Dieses Video zeigt ein Experiment mit Stahlkugeln und kein Graphenoxid

Hunderte User auf Facebook und Tausende auf Telegram haben seit Ende Juli ein Video geteilt, das angeblich die Reaktion von Graphenoxid-Nanopartikeln in einem elektromagnetischem Feld zeigen soll. Angeblich sei der Stoff im Impfstoff von Biontech/Pfizer enthalten, heißt es in den Postings. Das Video zeigt allerdings ein Experiment der Universität Stanford aus dem Jahr 2015 – ohne Graphenoxid. Der Stoff ist laut Expertinnen und Experten auch nicht im Impfstoff enthalten.

Hunderte User haben das angebliche Graphenoxid-Video auf Facebook geteilt (hier, hier). Auch auf Instagram (hier) und Twitter (hier, hier) zirkuliert der Clip. Auf Telegram und TikTok sahen ihn ebenfalls Tausende Nutzerinnen und Nutzer (hier, hier).

Die Falschbehauptung: In einer Petrischale soll angeblich Graphenoxid zu sehen sein, welches sich ein einem elektromagnetischen Feld befinde. "Das Zeug fängt an, sich selbst zu organisieren," heißt es dazu etwa unter einem Instagram-Video. Das Material sei zu 99,99 Prozent im Impfstoff von Biontech/Pfizer enthalten. 

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( Facebook-Screenshot der Falschbehauptung: 16.09.2021 / )

Die Behauptung, Graphenoxid sei im Biontech/Pfizer-Impfstoff enthalten, zirkuliert bereits seit Längerem im Netz. Ein AFP-Faktencheck zeigte allerdings bereits: Biontech/Pfizer verwendet nach eigenen Angaben kein Graphenoxid bei der Herstellung seines Impfstoffs. Forscherinnen und Forscher bestätigten das gegenüber AFP.

Was ist Graphenoxid?

Graphen ist eine atomar dünne Schicht aus Kohlenstoff, die in einem sechseckigen Gitter angeordnet ist. Übereinandergestapelt bilden die Schichten die Grundlage für Graphit, das auch in Bleistiftspitzen zu finden ist.

In Kombination mit Sauerstoff kann Graphen in sogenanntes Graphenoxid umgewandelt werden. Der Stoff könnte beispielsweise in den Bereichen der Optoelektronik oder der Energieumwandlung zum Einsatz kommen. 

Was ist im Video zu sehen?

Der Clip stammt ursprünglich vom Youtube-Kanal der Stanford Complexity Group, einem Club von Studierenden, der sich im Jahr 2018 laut Angaben der Stanford-Universität gegenüber AFP auflöste. Im Video, hochgeladen im Februar 2015, ist von einem Experiment die Rede, das mit Hilfe von Kugellagern und Rizinusöl in einer Petrischale durchgeführt wird. 

Ein Sprecher der Universität Stanford erklärte dazu am 3. August gegenüber AFP, das Video würde in sozialen Netzwerken fehlinterpretiert werden. "Das Original-Video des Clubs zeigt keine einzigartige Forschung, sondern die Nachstellung eines Versuchs von Alfred Hubler." Dabei seien Kugellager aus Stahl verwendet worden und keine Graphen-Partikel.

Im Video wird erklärt, die Petrischale sei von einem negativ geladenen Metallring umgeben und mit Rizinusöl und Kugellagern gefüllt. Über der Petrischale sei ein Draht angebracht, der an ein Hochspannungsnetzteil angeschlossen ist. Beim Anlegen einer großen Spannung würden die Kugeln in der Mitte der Schale beginnen, Ketten zu bilden und sich zu den Rändern hin auszubreiten.

Von Graphen wird in dem Video nicht gesprochen. Auch die verwendeten Kugellager werden in der Regel aus Stahl hergestellt, wie mehreren Quellen entnommen werden kann (hier, hier und hier). Das Vorbild des Experiments von Alfred Hubler ist ebenso in einem Video der University of Illinois zu sehen. 

Enthalten Covid-19-Impfstoffe Graphenoxid?

Dr. Park Jong-bo, Forscher bei Biographene, einem Unternehmen, das Graphen-basierte Arzneimittel entwickelt, bestätigte am 20. Juli gegenüber AFP, dass "keine Impfstoffe auf dem Markt auf Graphenoxid basieren."

Impfstoffe, die aktuell verwendet werden, bestünden aus Phospholipid-Schichten, Peptiden oder Nukleinsäuren, erklärte Park. Graphenoxid falle in keine dieser Kategorien.

Professor Hong Byung-hee, Experte für Nanomaterialien an der Seoul National University, erklärte AFP dazu am 19. Juli im Rahmen eines weiteren Faktenchecks, dass Graphenoxid zwar durchaus auf seine biomedizinische Anwendbarkeit auch bei Impfstoffen getestet werde. Diese Anwendungen seien aber nach wie vor in einer "experimentellen Phase."

Bevor diese auf den Markt kämen, brauche es klinische Versuche und lange Wartezeiten. Zudem sei es "faktisch unbegründet", dass alle Impfstoffe zu 99 Prozent aus Graphenoxid bestünden. Auch die gesundheitlichen Bedenken kann er nicht teilen. "Im Fall von Graphenoxid gibt es etwas Toxizität aber vergleichsweise wenig." Daher werde viel am Material geforscht, um es etwa bei der Medikamentenverabreichung und bei Diagnoseverfahren mittels Sensoren zu verwenden.

Listen der verwendeten Inhaltsstoffe von Impfungen wurden bereits von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlicht. Dort ist erkennbar, dass keiner der zugelassenen Impfstoffe Graphen oder Graphenoxid enthält. Abrufbar sind die Inhaltsstoffe der Impfungen von AstraZeneca, Janssen, Moderna, Pfizer-BioNTech, sowie Sinopharm, Sinovac, CanSino und Anhui Zhifei aus China, Russlands Sputnik und Indiens Bharat Biotech.

Fazit: Das verbreitete Video zeigt kein Graphenoxid. Stattdessen ist ein Experiment von Studierenden der Universität Stanford zu sehen, welche mit Stahlkügelchen arbeiten. Graphenoxid selbst wird zwar auf seine Verwendung in Impfstoffen hin untersucht. Aktuell ist der Stoff aber in keinem zugelassenen Impfstoff enthalten.

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