Dieser Ausweis stammt nicht vom Mannheim-Attentäter

Unmittelbar nach dem Anschlag in Mannheim waren falsche Informationen und rassistische Hetze im Umlauf. Darunter die Behauptung, bei dem Täter handle es sich um einen nicht-deutschstämmigen Mann aus Heidelberg mit dunklem Hauttyp. Sowohl Landeskriminalamt als auch Staatsanwaltschaft bestätigten auf AFP-Anfrage, dass eine Person mit dem online kursierenden Namen nicht in Verbindung mit dem Anschlag steht. Die Polizei hat einen 40-jährigen Deutschen namens Alexander S. festgenommen.

Am Vortag waren in Mannheim noch die Narren los. Am 3. März 2025 fuhr dort ein Mann mit hoher Geschwindigkeit in eine Menschenmenge, vorbei an den Ständen des Fasnachtsmarkts. Kurz nach dem tragischen Vorfall, bei dem zwei Menschen starben und 14 weitere verletzt wurden, waren falsche Informationen im Umlauf. Obwohl die Polizei mitteilte, dass es sich bei dem Tatverdächtigen um einen 40-jährigen Deutschen handelte, kursierte einige Stunden später das Foto eines Ausweises mit einem Namen, der etwa im Libanon gebräuchlich ist.

"Das soll der Ausweis des 'deutschen Täters' von Mannheim sein", hieß es in einem Telegram-Beitrag am 3. März 2025 nach 18 Uhr, der auch vom staatlich unterstützten russischen Medium "Pravda" übernommen wurde. Manche Userinnen und User ließen auf Tiktok den falschen Eindruck entstehen, dass die deutsche Nachrichtenplattform "Focus Online" den Personalausweis und den Führerschein eines Mannes mit den Initialen H. A. A. veröffentlicht habe, indem sie einen Screenshot des angeblichen Berichts teilten.

Image
Screenshots von "Pravda" und von X: 5. März 2025

Viele der Posts wurden inzwischen gelöscht. Auch der österreichische ehemalige FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache, der 2019 nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos als Vizekanzler zurücktreten musste, entschuldigte sich dafür, dass er "leider einer Fake-Meldung bezüglich Hintergrund des Attentäters von Mannheim aufgesessen" sei.

Was zum Täter bekannt ist

Der Tatverdächtige heißt Alexander S. Das war bereits einige Stunden nach der Tat laut Medien bekannt.

Weil der mutmaßliche Täter nach dem Vorfall im Krankenhaus behandelt wurde, konnte er nicht unmittelbar vernommen werden. Erst am nächsten Tag wurde ein Haftbefehl gegen ihn ausgesprochen. Der Hintergrund der Tat war weiterhin noch unklar. In einer gemeinsamen Pressekonferenz von Staatsanwaltschaft, Landeskriminalamt, Polizei und Landesregierung am 3. März 2025, wurde der 40-Jährige als ledig und psychisch erkrankt beschrieben. Kinder, Partnerinnen oder Partner waren den Ermittlerinnen und Ermittlern ebenfalls nicht bekannt.

Der gebürtige Baden-Württemberger war gelernter Landschaftsgärtner, mehrfach vorbestraft, und hatte laut Recherchen der antifaschistischen Rechercheplattform "Exif" Verbindungen zum rechtsextremen Milieu. Die Ermittlungsbehörden kommunizierten am 5. März 2025, dass ihnen "Hinweise auf mögliche Kontakte" ins rechtsextreme Milieu bekannt seien. Sie stünden "ebenfalls im Fokus der Ermittlungen", doch bisher seien "keinerlei Anhaltspunkte für eine extremistische Gesinnung" gefunden worden.

Polizei und StA dementierten Behauptung

Einige Userinnen und User spekulierten darüber, ob es sich bei S. bloß um den Fahrzeughalter handelte und bei der Person mit den Initialen H. A. A., die in dem geteilten Ausweis zu sehen ist, um den echten Täter. Auch dieser Frage ging AFP nach. Wie Recherchen ergaben, ist diese Annahme auszuschließen: "Bei der von Ihnen genannten Person (...) handelt es sich nicht um den Tatverdächtigen", schrieb eine Sprecherin des Landeskriminalamts Baden-Württemberg (LKA BW) am 4. März 2025. 

Das bestätigte auch die Staatsanwaltschaft Mannheim, die zusätzlich anmerkte, dass keine weitere Person im Zusammenhang mit dem Anschlag verdächtigt werde: "Namen von mutmaßlichen Mittätern, die insbesondere in den Sozialen Medien verbreitet wurden, sind entweder frei erfunden oder haben offensichtlich keinen Bezug zu dem Tatverdächtigen und der Tat", sagte eine Sprecherin am 4. März 2025.

