Dieses Video zeigt eine “Black Lives Matter”-Demo in Wien und nicht die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin

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  • Veröffentlicht am 11. September 2020 um 12:58
  • 3 Minuten Lesezeit
  • Von: Marion DAUTRY, AFP Belgrad
Ein in Serbien hundertfach geteiltes Video soll angeblich eine große Masse an Menschen auf der Berliner Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am 9. August 2020 zeigen. Auf dem Video ist in Wahrheit aber etwas anderes zu sehen: Einen Protest der “Black Lives Matter”-Bewegung in Wien im Juni.

Die Bildunterschrift des Facebook-Beitrags, den mehr als 400 Nutzer teilten und rund 12.000 Mal abspielten, lautet “Berlin 29.08.2020. Proteste gegen die Corona-Maßnahmen”. Das Video zeigt viele Menschen, die sich auf einer Straße versammelt haben und Parolen rufen.

 
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Screenshot des Facebook-Posts vom 10. September 2020

Die Berliner Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung von Covid-19 sorgte Ende August für Schlagzeilen – wegen der Besucherzahlen, des bereits vorher angekündigten Verstoßes gegen Corona-Auflagen, schließlich auch wegen zahlreicher Teilnehmer aus der rechtsextremen Szene und dem Versuch einiger Demonstranten, ins Reichstagsgebäude einzudringen. Die Polizei löste die die Proteste auf.

Das auf Facebook kursierende Video steht allerdings nicht in Zusammenhang mit dieser Demonstration. Dieses Video wurde im Juni in Wien bei einer “Black Lives Matter”-Kundgebung aufgenommen.

AFP suchte auf Google nach Videos mit der Erwähnung der TikTok-Nutzerin "@nandycandyx", deren Name in der linken oberen Ecke des angeblichen Filmmaterials aus Berlin erscheint. Die Ergebnisse führten zum selben Beitrag, der im Juni auf Twitter und Youtube veröffentlicht wurde. Die Bildunterschrift gibt an, dass es sich dabei um einen “Black Lives Matter”-Protest in Wien handelt.

Die US-Botschaft in Wien kündigte am 4. Juni 2020 auf ihrer Homepage an, dass am 4. und 5. Juni zwei “Black Lives Matter”-Proteste stattfinden würden. Die erste Demo am Museumsquartier auf der Mariahilfer Straße. Die zweite in der Nähe der US-Botschaft auf der Ecke Boltzmanngasse/Strudlhofgasse.

Eine Google-Maps-Recherche zeigt, dass das Video an der Ecke Mariahilfer Straße und Museumsplatz aufgenommen wurde. 

Vergleicht man die visuellen Anhaltspunkte im Video mit denen auf Google Maps, so sieht man eine Baumgruppe gegenüber eines großen weißen Laternenpfahls. Auch die Ecke eines Gebäudes mit einer breiten grünen Tür ist sichtbar, das Teil des Museumsquartiers ist. Das große weiße Gebäude ist das Kunsthistorische Museum, das zweite weiße Gebäude im Hintergrund ist das Naturhistorische Museum in Wien.

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Standbild des Videos (links), Screenshot von Google Street View (in der Mitte) und Google Maps (rechts) vom 4. September 2020

Die Wiener Polizei gab an, dass 50.000 Menschen an der Demonstration am 4. Juni 2020 teilnahmen. Einige Demonstrantinnen und Demonstranten behaupteten sogar, dass es sich um eine der größten Proteste in Wien seit Jahren gehandelt habe. AFP berichtete hier.

Auch andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer veröffentlichten Videos von den Wiener Protesten in den sozialen Medien. Zum Beispiel hier am Museumsquartier. Der Demonstrationszug, der laut AFP auf dem Karlsplatz endete, wurde hier und hier vor der Karlskirche gefilmt. Wie im Video, das auf Facebook fälschlicherweise als Berliner Corona-Demo ausgegeben wird, sind auch in den anderen Videos “Black Lives Matter”-Rufe zu hören und thematisch passende Schilder zu sehen.

Die Nutzerin "@nandycandyx" bestätigte auf AFP-Nachfrage auf TikTok, dass das Video von einer “Black Lives Matter” in Wien stammt. In einer Direktnachricht schrieb sie: “Die Facebook-Leute wissen nicht, worüber sie reden. Man kann sie sogar BLM ('Black Lives Matter') rufen hören.”

 
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"Black Lives Matter"-Demonstranten während der Proteste am 5 Juni 2020 in Wien. (Joe Klamar / AFP)

Der Tod von George Floyd, einem Schwarzen, der im Mai in Minneapolis in Polizeigewahrsam getötet wurde, löste eine weltweite Welle von “Black Lives Matter”-Protesten aus.

Bilder der “Black Lives Matter”-Proteste wurden dabei schon zuvor für die Verbreitung von Falschinformationen missbraucht. Sie sollten vortäuschen, dass die Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen am 1. August in Berlin große Menschenmassen angezogen hat. AFP Fact Check entlarvte solch einen Versuch bereits hier.

Die “Black Lives Matter”-Bewegung gründete sich 2013 nach dem Freispruch von George Zimmerman, der in den Vereinigten Staaten wegen der Tötung des unbewaffneten schwarzen Teenagers Trayvon Martin angeklagt war. Das Urteil löste Proteste aus, die den Rassismus im Land und in der Polizei kritisieren.

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