Jo Ellis hält eine ihrer Schusswaffen in ihrer Wohnung in Richmond im US-Bundesstaat Virginia am 12. Februar 2025 (AFP / Agnes BUN)

"Zum Feindbild gemacht": Transgeschlechtliche US-Pilotin wird Opfer von Falschinformation

Online wurden falsche Behauptungen über die angebliche Beteiligung der US-amerikanischen transgeschlechtlichen Pilotin Jo Ellis an einem Flugzeugabsturz verbreitet. Diese lösten eine Flut von Drohungen gegen sie aus. Seitdem verlässt sie ihre Wohnung nicht mehr ohne Schusswaffe.

Transgender-Personen der US-Streitkräfte sollen vom US-Militär ausgeschlossen werden, sofern sie keine Ausnahmegenehmigung erhalten. Dies geht aus einem Schreiben des Pentagons hervor, das am 26. Februar 2025 bei Gericht eingereicht wurde und transgeschlechtlichen Personen im Wesentlichen verbietet, dem US-Militär beizutreten oder zu dienen. Seitdem ist für Jo Ellis – Black-Hawk-Pilotin der Virginia Army National Guard – ungewiss, wie es weitergeht. US-Präsident Donald Trump hat eine Reihe von Durchführungsverordnungen unterzeichnet, die sich gegen die Trans-Community richten. Darunter der Ausschluss von Trans-Athletinnen vom Frauensport und die Anweisung an öffentliche Einrichtungen, nur zwei Geschlechter anzuerkennen – nämlich männlich und weiblich.

Zehntausende von Beiträgen in sozialen Medien identifizierten die 35-jährige Jo Ellis fälschlicherweise als eine der Pilotinnen des Armeehelikopters, der Ende Januar 2025 in Washington mit einem Passagierflugzeug kollidierte. Dabei kamen alle Menschen an Bord beider Flugzeuge ums Leben.

Ohne jegliche Beweise vorzulegen, deutete Trump an, dass die Einstellungspolitik der US-Luftfahrtbehörde in Bezug auf Diversität mitverantwortlich für den Absturz sein könnten. Dies machte transgeschlechtliche Angehörige der US-Luftwaffe wie Jo Ellis zu einem leichten Angriffsziel für Online-Gerüchte. Bekannte machten sie auf einen Facebook-Account aufmerksam, auf dem herumgefragt wurde, ob jemand Ellis kenne und auf dem sie als diejenige bezeichnet wurde, die "die Menschen bei dem Absturz getötet hat". In anderen Beiträgen wurde die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dem Flugzeugabsturz um einen "Trans-Terroranschlag" gehandelt habe.

Ellis wurden auch Screenshots von zwei Nachrichtenseiten, darunter eine pakistanische, geschickt, die andeuteten, dass sie den abgestürzten Helikopter gesteuert habe. Als die Gerüchte ihren Höhepunkt erreichten und Ellis’ Name auf Elon Musks Plattform X in den Trends auftauchte, rief sie ein britischer Zeitungsreporter an und fragte, ob sie noch am Leben sei. "Als ich bemerkte, wie groß das Problem war, und einige der Kommentare sah, war mein erster Gedanke: 'Ist meine Familie in Sicherheit?'", so Ellis gegenüber AFP in ihrer Wohnung in Richmond im US-Bundesstaat Virginia.

"Wir werden gerade zur Zielscheibe gemacht" 

"Ich habe bewaffnete Sicherheitskräfte für mein Haus organisiert und meine Koffer gepackt", sagte Ellis und zeigte ihre persönlichen Schusswaffen – darunter eine Pistole in der Größe ihrer Hand, die sie in ihrer Handtasche trägt.

Aus Sorge, dass jemand ihr Haus mithilfe öffentlicher Daten ausfindig machen könnte, zog sie mit ihrer Familie vorübergehend an einen neuen Ort. Ellis veröffentlichte ein Video auf Facebook als "Beweis, dass sie am Leben sei". Das konnte jedoch nur einige der Gerüchte verstummen lassen.

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Facebook-Screenshot des Videos: 31. Januar 2025

Die Drohungen gegen Ellis, die seit 2009 in der US-Nationalgarde dient und im Irak und in Kuwait stationiert war, zeigen, welche realen Auswirkungen Desinformation auf Transgender-Personen hat – in einer Zeit, in der die politische Rhetorik gegen sie stark zugenommen hat. "Ich glaube, wir werden gerade zur Zielscheibe gemacht", sagte Ellis. "Wir werden als eine Art Buhmann verunglimpft."

In Online-Beiträgen wurde angedeutet, dass Ellis’ Hass auf Trump sie dazu motiviert habe, sich selbst und dutzend Andere zu töten – eine Anschuldigung, die sie seltsam fand, da sie selbst "eher rot als blau" gewählt hatte. In den USA steht die Farbe blau für die demokratische und rot für die republikanische Partei. "Ich komme tatsächlich aus einer Familie, die für Trump gestimmt hat, daher ist es sehr seltsam, das zu behaupten."

"Äußerst beunruhigend" 

Hinzu kamen noch durch das Schreiben des Pentagons ausgelöste Sorgen und Unsicherheiten bezüglich ihrer Arbeit. Ellis sagte, ihre Vorgesetzten – die sich nach der Desinformationskampagne gegen sie gemeldet hatten, um ihre Unterstützung anzubieten – hätten ihr mitgeteilt, dass das Schreiben noch nicht bis zu ihnen durchgedrungen sei, und sie ermutigt, vorerst weiterzumachen.

"Es ist zwar äußerst beunruhigend, aber ich werde weiterhin die Mission an erste Stelle setzen und meinen Job machen", sagte Ellis über das Schreiben des Pentagon. "Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Kriterien für eine Ausnahmegenehmigung erfülle, aber ich werde versuchen, alle Optionen auszuschöpfen, die es mir ermöglichen, weiterhin meinem Land zu dienen."

In einem persönlichen Beitrag für die Website Smerconish, der kurz vor dem Flugzeugabsturz veröffentlicht wurde, schrieb Ellis, dass sie bereits im Alter von fünf Jahren Symptome einer Geschlechtsdysphorie bemerkte – sie sich also ihrem Geschlecht bei Geburt nicht zugehörig fühlte, aber lernte, diese vor ihrer Familie zu verbergen. Sie wuchs in einem religiösen und konservativen Elternhaus auf, in dem es Tradition war, zum Militär zu gehen. So versuchte sie immer, "männlicher" zu sein, in der Hoffnung, dass sie dies "heilen" würde.

Ellis erhielt "überwältigende Unterstützung", als sie ihr Kommando im Jahr 2023 darüber informierte, dass sie mit einer Geschlechtsumwandlung beginnen würde. Im folgenden Jahr outete sich Ellis gegenüber ihrer gesamten Einheit. "Hätte ich mich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geoutet, dann würde ich wirklich darüber nachdenken, dies gar nicht zu tun oder überhaupt das Militär zu verlassen“, sagte sie. "Durch die neuen Richtlinien wirkt das Militär nämlich einfach nicht mehr wie eine Umgebung, in der man unserem Land gut dienen kann", schloss Jo Ellis.

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