Diese Journalistin trägt einen Schutzanzug, weil sie über dessen Herstellung berichtet
- Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
- Veröffentlicht am 1. Juni 2021 um 15:45
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: AFP Brasilien
Copyright © AFP 2017-2025. Für die kommerzielle Nutzung dieses Inhalts ist ein Abonnement erforderlich. Klicken Sie hier für weitere Informationen.
Mehr als 2000 Nutzerinnen und Nutzer haben das Foto seit dem 5. Mai 2021 auf Facebook geteilt (hier). Bereits am 1. Juli 2020 war das Bild mit deutscher Beschriftung aufgetaucht und ist seitdem geteilt worden (hier, hier, hier).
Das Foto zeigt ein Filmteam bei der Arbeit auf einer Straße. Die Journalistin, die vor der Kamera steht und einen ABC-Schutzanzug trägt, ist mit "Vor der Kamera" beschriftet. Über dem Kameramann ohne Schutzkleidung stehen die Worte "Hinter der Kamera". Dazu heißt es: "Wie Medien Panik verbreiten" und "MEDIEN HETZEN, LÜGEN UND SCHÜREN BEWUSST PANIK UND ANGST!"
Diese Behauptung hat AFP bereits im April 2020 auf Portugiesisch in Brasilien hier widerlegt.

Eine Bildsuche führte AFP zu einem griechischen Faktencheck der Plattform "Ellinika Hoaxes", einem Partner in Facebook's Third-Party Fact-Checking Program, dem auch AFP angehört. Deren Überprüfung wiederum führte zu einem Video in einen Tweet aus dem Jahr 2020.
Earlier in #Beirut: example of bad media coverage that contributes to panic and sets wrong example. 1. If your photographer doesn’t need that, then you definitely don’t. 2. Save masks and protective gear for medical workers who actually need it. #COVID19 pic.twitter.com/RT7DQrkhKH
— Michael Downey (@mgdowney) March 18, 2020
In den Kommentaren zu diesem Tweet wies ein anderer Twitter-User den Verfasser des Tweets darauf hin, dass die Journalistin, die in dem Video zu sehen sei, vor einer Einrichtung stehe, die mit dieser Schutzkleidung zu tun habe. Sie habe lediglich über die Kleidung berichtet. Auch die Journalistin Ghinwa Yatim selbst bestätigte diesen Kontext in der Kommentarspalte des Tweets.
Yatim arbeitet als Korrespondentin für Alarabiya News in Beirut. Sie selbst nahm mit einem eigenen Tweet Stellung zur Behauptung. Der Journalistin zufolge zeigt der Bericht eine Fabrik, die im Libanon medizinische Ausrüstung mit alternativen Materialien hergestellt habe, weil es in der Wirtschaftskrise im Libanon Schwierigkeiten beim Import von Schutzanzügen gab.
Auf Twitter erklärt Yatim weiter (auf Englisch), dass sie aus einem Krankenhaus berichtet habe, das diese Anzüge testen wolle. Sie habe in ihrer Live-Berichterstattung am 18. März 2020 darauf hingewiesen, dass es vorerst keinen Grund zur Panik gebe und sie diesen Anzug, der eigens für sie hergestellt worden sei lediglich für den Bericht anprobiere. Der Kameramann habe deshalb keinen Anzug getragen.
Stimmt das Statement von Yatim?
Journalistin Yatim hat tatsächlich zwei Video-Beiträge über Schutzkleidung gedreht: Eine Reportage in der Fabrik, die diese Kleidung herstellt und einen Livebericht auf einer Straße. In beiden trägt sie den Schutzanzug.
Die Reportage in der Fabrik hat Yatim für den Fernsehsender Alarabiya gedreht. Der Sender strahlte die Reportage mit dem Titel "Libanon: Eine Nähwerkstatt-Initiative gegen Corona" (Anm. d. Red.: Aus dem Arabischen übersetzt) am 20. März 2020 aus – also zwei Tage nach Yatims Tweet.
Direkt im Anschluss an die Dreharbeiten für die Reportage drehte die Journalistin zusätzlich einen Live-Bericht für einen zweiten Fernsehsender. In diesem Bericht für den Sender Al Hadath stand sie ebenfalls am 18. März im gleichen Schutzanzug vor der Kamera. Diesmal jedoch auf einer Straße. Die Umgebung stimmt mit der auf den Facebook-Fotos und im Twitter-Video überein. In diesem Live-Video begründet Yatim das Tragen des Schutzanzugs genauso wie in ihrem im Tweet. Das bestätigte ein arabisch sprechender AFP-Journalist.
Wie entstand die falsche Behauptung
Während die Reporterin auf der Straße live berichtete, wurde sie von einer unbekannten dritten Person gefilmt. Dieses Video teilte der Produzent und Videojournalist Michael Downey auf Twitter. Es wurde von fast zwei Millionen Menschen angesehen. In seinem Tweet kritisierte Downey offenbar in Unkenntnis der Umstände die Journalistin: "Wenn Ihr Fotograf das (Anm. d. Red.: den Schutzanzug) nicht braucht, dann brauchen Sie es definitiv nicht."
Yatim schrieb auf Twitter dazu, diese Person habe das "Video aufgrund seiner eigenen Annahmen gepostet, anstatt direkt zu fragen, warum ich diesen Anzug anhatte".
Fazit: Die Behauptung, die Fernseh-Journalistin Ghinwa Yatim trage den Schutzanzug, um Panik zu verbreiten, ist falsch. Im Gegenteil: In Ihrem Live-Bericht sagt sie, dass es keinen Grund zur Panik gebe. Sie stelle lediglich einen Schutzanzug aus alternativen Materialien vor, der eine Lösung für Import-Engpässe im Libanon sein könnte. Zuvor hatte die Reporterin in der Fabrik gedreht, in der diese Schutzanzüge hergestellt werden. Diese Informationen fehlen jedoch in den Behauptungen in den sozialen Medien.