Dieses Video zeigt keinen verstorbenen Klinik-Chef, sondern einen lebenden Frauenarzt
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- Veröffentlicht am 24. November 2021 um 14:29
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
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Mehr als 400 Nutzerinnen und Nutzer haben das Video seit dem 20. November 2021 auf Facebook geteilt (hier, hier). Zuvor verbreitete sich das Video bereits seit dem 17. November mit einem englischen Beitragstext.
Die Falschbehauptung: Einige Postings, die das Video zeigen, beschreiben es mit den Worten: "Chemnitzer Klinik-Direktor vor seinem Selbstmord."
Am 2. November wurde der Geschäftsführer des Chemnitzer Klinikums tot am Krankenhaus aufgefunden. Laut Medienberichten war er vom Dach der Klinik gestürzt und noch vor Ort gestorben (hier, hier, hier). Die "Freie Presse" berichtete am 10. November mit Verweis auf die Polizei, dass ein Fremdverschulden von der Polizei bereits frühzeitig ausgeschlossen worden sei. Es gebe auch keine Hinweise auf einen Unfall.
In diesem Kontext hatten Social Media-User bereits am 10. November die Behauptung geteilt, dass der Klinikchef angeblich einen Abschiedsbrief hinterlassen habe. Darin habe er über das "ständige Belügen und Betrügen an den Patienten und Geimpften, dass Impfungen ungefährlich seien" gesprochen. Behörden hätten das Schreiben angeblich unterschlagen. AFP hat dies in diesem Faktencheck überprüft. Es gibt demnach keine Belege für einen Abschiedsbrief. Der Klinikchef setzte sich im Gegenteil immer wieder für Corona-Impfungen ein.
Wer ist im Video zu sehen?
Das aktuell kursierende Video soll nun angeblich genau diesen Klinikchef vor seinem Suizid zeigen, wie er die Coronavirus-Pandemie leugnet. Die Videoqualität ist dabei so schlecht, dass der Deutsch sprechende Mann darin kaum zu erkennen ist.
In den Kommentaren weisen allerdings bereits mehrere User darauf hin, dass es sich bei dem Mann im Video möglicherweise um einen "Dr. Guido C. Hofmann" handle. Ein User hat sogar einen eigenen Post veröffentlicht, um die Falschinformation zu widerlegen.
AFP hat mit diesem Hinweis im Internet nach dem Video gesucht und eine Version vom 21. September 2021 gefunden, in der der Sprecher klar zu erkennen ist. Im inhaltlich identischen Video ist auch der Name "Dr. Guido Hofmann" eingeblendet.
Hofmann hat einen eigenen Telegram-Kanal, wo er immer wieder Clips von sich postet. Er tritt auch in anderen Videos immer wieder im selben Raum auf. Die aktuell geteilte Aufnahme ist keine Ausnahme. AFP hat die Bilder der beiden Männer verglichen: Hofmann sieht eindeutig nicht aus wie der Klinikchef aus Chemnitz. (Diesen zeigt AFP an dieser Stelle aus Gründen der Privatsphäre nicht im direkten Bildvergleich.)
Auf der Terminbuchungsplattform für Arztpraxen "Doctolib" ist Hofmann als Frauenarzt aus Königstein im Taunus in Hessen aufgeführt.
Praxismitarbeiterin und Arzt dementieren
AFP schickte das Video an die E-Mail-Adresse der Praxis von Hofmann. Hofmann selbst war für AFP nicht zu sprechen. Eine Mitarbeiterin erklärte in einem Telefonat am 24. November, dass er grundsätzlich nicht ans Telefon gehe. Sie sah sich für AFP das Video allerdings an und bestätige: "Ja, das ist Dr. Guido Hofmann, mein Chef."
Medien berichteten bereits über Hofmann als Verschwörungsredner und Corona-Zweifler. Er betreibt einen Telegram-Kanal, auf dem er nachweislich falsche Behauptungen verbreitet: Etwa spricht er dort von einer angeblich manipulierten Webcam in Triest, die eine Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Italien verschwinden lassen sollte. Oder er verbreitet die falsche Behauptung, dass Covid-Impfungen zu Krebserkrankungen führen würden.
Am Abend nach der AFP-Anfrage in seiner Praxis veröffentlichte Hofmann auf Telegram ein weiteres Video. Darin bestätigt er, dass die aktuell kursierende Aufnahme auf Facebook in Wahrheit ihn zeige und nicht den Klinikchef.
Fazit: Das auf Facebook kursierende Video zeigt nicht den Klinikchef aus Chemnitz. Es zeigt den Frauenarzt Guido Hofmann aus Hessen. Sowohl seine Praxismitarbeiterin als auch er selbst dementieren diese kursierende Behauptung. Die beiden Männer sehen eindeutig anders aus.
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