Die Behauptungen auf Social Media, unter anderem von der AfD Hannover verbreitet, stützten sich hingegen auch auf eine angebliche interne Mitteilung der Polizei, in der stünde, dass der Täter einen "dunklen Hauttyp" habe. Darauf wollte das Landeskriminalamt auf AFP-Nachfrage "aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes" nicht eingehen.

Die im Internet kursierende Beschreibung steht jedoch im Widerspruch zu den Informationen über den Tatverdächtigen, die als gesichert gelten. Dazu gehört etwa die Feststellung, dass dieser deutscher Staatsbürger war – ohne Migrationshintergrund, wie Medien wie "Zeit Online" informierten. Außerdem stimmte das Geburtsjahr auf dem geteilten Ausweis nicht überein mit dem tatsächlichen Alter des Verdächtigen: Personen, die im Jahr 1991 geboren wurden, feiern dieses Jahr ihren 34. Geburtstag.

Der Name, der online fälschlich kursierte, kommt häufig in Syrien und dem Libanon vor, wie AFP mittels "Namsor" herausfand, einem Online-Tool zur Namensforschung, das die Herkunft aus Vor- und Nachnamen ableitet. 

Ob die Person auf dem vielfach geteilten Ausweis echt ist, konnten die Behörden "bislang nicht verifizieren". Wie das Innenministerium auf AFP-Anfrage vom 4. März 2025 sagte, könnten Personalausweise nicht "allein auf Basis einer digitalen Abbildung" auf ihre Echtheit geprüft werden.

Gefälschter "Focus Online"-Artikel wurde verbreitet

Unter anderem der Kreisverband Hannover der AfD teilte am Tag des Anschlags eine Abbildung, die an einen Artikel des Nachrichtenportals "Focus Online" erinnerte. Darin waren zwei Ausweisdokumente zu sehen und die Überschrift der Meldung "Auto rast in Menschenmenge - Täter ist Deutscher und liegt verletzt im Krankenhaus". Ein roter Pfeil zeigt auf eine Vergrößerung der Personalien von dem Personalausweis, die auf dem folgenden Screenshot orange markiert wurde.

Image
Screenshot eines angeblichen "Focus Online"-Artikels: 6. März 2025, Hervorhebungen durch AFP

Vermutlich wurde diese Collage jedoch selbst gebastelt. Der rot markierte Bereich zeigt eine unübliche Darstellung eines Titelbilds von "Focus Online", das sich normalerweise nicht bis zum Rand des Bildschirms erstreckt. Oben rechts findet sich der Schriftzug "Heimatgefühl". Das Logo wird von einem Internetuser mit demselben Namen genutzt, der am Abend des Anschlags noch zugab, mit den geteilten Personalien "auf einen Fake" reingefallen zu sein und den urspünglichen Post wieder gelöscht zu haben.

Die Redaktion von "Focus Online" schrieb AFP am 5. März 2025, es handle sich bei dem angeblichen Artikel um einen Fake, "der aktuell leider in den sozialen Medien kursiert". Das Bild sei "nicht von uns veröffentlicht" worden.

Falschmeldungen nach Anschlägen binden Ressourcen

Die Menge an Falschinformationen, die nach dem Anschlag in der Mannheimer Innenstadt verbreitet wurden, "bindet erheblich Ressoucen", sagte der Präsident des LKA BW Andreas Stenger in der bereits erwähnten Pressekonferenz am Abend des Anschlags.

Stenger rief dazu auf, keine Gerüchte zu streuen und warnte vor Konsequenzen bei "Hate Speech oder Billigung von Straftaten". Diese Warnung äußerte die Polizei Mannheim erneut in einem X-Beitrag am 5. März 2025: "Die Verbreitung falscher Infos & personenbezogener Daten werden geprüft und konsequent strafrechtlich verfolgt."

Die Polizei Mannheim veröffentlichte mehrere Beiträge auf X, in denen sie Falschinformation rund um den angeblichen Ausweis des Attentäters richtigstellte.

AFP überprüfte bereits in der Vergangenheit Falschmeldungen im Zusammenhang mit den Anschlägen in München und Magdeburg.

Fazit: Online kursieren Ausweisdokumente mit einem etwa im Libanon gebräuchlichen Namen, die angeblich dem Tatverdächtigen von Mannheim gehören sollen. Wie Polizei, Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft bestätigten, handelte es sich dabei um eine Falschmeldung. Der Tatverdächtige war Deutscher mit mutmaßlichen Verbindungen zum rechtsextremen Milieu.

Haben Sie eine Behauptung gefunden, die AFP überprüfen soll?

Kontaktieren Sie uns