Liste angeblicher Pfizer-Impfnebenwirkungen ist unseriös

Der Covid-19-Impfstoff von Pfizer wurde von Gesundheitsbehörden als sicher und wirksam eingestuft. Im Februar 2025 teilten tausende Nutzerinnen und Nutzer in sozialen Medien eine Liste angeblicher Impfnebenwirkungen mit der Behauptung, der Pharmakonzern Pfizer habe diese kürzlich veröffentlicht. Doch die aufgelisteten Nebenwirkungen unterscheiden sich deutlich von wissenschaftlich überprüften Nebenwirkungen. Die europäische Arzneimittelbehörde erklärte zudem, dass die Sicherheit aller Covid-Impfstoffe kontinuierlich auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse überprüft wird. 

"Schnallt Euch an liebe Gespritzten. Ihr habt da tickende Zeitbomben in der Leitung", schrieb eine Facebook-Nutzerin am 9. Februar 2025. Dazu teilte sie eine Liste mit 46 angeblichen Nebenwirkungen, die der Covid-19-Impfstoffhersteller Pfizer veröffentlicht haben soll. Die Liste verzeichnet zahlreiche lebensbedrohliche Krankheiten, beispielsweise "akutes Nierenversagen", "Blutthrombose", "Tod des Neugeborenen" und "Herzstillstand (Hunderte von Fällen)".

Der Beitrag wurde vielfach auf Facebook geteilt, zudem auf Telegram und X. Dieselbe Liste kursierte auch in anderen Sprachen, etwa Englisch, Französisch und Kroatisch

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 5. März 2025

Wie AFP überprüft hat, gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Pfizer eine solche Liste von Nebenwirkungen veröffentlicht hat. Fachleute der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) bestätigten zudem, dass sich eine wissenschaftlich überprüfte und öffentlich zugängliche Liste von tatsächlichen Impfstoffnebenwirkungen deutlich von der online kursierenden Liste unterscheidet. 

Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung 

Eine erweiterte Websuche mit den Stichworten "Pfizer veröffentlicht Impfstoffnebenwirkungen" ergab keine Publikation des Pharmakonzerns Pfizer, die zu der online kursierenden Liste passen würde.

Auf der Website von Pfizer stammt die zuletzt veröffentlichte Pressemitteilung, die den Covid-19-Impfstoff von Pfizer namens Comirnaty erwähnt, vom August 2024. Diese Pressemitteilung handelt davon, dass die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde Food and Drugs Administration (FDA) die Nutzung eines an eine neue Covid-Variante angepassten Impfstoffes zugelassen hat. Dieses Dokument wird in einigen der französischsprachigen Posts mit der Falschbehauptung als angebliche Quelle für die online kursierende Liste an Nebenwirkungen genannt.

Auf der Website der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) ist eine offizielle Liste bekannter Nebenwirkungen der Covid-Impfungen zu finden. Diese Liste unterscheidet sich jedoch erheblich von der online kursierenden Liste. Lediglich drei Nebenwirkungen überschneiden sich auf beiden Listen: Gesichtslähmung – von der EMA als "seltene" Nebenwirkung aufgeführt, sowie die Herzerkrankungen Myokarditis und Perikarditis – beide werden von der EMA als "sehr seltene" Nebenwirkungen genannt.

Die online kursierende Liste enthält darüber hinaus jedoch zahlreiche tödliche und schwerwiegende Nebenwirkungen, etwa Herzstillstand, plötzlicher Tod, Tod bei Neugeborenen, Schlaganfall, Diabetes und epileptische Psychose. Keine dieser angeblichen Nebenwirkungen wurde von der EMA bestätigt.

