Österreich bleibt EU-Mitglied: KI-Videos sorgen online für Verwirrung

Österreich ist seit 30 Jahren Mitglied der Europäischen Union (EU) – rechtspopulistische Parteien wie die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) kritisierten die EU jedoch häufig. Im Dezember 2025 hieß es online fälschlich, Österreich hätte angekündigt, aus der EU austreten zu wollen. Dies soll FPÖ-Parteichef Herbert Kickl bestätigt haben. Doch eine solche öffentliche Ankündigung fand nicht statt, wie ein FPÖ-Pressesprecher bestätigte. Die österreichische Regierung kündigte zudem keinen Austritt aus der EU an.

"Österreich schockt die EU", heißt es in einem Video, das seit Mitte Dezember 2025 in sozialen Medien kursiert und auf Facebook vielfach geteilt wurde. "Kickl bestätigt Austritt", lautet die angeblich schockierende Meldung, die mit 13. Dezember 2025 datiert ist. Österreich stehe "kurz davor, den eisernen Griff Brüssels endgültig abzustreifen". Knapp vier Minuten dauert der Clip, wonach der vermeintliche Austritt angeblich "dank" US-Präsident Donald Trump ins Rollen gebracht worden sein soll. "Die EU-Führung steht kurz vor dem totalen Nervenzusammenbruch", sagt eine männliche Stimme weiter. Zudem erwähnt der Beitrag eine Umfrage, wonach die österreichische Bevölkerung die Regierung nicht unterstützen würde.

Image
Facebook-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 19. Dezember 2025

Das Video wurde – anders als in einigen Facebook-Posts suggeriert – bereits am 12. Dezember 2025 zunächst auf Youtube hochgeladen und auch in einer Fangruppe für FPÖ-Parteichef Herbert Kickl geteilt. In den Tagen darauf wurden gleichartige Videos veröffentlicht. Darin machte diese Behauptung in ähnlichen Worten die Runde. Screenshots dieser Videos kursieren auf Facebook.

Der Youtube-Kanal Politik Fokus 24, der ein ähnliches Video veröffentlichte, wonach Kickl angeblich den Austritt Österreichs aus der EU angekündigt hätte, publiziert seit kurz vor der deutschen Bundestagswahl 2025 täglich mehrere Videos mit KI-generierten Audiotracks und angeblichen sensationellen Enthüllungen. AFP überprüfte bereits eine andere Behauptung des Kanals.

Die Behauptung ist jedoch falsch.

Audiospur wurde mit KI erstellt

Der mehrmals geteilte Ausschnitt stammt von einem Video eines kostenpflichtigen Youtube-Kanals, der in Posts verlinkt wird. Der Kanal @MGoldmannYT gibt an, einem "freien Reporter des hebräischen Verbands für europäische Meinungsfreiheit" zu gehören, der sich "der Aufklärung gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen in Europa" widme. Die Inhalte würden etwa auch der "satirischen Darstellung gesellschaftlicher und politischer Ereignisse" dienen. Um alle Videos ansehen zu können, verlangt der Kanal 199,99 Euro im Monat.

Mithilfe des KI-Erkennungstools Hiya des Verifizierungstools InVID WeVerify, an dessen Entwicklung AFP beteiligt ist, überprüfte AFP die Tonspur des Ausschnitts, der auf Facebook kursierte. Das Ergebnis zeigt, dass die Audiospur mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent mit Künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurde.

Eine Analyse mit Deepfake Total, einem weiteren Tool zur Erkennung von KI-generierten Tonspuren des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit, ergab eine Wahrscheinlichkeit von 99,9 Prozent, dass die Audiospur KI-generiert ist.

Image
Eine Analyse der Audiospur ergab eine über 99-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie mithilfe von KI erstellt wurde: 19. Dezember 2025

Zudem wird in den überprüften Videos Bundesdeutsch verwendet und aus deutscher Perspektive berichtet. Bei einem österreichischen innenpolitischen Thema wären österreichische Medienberichte zu erwarten. Eine Stichwortsuche ergab jedoch keine entsprechenden seriösen Nachrichten – weder aus Österreich noch aus Deutschland.

Der eingeblendete Tiktok-Handle "@dasletztegesprach" führte zudem zu einem leeren Account.

