärte auf Anfrage von AFP am 22. November 2024 telefonisch, dass er das Video "auf dem Flughafen von Perth" als Zeitraffer aufgenommen habe, wodurch die Wolken schneller zögen als in Wirklichkeit. Er versicherte zudem, dass die Aufnahmen authentisch seien und er sie nicht mithilfe von KI oder anderweitig bearbeitet habe.

Bilder von Google Street View bestätigen Ort

Ein Vergleich mit Bildern von Google Street View bestätigt den Ort der Aufnahmen (hier archiviert). Die Baumgruppe aus dem geteilten Video sowie die weiße Metallüberdachung aus Arties zusätzlichem Einblick hinter die Kulissen stimmen überein. 

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Screenshot von Google Street View, Hervorhebungen durch AFP: 22. November 2024

Mithilfe von Google Maps lassen sich der Aufnahmestandort – die Aussichtsplattform des Flughafens – und der Blickwinkel, aus denen Arties Videos aufgenommen wurden, nachvollziehen (hier archiviert):

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Screenshot von Google Maps, Hervorhebungen durch AFP: 22. November 2024

Auf AFP-Anfrage im August 2022 erklärte auch Daniel Shaw, "Sturmjäger" und nationaler Informationsdirektor von "Severe Weather Australia", das die Lizenzrechte des Videos von Artie hält, dass die Aufnahmen am 25. Februar 2020 entstanden sind. An diesem Tag traf ein Unwetter mit starken Regenfällen, Blitzen und heftigen Stürmen auf Perth, wie australische Medien berichteten.

Video zeigt sogenannten Microburst

Der US-amerikanische, auf Meteorologie spezialisierte Sender The Weather Channel analysierte das Zeitraffer-Video von Kane Artie am 7. August 2020 ebenfalls (hier archiviert). Er erklärte, darin sei ein Phänomen namens Microburst zu sehen. Dieser Wolkentyp, der bei bestimmten Stürmen auftritt, zeichnet sich dadurch aus, dass große Mengen an Regen oder Hagel in einer absteigenden kalten Luftsäule auf einer Fläche von bis zu vier Quadratkilometern plötzlich freigesetzt werden. Das erklärt der US-amerikanische Wetterdienst auf seiner Website.

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Screenshot einer Infografik zum Phänomen des Microburst auf der Website des US-amerikanischen Wetterdienstes: 22. November 2024

Auf AFP-Anfrage vom 22. November 2024 wollte der australische Wetterdienst keine Angaben machen. Er erklärte, dass er sich grundsätzlich nicht zu Beiträgen äußere, die in sozialen Medien kursierten und verwies auf den Urheber des Videos.

Video mit HAARP in Verbindung gebracht

Einige Nutzerinnen und Nutzer behaupteten im November 2024 nicht nur, die Aufnahmen würden aus Castelldefels bei Barcelona stammen. Sie schrieben zusätzlich den Kommentar "Sponsored by HAARP" in ihre Posts. Das 1990 gestartete amerikanische High-Frequency Active Auroral Research Program (HAARP) ist ein US-amerikanisches Forschungsprogramm, das den weltweit leistungsstärksten Hochfrequenz-Sender einsetzt, "um das Wissen über die obere Atmosphäre der Erde zu erweitern", indem "die physikalischen und elektrischen Eigenschaften der Ionosphäre der Erde erforscht werden, die unsere militärischen und zivilen Kommunikations- und Navigationssysteme beeinträchtigen können", heißt es auf der Website des Programms.

Das Programm ist häufig Gegenstand von Verschwörungserzählungen über Wetterphänomene und wird unter anderem als alternative Erklärung für Extremwetter anstelle des Klimawandels herangezogen. AFP entkräftete solche Behauptungen bereits mehrfach. Laut Expertinnen und Experten kann HAARP das Wetter nicht verändern.

AFP widerlegte weitere Falschinformationen zu den Überschwemmungen in Spanien, darunter die fälschliche Annahme, EU-Förderung des Dammrückbaus habe zu den Fluten geführt.

Fazit: Ein im November 2024 verbreitetes Video zeigt keine heftigen Regenfälle nahe Barcelona im selben Monat, sondern ein Unwetter im australischen Perth im Februar 2020. Das bestätigte auch der Urheber des Videos gegenüber AFP. 

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