Die Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte Kroatiens (Halmed) teilte AFP in einer E-Mail vom 21. Februar 2025 mit, dass die aktuelle Liste der bekannten Nebenwirkungen, die auf den Websites der EMA und Halmed verfügbar ist, auf dem neuesten Stand sei. Ein Halmed-Sprecher betonte, dass Arzneimittelhersteller im Allgemeinen keine "Liste der Nebenwirkungen" veröffentlichen – stattdessen informieren sie die Aufsichtsbehörden über alle neuen Informationen zu zugelassenen Arzneimitteln.

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Screenshot der offiziellen Nebenwirkungen des Pfizer/Biontech-Comirnaty-Impfstoffs von der EMA-Website am 4. März 2025

"Inhaber einer Marktzulassung sind gesetzlich verpflichtet, das Sicherheitsprofil eines Medikaments, einschließlich Impfstoffen, kontinuierlich zu überwachen, solange das Medikament oder der Impfstoff auf dem Markt ist", so der Halmed-Sprecher. "Dementsprechend sind sie verpflichtet, alle neuen Informationen und Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Sicherheit des Medikaments den zuständigen Regulierungsbehörden zur Überprüfung und Bewertung vorzulegen. Darüber hinaus erhalten die Regulierungsbehörden auch direkt von Patienten und Angehörigen der Gesundheitsberufe Berichte über vermutete Nebenwirkungen."

Der Halmed-Sprecher wies darauf hin, dass Arzneimittelhersteller verpflichtet seien, regelmäßig alle gesammelten Daten zur Sicherheit von Medikamenten und Impfstoffen in sogenannten PSURs (Periodic Safety Update Reports) vorzulegen.

Impfstoffe werden regelmäßig überprüft

Der aktuelle PSUR für den Pfizer-Impfstoff Comirnaty wurde während der zweiten Hälfte des Jahres 2023 erstellt. Die EMA veröffentlichte im Juli 2024 ihre Empfehlungen auf Basis dieses PSURs. Laut EMA sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffes unverändert geblieben, weshalb die Zulassung beibehalten wurde. Das nächste PSUR-Überprüfungsverfahren für Comirnaty wird voraussichtlich zwölf Monate nach dem vorherigen beginnen, also im März 2025.

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Covid-19-Teststation in Zagreb, 22. November 2021 (AFP / DENIS LOVROVIC)

Auf AFP-Anfrage teilte die Pressestelle der EMA in einer E-Mail vom 19. Februar 2025 mit, dass die letzte Aktualisierung der Produktinformationen von Comirnaty im November 2024 erfolgte. Dabei wurde insbesondere die Sicherheit der Impfstoffe für Säuglinge von während der Schwangerschaft geimpften Personen und immungeschwächten Teilnehmende untersucht. Daten aus drei wissenschaftlichen Studien wurden dabei miteinbezogen, die jedoch keine neuen Gefahren oder Nebenwirkungen feststellten.

Der EMA-Sprecher wies außerdem darauf hin, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur zusammen mit nationalen Gesundheitsbehörden und Impfstoffproduzenten für das Management der Sicherheitshinweise verantwortlich sei. Somit liegen der EMA alle Informationen vor, die mögliche Nebenwirkungen oder weitere Untersuchungen rechtfertigen würden. 

Sobald ein Hinweis über eine mögliche Nebenwirkung auftaucht, gibt der EMA-Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Prac) eine Empfehlung ab, wie darauf reagiert werden sollte. Alle Empfehlungen sind in einer öffentlichen Tabelle abrufbar (hier archiviert). Der Prozess zur Erkennung neuer Nebenwirkungen, wie etwa im Fall von Myokarditis und Perikarditis, kann in der Tabelle nachverfolgt werden.

Wie die EMA bestätigte und aus den online verfügbaren Daten ersichtlich ist, war der letzte untersuchte Sicherheitshinweis das Symptom "postmenopausale Blutung", das im März 2024 geprüft wurde. Der Prac fand jedoch keine ausreichenden Beweise dafür, dass dieses Symptom im Zusammenhang mit dem Pfizer-Impfstoff steht.

