Nein, Bayerns Regierung behindert den Zugang zum Volksbegehren nicht mittels Corona-Maßnahmen

Tausende User auf Facebook und Zehntausende auf Telegram haben seit Mitte August eine Behauptung geteilt, wonach der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Zugang zu einem anstehenden Volksbegehren behindern wolle. Kostenpflichtige Corona-Tests würden demnach ausgerechnet kurz vor dem Volksbegehren eingesetzt, heißt es in den Postings. Impfkritikerinnen und -kritiker würde so der Zugang zur Abstimmung erschwert. Eine Testpflicht für solche Ereignisse ist in den neuen Corona-Regeln aber nicht vorgesehen. Bayerns Regierung, die Stadt München und die Initiatoren des Volksbegehrens selbst dementierten gegenüber AFP: Zur Stimmabgabe beim Volksbegehren sind keine Corona-Tests nötig.

Es handele sich um einen fiesen Trick Markus Söders. Tausende Facebook-User wollen ihn seit Mitte August durchschaut haben (hier, hier, hier). Auf Telegram waren es mehr als 150.000 (hier, hier).

Die Behauptung: Dieser Trick bestehe darin, dass die Bundesländer ab dem 11. Oktober härtere Corona-Maßnahmen einführen würden. Genau zu dieser Zeit aber beginne in Bayern auch ein Volksbegehren zur Abberufung des Bayerischen Landtags. Ministerpräsident Söder habe in der Bund-Länder-Konferenz über die neuen Corona-Maßnahmen ab Oktober mitentschieden. In den Postings heißt es in diesem Zusammenhang: "Wieder einmal will der rechthaberische Machtpolitiker das Volk um seine verfassungsmäßigen Rechte betrügen. Damit, dass die Menschen 20 bis 30 Euro Eintritt bezahlen müssen, um in den Rathäusern für das Volksbegehren zu unterschreiben, will Söder verhindern, dass 1 Million Unterschriften in 2 Wochen zusammen kommen!"

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Screenshot der Falschbehauptung: 25.08.2021

Worum geht es im Volksbegehren?

Das "Bündnis Landtag abberufen" will, dass die Bayerinnen und Bayern für die Auflösung des dortigen Landtags unterschreiben. Hinter dem Bündnis stehen zum Teil Anhängerinnen und Anhänger der Querdenken-Bewegung, die ein "Durchregieren" mittels Corona-Verordnungen kritisieren. Die Antragstellenden des Volksbegehrens werfen dem Bayerischen Landtag deshalb vor "überflüssig" zu sein.

Laut Artikel 18 der Bayerischen Verfassung kann der dortige Landtag auf Antrag einer Million Stimmberechtigter abberufen werden. Genau diese eine Million Unterschriften erhofft das Bündnis zwischen 14. und 27. Oktober in den bayerischen Gemeinden einzusammeln. (Einige Postings sprechen fälschlicherweise vom 11. Oktober.) Eintragen müssen die Bürgerinnen und Bürger die Stimmen vor Ort, eine Briefwahl gibt es bei Volksbegehren in Bayern nicht, schreibt das Bayerische Innenministerium.

Die Zulassungsbekanntmachung des Volksbegehrens durch das Bayerische Innenministerium fasst zusammen: "Die unterzeichneten Stimmberechtigten begehren gemäß Art. 83 des Landeswahlgesetzes die Abberufung des Bayerischen Landtags."

Nein, es gibt keine Impf- oder Testpflicht beim Volksbegehren

Die Frage nach den Zutrittsregeln werfen nicht nur die aktuell geteilten Postings auf, auch das Bündnis selbst greift sie auf seiner Website auf. Die Initiatoren betonen in einer Antwort: "Die Gemeinden werden täglich innerhalb der 14 Tage Zeichnungsfrist die Unterschriftenabgabe ermöglichen." So steht es auch im Art. 68 (2) Landeswahlgesetz.

Bündnis-Sprecher Jan-Christoph Münch schrieb außerdem am 24. August auf AFP-Anfrage: "Die Befürchtungen in den sozialen Netzwerken sind für uns nachvollziehbar, jedoch haben wir momentan keinen Grund davon auszugehen, dass einzelne Gemeinden über ihr Hygienekonzept versuchen werden, stimmberechtigten Bürgern den Zugang zu den Listen ohne Test oder Impfung zu verwehren."

Das Bayerische Innenministerium teilte am 24. August auf AFP-Nachfrage mit:

Lediglich würden Infektionsschutzmaßnahmen wie Abstand, Hygiene und Lüften für die Orte der Abstimmung gelten. "Zudem besteht auf den Begegnungs- und Verkehrsflächen einschließlich der Fahrstühle von öffentlichen Gebäuden sowie von sonstigen öffentlich zugänglichen Gebäuden Maskenpflicht", schrieb eine Sprecherin des Ministeriums.

Die Regeln ab Herbst

Es stimmt, dass Corona-Tests ab dem 11. Oktober für Bürgerinnen und Bürger in Deutschland kostenpflichtig werden. Die Bundesländer werden in diesem Zusammenhang entsprechende Verordnungen erlassen. Gleichzeitig gilt bei einer Inzidenz von 35 für alle Personen, die weder vollständig geimpft noch genesen sind, eine Testpflicht für bestimmte Innenräume ("3G-Regel"). Diese gilt spätestens ab dem 23. August (mehr dazu hier).

Diese Regel gilt allerdings nicht für alle Orte. Die Bundesregierung nennt auf ihrer Website die 3G-Pflicht konkret für den Besuch "in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen der Behindertenhilfe, in der Innengastronomie, bei Veranstaltungen und Festen in Innenräumen, bei Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen, bei Sport im Innenbereich, bei Beherbergung." Auch die Sprecherin des Bayerischen Innenministeriums bestätigte auf AFP-Nachfrage in einem Telefonat: Die Stimmorte der Volksbegehren, etwa Rathäuser, fallen nicht unter diese Liste.

AFP hat außerdem stichprobenhalber bei der Stadt München nachgefragt. Eine Sprecherin des Gesundheitsreferats verwies auf die 13. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in Verbindung mit der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und bestätigte, dass es zur Unterzeichnung des Volksbegehrens kein negatives Testergebnis brauche.

Fazit: Tatsächlich gelten im Oktober neue Corona-Regeln in Deutschland. Diese bedeuten aber für Ungeimpfte aber keine finanziellen Hürden, um am angesprochenen Volksbegehren in Bayern teilzunehmen. Bürgerinnen und Bürger müssen zwar Maske tragen. Ungeimpfte müssen aber keinen negativen und kostenpflichtigen Corona-Test vorweisen. Das bestätigten das Bayerische Innenministerium sowie die Volksbegehren-Initiatoren gegenüber AFP. Auch den fiesen Trick Markus Söders kann es daher nicht gegeben haben.

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