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Sheriff im Kreml-Auftrag: Wie ein US-Bürger den deutschen Wahlkampf beeinflusst
- Veröffentlicht am 20. Februar 2025 um 14:22
- Aktualisiert am 21. Februar 2025 um 16:55
- 2 Minuten Lesezeit
- Von: Johanna LEHN, Anuj CHOPRA, Dounia MAHIEDDINE, AFP Deutschland, AFP USA, AFP Frankreich
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Die Spur führt nach Russland – zu einem Mann mit schillerndem Lebensweg. John Dougan stammt aus den USA, er war Vize-Sheriff in Florida, ehe er 2016 nach Russland floh, um einer Anklage in den USA wegen einer ganzen Reihe krimineller Machenschaften zu entgehen. Inzwischen mischt Dougan mit einer massiven Desinformationskampagne im deutschen Bundestagswahlkampf mit, wie Recherchen ergeben haben. Wer sind Dougans Auftraggeber, was ist sein Ziel?
Dougan steckt hinter mehr als 100 Internetseiten, die den Seiten deutscher Medien täuschend ähnlich sehen – und die in ihren Texten insbesondere die AfD preisen: Dies ergab eine Recherche des US-Journalistenprojekts NewsGuard, das sich auf eine Bewertung der Glaubwürdigkeit und Transparenz von Internetseiten spezialisiert hat, und des deutschen RecherchenetzwerksCorrectiv (hier und hier archiviert).
"Dougans Aktivitäten in Deutschland folgen demselben Muster, das er bei seinen Desinformationskampagnen zur Wahl in den USA angewandt hat", sagte die NewsGuard-Analystin McKenzie Sadeghi der Nachrichtenagentur AFP. Hinter Dougans Aktivitäten sieht Sadeghi eine gezielte Kampagne des Kremls. Westliche Geheimdienste halten Dougan laut Medienberichten für einen Mitarbeiter des russischen Militärgeheimdiensts GRU.
Besonders in Dougans Visier: die Grünen
"Der Fall Dougan zeigt, wie der Kreml zunehmend nicht-russische Staatsangehörige und Geflohene aus dem Westen einspannt, um Propaganda zu vertreiben", sagte Sadeghi. "Damit verschleiern die Russen ihre direkte Einflussnahme und bleiben unentdeckt."
In den vergangenen Monaten verbreitete Dougans Webseiten-Netzwerk ehrenrührige Falschbehauptungen insbesondere über die Grünen und ihren Spitzenkandidaten Robert Habeck. Eine andere Falschinformation besagte, dass Deutschland 1,9 Millionen Kenianer als Arbeitskräfte ins Land holen will; diese Fake News verbreitete sich dann auch auf afrikanischen Internetseiten.
Die deutschen Sicherheitsbehörden sind informiert und ermitteln. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach kürzlich von "infamen Falschmeldungen", die über Robert Habeck verbreitet würden. Sie sprach von "Versuchen ausländischer Einflussnahme", die auf die "gezielte Diskreditierung bestimmter Politikerinnen und Politiker" abziele.
Vermutlich Verbindung zu russischer Desinformationskampagne
Westliche Sicherheitsbehörden gehen von einer Verbindung zwischen Dougan und einer staatlichen russischen Desinformationskampagne aus, die unter dem Namen "Storm-1516" firmiert.
Das internationale Rechercheprojekt Gnida Project hat sich darauf spezialisiert, solche verdeckten russischen Kampagnen zu enttarnen. Bei den Operationen von "Storm-1516" sei Dougan der "Frontmann", sagt ein Gnida-Mitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP.
"Die derzeitige Vorgehensweise von 'Storm-1516' sieht wie folgt aus: Sie richten ein großes Netz falscher Nachrichtenseiten im Internet ein, füllen diese mit ständig aktualisierten Artikeln – und bringen sie dann für bestimmte Kampagnen in Stellung", sagt der Experte. Viele der Seiten würden erstmal vorsorglich angelegt – und dann je nach Bedarf aktiviert und mit gezielten Falschmeldungen bestückt.
Bei den Präsidentschaftswahlen in den USA hat Dougans Kampagne beträchtliche Wirkung entfaltet, glauben die Experten von NewsGuard. In Deutschland sei seine Wirkung geringer gewesen.
"In Deutschland sind Dougans Kampagnen leichter zu enttarnen", betonte Sadeghi. "Denn anders als in den USA, wo Dougan mit dem politischen Klima und der Wirkung von Narrativen vertraut ist, ist er mit den kulturellen und politischen Nuancen in Deutschland weniger vertraut. Zudem ist das Drehbuch, dem er folgt, inzwischen bekannt."
Faktenchecks zu Falschbehauptungen fasst AFP in einer fortlaufenden Übersicht zusammen.
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