Die derzeit gültigen Sicherheitsinformationen zu Covid-19-Impfstoffen, die den Impfstoff Comirnaty von Pfizer/Biontech, miteinbeziehen, besagen, dass alle in der EU zugelassenen Impfstoffe sicher und wirksam sind. Laut EMA-Website schützen die Impfstoffe weiterhin zuverlässig Menschen vor schweren Erkrankungen und Todesfällen durch Covid-19.

"Seit Dezember 2020 haben Menschen in der EU fast eine Milliarde Dosen der Covid-19-Impfstoffe erhalten, was es zum größten Impfprogramm der Geschichte macht", heißt es auf der Website der EMA. "Die Aufsichtsbehörden verfügen über eine beispiellose Menge an Daten, um die Sicherheit und Wirksamkeit von Covid-19-Impfstoffen zu bestätigen."

Ein Sprecher von Pfizer bestätigte ebenfalls gegenüber AFP in einer E-Mail vom 17. Februar 2025, dass die aktuellen Sicherheitsinformationen zum Impfstoff des Unternehmens auf der Website der EMA zu finden seien. "Pfizer verfügt über robuste Prozesse, um seiner regulatorischen Verantwortung nachzukommen, alle unerwünschten Ereignisse genau zu überwachen, zu melden und zu analysieren sowie relevante Informationen zu sammeln, um neue potenzielle Sicherheitsrisiken zu bewerten, die mit dem COVID-19-Impfstoff verbunden sein könnten", so der Sprecher. "Da weltweit bereits Milliarden von Impfstoffdosen verabreicht wurden, ist das Sicherheitsprofil des Impfstoffs für alle zugelassenen Gruppen weiterhin positiv."

Ursprung der Falschbehauptung

AFP konnte keine glaubwürdige Quelle finden, die die online kursierende Liste als von Pfizer veröffentlichte Nebenwirkungen der Covid-19-Impfung bestätigen würde. Die Falschbehauptung scheint ihren Ursprung in einem falsch interpretierten Pfizer-Dokument aus dem Jahr 2021 zu haben (hier archiviert): Das Dokument beinhaltet eine Liste von allen als vermeintliche Impfnebenwirkungen beobachteten Erkrankungen, ohne diese jedoch einer wissenschaftlichen Prüfung unterzogen zu haben. Diese Liste überschneidet sich teilweise mit der im Februar 2025 kursierenden Liste von 46 angeblichen Nebenwirkungen.

Dasselbe Dokument kursierte bereits im Jahr 2023 fälschlicherweise mit der Behauptung, es zeige alle bekannten Nebenwirkungen – eine Falschbehauptung, die AFP bereits widerlegt hat.

Im September 2023 erklärte ein Halmed-Sprecher AFP für einen kroatischsprachigen Faktencheck, dass nur weil etwas nach einer Impfung passiert sei, dies nicht automatisch bedeute, dass es durch die Impfung verursacht wurde. "Berichte über vermutete Nebenwirkungen bedeuten nicht, dass das Medikament oder der Wirkstoff die beobachtete Wirkung verursacht hat oder dass der Wirkstoff unsicher ist", schrieb der Sprecher in einer E-Mail an AFP. "Nur eine gründliche Überprüfung und wissenschaftliche Bewertung aller verfügbaren Daten ermöglicht es, Schlussfolgerungen über den Nutzen und die Risiken eines Medikaments zu ziehen." 

Weitere Faktenchecks zum Thema Covid-19 finden sich auf der AFP-Website.

Fazit: Entgegen online kursierender Behauptungen wurde eine Liste von schwerwiegenden angeblichen Covid-Impfnebenwirkungen nicht von dem Impfstoffhersteller Pfizer veröffentlicht und entspricht auch nicht den tatsächlichen Nebenwirkungen. Wie Sprecher von Arzneimittelbehörden gegenüber AFP bestätigten, wird die Sicherheit von Impfstoffen kontinuierlich nach wissenschaftlichen Maßstäben überprüft.

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