Nein, HAARP kann keine Unwetter, Erdbeben oder Vulkanausbrüche auslösen

Mittels HAARP (High-frequency Active Auroral Research Program) wird die 120 Kilometer über der Erde liegende Ionosphäre mit Radiowellen wissenschaftlich untersucht. Im Internet wird jedoch behauptet, die Anlage wäre eine Energie-Waffe, mit der Unwetter, Vulkanausbrüche, Erdbeben und sogar der Klimawandel ausgelöst werden können. Forschende haben gegenüber AFP bestätigt, dass HAARP technisch nicht dazu in der Lage ist, die Umwelt in erheblichem Maße zu beeinflussen.

Ein Video, das behauptet, HAARP sei verantwortlich für ein schweres Unwetter in Kroatien und könnte Erdbeben und Vulkanausbrüche verursachen, wird auf Facebook und Telegram geteilt.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 9. August 2023

AFP hat bereits in der Vergangenheit Falschbehauptungen in Zusammenhang mit HAARP und Erdbeben oder Gewittern widerlegt.

Im derzeit geteilten Video wird behauptet, es gäbe insgesamt 180 HAARP-Anlagen. Diese würden im Zusammenspiel als eine "Hyper-Energie-Waffe" eingesetzt, mit der die Umwelt verändert und Wirbelstürme, Tornados und Tsunamis erzeugt werden könnten. Ebenso könnten Hitzekatastrophen, Dürre und Waldbrände, Starkregen, Überschwemmungen, riesiger Hagel, eisige Temperaturen, Erdbeben und Vulkanausbrüche ausgelöst werden. In der Beschreibung des Posts wird insbesondere Bezug zu einem schweren Unwetter in Kroatien am 20. Juli 2023 hergestellt. Außerdem wird behauptet, der Klimawandel würde durch die HAARP-Anlagen gesteuert.

Was ist HAARP?

Das High-Frequency Active Auroral Research (HAARP) ist ein amerikanisches Forschungsprogramm, das 1990 ins Leben gerufen wurde und den weltweit leistungsstärksten Hochfrequenz (HF)-Sender einsetzt, "um das Wissen über die obere Atmosphäre der Erde zu erweitern", indem "die physikalischen und elektrischen Eigenschaften der Ionosphäre der Erde erforscht werden, die unsere militärischen und zivilen Kommunikations- und Navigationssysteme beeinträchtigen können", heißt es auf der Website des Programms. Die Untersuchung wird mithilfe von 180 Antennen durchgeführt, die an einem Standort in Alaska aufgestellt sind.

Die Ionosphäre beginnt in etwa 60 bis 70 Kilometer Höhe und erstreckt sich über 500 Kilometer Höhe. Im Gegensatz zu anderen Teilen der Atmosphäre ist die Ionosphäre keine eigenständige Schicht, sondern "eine Reihe von Bereichen in der Mesosphäre und Thermosphäre", wie UCAR, das amerikanische Zentrum für wissenschaftliche Bildung, erklärt.

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Regionen der Ionosphäre mit den Schichten D, E und F. ( UCAR / Randy Russell)

Bis 2015 wurde HAARP von der United States Air Force (USAF) zusammen mit der United States Navy verwaltet. Nachdem die USAF im Verlauf der 25-jährigen Nutzung immer weniger Mittel für das Projekt bereit gestellt hatte, übernahm die University of Alaska Fairbanks den Betrieb der Anlage, heißt es auf der Website des Programms.

HAARP "wurde ursprünglich vom Militär gebaut, aber aus wissenschaftlichen Gründen. Das Militär wollte die Ionosphäre verstehen. Zum Beispiel, um Radarsignale von der Ionosphäre abprallen zu lassen, um weit entfernte Raketen aufzuspüren", sagte Jeffrey Hughes, Professor für Astronomie an der Universität von Boston, AFP am 2. August 2023. Es wurden laut dem Forscher noch zwei weitere Anlagen gebaut, die mit HAARP in Alaska vergleichbar sind. Eine befindet sich im Norden Norwegens und eine in Russland, rund 500 Kilometer westlich von Moskau." Im Video wird behauptet, es gebe 180 HAARP-Anlagen weltweit. Es gibt aber keine 180 HAARP Anlagen weltweit, jedoch hat die Anlage in Alaska 180 Antennen.