Umfrageergebnisse im Video sind unschlüssig

Bundespräsident Alexander Van der Bellen gelobte die österreichische Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos am 3. März 2025 an. Zum Jahresende zeichnet eine Umfrage der österreichischen Nachrichtenagentur APA eine schwache Zustimmung der Bevölkerung zu den Parteien der Dreierkoalition. Demnach würden im Dezember 2025 18,9 Prozent die ÖVP wählen, 18 Prozent die SPÖ und 9,6 Prozent die Neos. Die FPÖ steht seit mehreren Jahren an der Spitze der Umfragen – laut der genannten etwa mit 37,4 Prozent – scheiterte allerdings damit, eine Regierung zu bilden.

Im Video mit der Falschbehauptung ist jedoch von einer Umfrage die Rede, wonach 82 Prozent der Bevölkerung gegen die österreichische Regierung sein sollen, während 24 Prozent sie unterstützen – zusammen ergibt das jedoch 106 Prozent. Eine Quelle der Umfrage wird nicht angegeben. Die Ergebnisse scheinen wenig plausibel.

FPÖ dementierte eine solche Aussage

In den von AFP überprüften Videos wird nicht erwähnt, wann und wo Österreich beschlossen haben soll, die EU zu verlassen. Eine Stichwortsuche ergab keine entsprechenden Zitate von Kickl im Zeitraum Dezember 2025. Auch auf seinem Facebook-Profil fand AFP keine Aussagen, wonach er einen EU-Austritt bestätigt hätte.

Auf AFP-Anfrage, ob der FPÖ-Parteiobmann eine solche Äußerung getätigt habe, teilte ein FPÖ-Pressesprecher am 19. Dezember 2025 schriftlich mit: "Nein, hat er nicht. Die FPÖ will aus der EU nicht austreten, sondern sie grundlegend reformieren."

Die FPÖ hat sich zuletzt auch öffentlich für einen Verbleib in der EU ausgesprochen. Die außenpolitische Sprecherin der FPÖ, Susanne Fürst, sagte in der ORF-Polit-Talkshow "Das Gespräch", die am 14. Dezember 2025 ausgestrahlt wurde, dass ein Austritt aus dem Staatenbund "keine Lösung" sei (circa ab Minute 21:00), weil die EU auch dann weiterhin "existiert" und "Europa weiter als wirtschaftlichen Standort kaputt machen würde". Zudem sei Österreich Teil der Eurozone. Ihre Partei wolle die EU vielmehr ändern. "Das Statement von Susanne Fürst entspricht der aktuellen Linie", bestätigte der Sprecher.

Österreich trat der EU im Jahr 1995 auf Grundlage einer Volksabstimmung bei. Staaten können die EU freiwillig verlassen, was erstmals mit dem Brexit geschah. In Österreich war der Beitritt zur EU mit einer Gesamtänderung der Bundesverfassung verbunden. Das österreichische Bundesverfassungsgesetz (Artikel 44) besagt, dass über jede Gesamtänderung der Bundesverfassung eine Volksabstimmung abgehalten werden muss. Eine solche Veranlassung fand nicht statt. Als Oppositionspolitiker steht Kickl zudem nicht zu, einen solchen Austritt zu veranlassen.

Österreich bekam Aufmerksamkeit von den USA und Russland

Österreich rückte zuletzt ins Visier internationaler Großmächte und damit auch in den Fokus falscher Behauptungen. Laut einer geleakten Langfassung der US-Sicherheitsstrategie vom November 2025, über die mehrere Medien berichteten, soll die US-amerikanische Regierung unter Trump das Land neben drei anderen Staaten von der EU loslösen wollen. Darauf nimmt auch das Video mit der Falschbehauptung Bezug. Für Aufruhr im Land sorgte außerdem eine Drohung des russischen Propagandisten Wladimir Solowjow, wonach Russland "wieder einmal Wien befreien müsse", wie mehrere Medien am 18. Dezember 2025 berichteten.

Auch andere EU-Staaten wie Ungarn waren Gegenstand ähnlicher Falschmeldungen, die AFP überprüfte. Zur EU kursieren häufig Falschbehauptungen, die AFP regelmäßig richtigstellt.

Fazit: Online hieß es Ende 2025 fälschlich, Österreich hätte angekündigt, aus der EU austreten zu wollen. Dies soll FPÖ-Parteichef Herbert Kickl bestätigt haben. Doch eine solche Ankündigung fand nicht statt, wie auch ein FPÖ-Pressesprecher bestätigte.

Haben Sie eine Behauptung gefunden, die AFP überprüfen soll?

Kontaktieren Sie uns