Nein, das RKI zählt geimpfte und ungeimpfte Corona-Fälle nicht unterschiedlich

Hunderte User auf Facebook und Tausende auf Telegram haben seit dem 30. August eine Behauptung verbreitet, wonach das Robert-Koch-Institut via "betrügerischer Statistik" eine "Impfapartheid" vorbereite. Das RKI behandle Geimpfte und Ungeimpfte in ihrer Statistik anders. Geimpfte müssten Symptome aufweisen, um als Corona-Fälle zu gelten, Ungeimpfte nicht. Das RKI listet allerdings durchaus alle laborbestätigten Corona-Infektionen in seiner Statistik auf.

Hunderte User haben die Statistik-Behauptung auf Facebook geteilt (hier, hier, hier). Zehntausende sahen sie auf Telegram (etwa hier). Geteilt wird unter anderem ein Blog-Artikel des AfD-Bundestagsabgeordneten Peter Boehringer vom 30. August, der den angeblichen statistischen Betrug des RKI beschreibt.

Die Falschbehauptung: Das RKI zähle Geimpfte nur dann als Covid-Fälle, wenn diese auch eine Corona-typische "klinische Symptomatik" aufwiesen. Bei Ungeimpften sei das anders. Die Posting-Autoren behaupten: Ungeimpfte auf der anderen Seite würden bei positivem Test sofort als Corona-Fälle gezählt, unabhängig von den Symptomen. Mit diesem Trick würde das RKI die Statistik fälschen. Das wiederum führe dazu, dass vor allem von Ungeimpften auf Intensivstationen die Rede sei.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 10.09.2021

Erfassung der RKI-Zahlen

Seine Zahlen erhält das RKI von den lokalen Gesundheitsämtern. Diese geben die Daten ein und sichern deren Qualität. Das RKI bereinigt diese Daten nicht.

"Die Daten werden gemäß Infektionsschutzgesetz spätestens am nächsten Arbeitstag vom Gesundheitsamt elektronisch an die zuständige Landesbehörde und von dort an das RKI übermittelt", schreibt das RKI auf seiner Website. Die Infektionszahlen veröffentlicht das RKI auch täglich in seinen Situationsberichten und seinem Dashboard.

Unterschiede in der Erfassung? Falsch

Zur Berechnung seiner Statistiken zieht das RKI entgegen der oben aufgestellten Behauptung nur labordiagnostisch bestätigte Covid-19-Infektionen heran.

Dazu schrieb das Institut am 13. September:

"In Einklang mit den internationalen Standards der WHO wertet das RKI alle labordiagnostischen Nachweise von SARS-CoV-2 unabhängig vom Vorhandensein oder der Ausprägung der klinischen Symptomatik als COVID-19-Fälle. In den folgenden Darstellungen sind unter "COVID-19-Fälle" somit sowohl akute SARS-CoV-2-Infektionen als auch COVID-19-Erkrankungen zusammengefasst."

Eine unterschiedliche Handhabe zwischen geimpften und ungeimpften Fällen nennt das RKI hier nicht.

Verwechslung Impfdurchbrüche und Fallzahlen

Durchaus richtig ist, dass das RKI asymptomatische Verläufe von geimpften Corona-Patienten nicht als sogenannte "Impfdurchbrüche" zählt. Einen Impfdurchbruch definiert das Institut als:

"SARS-CoV-2-Infektion (mit klinischer Symptomatik), die bei einer vollständig geimpften Person mittels PCR oder Erregerisolierung diagnostiziert wurde. Ein vollständiger Impfschutz wird angenommen, wenn nach einer abgeschlossenen Impfserie (2 Dosen Moderna-, BioNTech- oder AstraZeneca-Vakzine bzw. 1 Dosis Janssen-Vakzine) mindestens zwei Wochen vergangen sind."

Dennoch zählt das RKI durchaus auch diese asymptomatischen Fälle in seinen Statistiken mit ein, sobald es einen laborbestätigten Nachweis einer Infektion gibt. AFP hat am 13. September beim Institut nachgefragt. Eine Sprecherin schrieb in einer E-Mail: "In der Tabelle im Wochenbericht werden symptomatische und asymptomatische Fälle in Summe berichtet." Dazu verwies sie noch einmal auf die zugehörige Informationsseite des RKI, auf der die Zählung der Impfdurchbrüche separat aufgeführt ist.

Warum zählt und definiert das RKI Impfdurchbrüche?

Das RKI schreibt in seinem Wochenbericht vom 9. September zu diesem Thema:

"Der bei weitem größte Teil der seit der 5. KW übermittelten COVID-19-Fälle war nicht geimpft. Durch einen Vergleich des Anteils vollständig Geimpfter unter COVID-19-Fällen mit dem Anteil vollständig Geimpfter in der Bevölkerung ist es möglich, die Wirksamkeit der Impfung grob abzuschätzen."

Das aktuelle Ergebnis sehe wie folgt aus:

"Zusammengefasst bestätigen die Anzahl der wahrscheinlichen Impfdurchbrüche sowie die nach der Screening-Methode geschätzte Wirksamkeit der eingesetzten Impfstoffe die hohe Wirksamkeit aus den klinischen Studien. Dass im Laufe der Zeit mehr Impfdurchbrüche verzeichnet werden, ist erwartbar, da generell immer mehr Menschen geimpft sind und sich SARS-CoV-2 derzeit wieder vermehrt ausbreitet. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, als vollständig geimpfte Person mit dem Virus in Kontakt zu kommen."

Fazit: Es stimmt, dass das RKI nur bei symptomatischen Fällen von einem Impfdurchbruch spricht. Es stimmt allerdings nicht, dass Covid-Fälle insgesamt unterschiedlich gezählt werden. Das RKI zählt labordiagnostisch bestätigte Corona-Infektionen unabhängig von den Symptomen.

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