Vergleichsweise wenig Energie

Trotz seines militärischen Ursprungs sei "die Anlage keine Waffe" und könne auch nicht das Wetter beeinflussen: "Die Vorstellung, dass ein Funksender mit einigen Megawatt Sendeleistung, der in einem Teil der Welt betrieben wird, Einfluss auf das Wetter in einem weit entfernten Teil der Welt haben könnte, ist falsch", schrieb Bill Bristow, Professor für Atmosphärenwissenschaften am PennState College, USA, für Erd- und Mineralwissenschaften, in einer E-Mail vom 1. August 2023 an AFP. "Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass dies das Wetter in irgendeiner Weise verändern kann. [...] Das Gleiche gilt für jegliche Auswirkungen auf das globale Klima", fügte er hinzu. Als Wetter bezeichnet man kurzfristige, aktuelle Zustände der Atmosphäre. Das Klima stellt die Zusammenfassung der Wetterphänomene dar, die den durchschnittlichen Zustand der Atmosphäre an einem spezifischen Ort oder in einem größeren Gebiet kennzeichnen.

So sei die Energiemenge, die der Sender liefert, sehr gering im Vergleich zur Energie, die von der Sonne in die Atmosphäre gelange: "Die durchschnittliche Sonneneinstrahlung auf der Erdoberfläche beträgt etwa 350 Watt pro Quadratmeter. Das bedeutet, dass jeder Hektar der Erdoberfläche etwa 1,4 MW empfängt." Selbst wenn die HAARP-Anlage in der Lage wäre, die gesamte Energie, die sie überträgt, in die Troposphäre zu leiten, wäre dies weniger als ein Zehntel der Energie, die von der Sonne über dem Standort ihrer Antennen ausgeht, so Bristow.

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Screenshot von Google Earth der HAARP-Anlage in Alaska vom 7. August 2023.

Die 180 HAARP-Antennen sind quadratisch in einem Muster von 12 Mal 15 Antennen angeordnet. Die längere Seite der Anlage ist rund 360 Meter, die kürzere rund 290 Meter lang. Die Fläche entspricht damit rund 104.400 Quadratmetern oder 15 Fußballfeldern. Bei 350 Watt pro Quadratmeter entspricht dies 36,4 Megawatt Sonneneinstrahlung. Die Anlage selbst hat eine Sendeleistung von 3,6 MW.

Wirkung lokal begrenzt

Auch Jeff Hughes bestätigt AFP, dass die Wirkung von HAARP auf das Gebiet und die nähere Umgebung beschränkt ist, in dem es steht: "Die Funkwellen werden direkt nach oben gesendet und treffen in einem Bereich von etwa zwei mal zwei Kilometern auf die Ionosphäre. Dies geschieht mehr als 100 Kilometer über dem Boden. Weit über den Schichten der Atmosphäre, die für das Wetter auf der Erde verantwortlich sind (hauptsächlich die Troposphäre, Anm. d. Red.). Es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass dies das Wetter in irgendeiner Weise verändern kann", so Hughes. "Mit der Anlage im Norden Norwegens ist es beispielsweise nicht möglich, das Wetter in Kroatien zu beeinflussen."

Laut der HAARP-Website werden die ausgestrahlten Radiowellen der Sender nicht von dem Teil der Atmosphäre, der Troposphäre, absorbiert, der das Wetter erzeugt. "Da es keine Wechselwirkung gibt, kann das Wetter nicht kontrolliert werden", heißt es auf der FAQ-Webseite von HAARP.

"Hitzewellen, Dürren, Stürme und Überschwemmungen werden durch eine Vielzahl unterschiedlicher Bedingungen in der Atmosphäre verursacht und sind oft das Ergebnis einer zufälligen Kombination von Wetterereignissen", so Ella Gilbert, Meteorologin beim British Antarctic Survey, in einer E-Mail vom 30. November 2022 über frühere Verschwörungstheorien, wonach das Wetter durch Technologien wie HAARP verändert wird. "Es ist technisch extrem schwierig, ein so großes, komplexes und chaotisches System wie das Wetter zu beeinflussen", fügte sie hinzu.

Christoph Jacobi, Professor für Meteorologie an der Universität Leipzig, bestätigt in einer Mail an AFP vom 7. Juli 2023, dass sich die Wirkung der Anlage lediglich in Höhen zeigt, die für das Wetter nicht relevant sind: "HAARP sendet Radiowellen, die teils in der Ionosphäre absorbiert werden und diese dann aufheizen." Diese Effekte seien nur kurzzeitig, die Ionosphäre werde dadurch nicht dauerhaft verändert. "Man verändert auch einen See nicht, indem man ein Steinchen hineinwirft und dann die Wellen beobachtet." Auch er sieht natürliche Störungen um ein Vielfaches stärker an. "Bedingt durch Änderungen der Sonnenstrahlung, des Magnetfeldes und der einfallenden kosmischen Strahlung fluktuiert der ionosphärische Elektronengehalt ständig, und sehr viel stärker als dies durch HAAARP erreicht werden kann."

Auf die Frage, ob sich mit den HAARP-Antennen das Wetter beeinflussen lässt, schreibt Jacobi: "Das ist natürlich Unsinn. Allein schon die Tatsache, dass die Masse der Hochatmosphäre weniger als ein Millionstel der Masse der Atmosphäre beträgt, und demzufolge für Manipulationen des Wetters Millionen Mal mehr Energie aufgewendet werden müsste, schließt die Wettermanipulation schon aus."

