Dieses Bild stammt nicht von der afghanischen Künstlerin Shamsia Hassani sondern aus einer Magazin-Werbung

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  • Veröffentlicht am 16. September 2021 um 16:25
  • Aktualisiert am 16. September 2021 um 16:29
  • 3 Minuten Lesezeit
  • Von: AFP Mexiko
  • Übersetzung: Jan RUSSEZKI
Hunderte Facebook-User haben seit dem 10. September das vermeintliche Bild einer afghanischen Künstlerin geteilt. Darauf bewegt sich eine unverschleierte Frau entgegen einer verschleierten Menschenmenge. User haben das Werk nach der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan geteilt. Angeblich stammt es von der dortigen Künstlerin Shamsia Hassani. Diese dementierte jedoch, die Urheberin zu sein. Eine Recherche zeigt: Das Bild stammt in Wirklichkeit aus der Werbekampagne für ein tschechisches Magazin aus dem Jahr 2018.

Seitdem 10. September 2021 haben Hunderte Facebook-User (hier, hier, hier, hier) und Tausende Twitter-User das Bild mit der unverschleierten Frau geteilt.

Die Behauptung: Die meisten betiteln ihre Postings gleichlautend: "Das Werk einer afghanischen Künstlerin namens Shamsia Hassani. Wenn wir es teilen, werden wir ihr und allen afghanischen Frauen, die die Hölle erleben, eine Stimme geben."

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Facebook-Screenshot: 16.09.2021

User verbreiteten die Postings in sozialen Netzwerken, seitdem die sunnitisch-islamistischen Taliban in Afghanistan die Macht übernommen haben. Zuvor waren im August die US-Truppen nach zwei Jahrzehnten Krieg aus dem Land abgezogen. Auch die Bundeswehr hat Afghanistan verlassen. Die Taliban werden dafür kritisiert, dass sie gegen Menschen- und Frauenrechte verstoßen (hier, hier, hier) . Auch in Afghanistan selbst stoßen die Taliban auf Widerstand und Proteste – auch von vielen Frauen. Das aktuell in sozialen Medien geteilte Bild wird als Teil dieses Widerstandes gelesen.

Das Bild stammt aus einer Werbekampagne von 2018

Die Künstlerin Shamsia Hassani dementiert auf ihrer Instagram-Seite jedoch, dass das geteilte Bild von ihr stammt. Sie schreibt zu dem Bild: "Kürzlich habe ich festgestellt, dass Hunderte von Usern sozialer Medien dieses Bild als mein Kunstwerk auf ihren Profilen/Seiten geteilt haben, aber das ist nicht mein Kunstwerk." Die Arbeiten der Graffiti-Künstlerin haben außerdem einen ganz anderen Stil.

Eine Bildsuche führte AFP zu einer Seite in tschechischer Sprache. Dort heißt es, dass die Illustration Teil einer Werbekampagne des tschechischen "Reporter Magazin" aus dem Jahr 2018 ist. Diese wiederum wurde von der Werbeagentur Y&R produziert.

Im Originalbild aus der Werbekampagne hält die unverschleierte Frau – anders als auf dem aktuell geteilten Bild – kein rotes Buch in den Händen, sondern beschriebenes "Reporter Magazin".

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AFP-Collage, 16.09.2021: Facebook-Screenshot (links), Screenshot der Werbekampagne (rechts)

Eine weitere Suche nach dem Namen des Magazins in Kombination mit dem Namen der Werbeagentur ergab einen Eintrag auf einer Website, die auf Werbekampagnen spezialisiert ist. Dort trägt die Illustration den Titel "Questioning radicalism" (Deutsch: "Radikalismus hinterfragen"). Als Foto-Illustrator des Bildes ist "JPavel Hejny" angegeben.

Außerdem beinhaltete die Werbekampagne neben der Illustration der unverschleierten Frau auch zwei Bilder im gleichen Stil, aber anderem Inhalt. Auf einem ist ein Soldat zu sehen, der in die entgegengesetzte Richtung marschiert, als seine Kameraden. Ein anderer Mann protestiert ebenfalls gegen einen Menschenstrom. Beide lesen dabei die Zeitschrift.

Auf der Website des Fotografen und Illustrators erscheinen die Bilder ebenfalls. Auf Facebook teilte er selbst am 5. Februar 2020 bereits einen Post mit der unverschleierten Frau.

Fazit: Das geteilte Bild einer unverschleierten Frau in einer verschleierten Menschenmenge stammt nicht von der afghanischen Künstlerin Shamsia Hassani. Sie dementiert die Urheberschaft. AFP fand heraus, dass das Bild aus einer Werbekampagne von 2018 für das tschechische "Reporter Magazin" stammt. Auf dem Originalbild wird für das Magazin geworben. Explizite Hinweise auf die aktuelle Situation in Afghanistan oder die Taliban gibt es dort nicht.

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