Menschliche Aktivitäten treiben die globale Erwärmung und den Klimawandel voran

Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) teilte am 12. Januar 2023 mit, dass die vergangenen acht Jahre die wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen waren. Die globale Durchschnittstemperatur lag nach Angaben der UN-Organisation etwa 1,15 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Die Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde der USA und die NASA hatten zuvor ähnliche Zahlen für 2022 veröffentlicht.

In den Jahren 2021 und 2022 veröffentlichte der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) seinen sechsten umfassenden Bewertungsbericht, in dem die Organisation davor warnt, dass Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen dringend erforderlich sind, wenn eine katastrophale globale Erwärmung vermieden werden soll, und dass nur drei Jahre bleiben, um die Emissionskurve der Treibhausgase umzukehren. Der Inhalt des Berichts spiegelt den globalen Konsens unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlernin aller Welt hinsichtlich der menschlichen Ursachen der globalen Erwärmung wider. "Es besteht kein Zweifel, dass der menschliche Einfluss die Atmosphäre, die Ozeane und das Land erwärmt hat", heißt es in dem Bericht.

Erdbeben und Vulkanausbrüche

Für einen früheren Faktencheck der Behauptung, HAARP hätte das Erdbeben in der Türkei im Februar 2023 ausgelöst, hat AFP mit Toshi Nishimura gesprochen. Der Geophysiker am College of Engineering der Universität Boston, erklärte gegenüber AFP am 8. Februar 2023, ihm seien keine wissenschaftlichen Belege dafür bekannt, dass HAARP ein Erdbeben verursachen könne: "Künstliche Radiowellen können die obere Atmosphäre lokal stören, aber das ist vergleichbar mit der Störung durch die Sonne. Mir sind keine wissenschaftlichen Beweise dafür bekannt, dass die künstlichen Wellen viel stärkere Störungen verursachen und lokale seismische Bedingungen beeinflussen können. Die Leistung der Wellen nimmt mit der Entfernung ab."

Im Zuge derselben Recherche sagte David Keith, Professor für Angewandte Physik an der Harvard School of Engineering and Applied Sciences in Boston, erklärte am 8. Februar 2023: "Das ist so verrückt, als würde man fragen, ob das Erdbeben von Bugs Bunny verursacht wurde, der nach Karotten gräbt." Er erklärte weiter: "Es gibt einfach keinen bekannten Mechanismus, der auch nur im Entferntesten mit HAARP vergleichbar wäre, um Erdbeben zu beeinflussen."

Benjamin J. Andrews, Direktor des Programms Globaler Vulkanismus am Nationalen Museum für Naturgeschichte des Smithsonian Insititute, in den USA, schrieb in einer Mail an AFP am 14. August 2023: "Anlagen wie HAARP haben keinen Einfluss auf geologische Prozesse. Es wurden noch keine Vulkanausbrüche durch Radiowellen ausgelöst."

Dies bestätigt auch Christopher Kilburn in einer Mail an AFP am 14. August 2023. Der Professor für Vulkanologie am University College London, schreibt, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Radiowellen einen Einfluss auf Vulkanausbrüche haben: "Eruptionen werden durch Druckveränderungen im geschmolzenen Gestein (oder Magma) ausgelöst. Diese Veränderungen können durch verschiedene Faktoren verursacht werden, zum Beispiel durch das Eindringen von Magma in eine andere Schicht oder durch das Aufschäumen von Gas im Inneren des Magmas (wie beim Öffnen einer Champagnerflasche). Die Veränderungen beginnen in der Regel in einer Tiefe von mehreren Kilometern."

Jeffrey Hughes kann sich nicht erklären, warum gerade HAARP immer wieder für Verschwörungstheorien herangezogen wird: "Ich vermute, das liegt daran, dass HAARP vom Militär gebaut wurde. Außerdem ist es ein sehr komplexes Experiment, das dort durchgeführt wird und schwer zu verstehen ist. Gleichzeitig sieht man in Science-Fiction-Filmen eine Menge Energiestrahlenwaffen. Aber es ist nichts dergleichen."

Fazit: In einem Video des Youtube-Kanals Klagemauer TV wird behauptet, HAARP sei eine Art Waffe. Mit der Anlage sollen schwere Zerstörungen angerichtet werden können. So sollen mittels Radiowellen das Wetter und Klima beeinflusst oder Vulkanausbrüche und Erbeben ausgelöst werden. Das ist falsch. Experten unterschiedlicher Fachrichtungen haben gegenüber AFP erklärt, dass die Radiosender nicht in der Lage sind, erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu haben.

16. August 2023 Korrigiert Tippfehler in der Überschrift

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