Der Klimawandel sorgt für insgesamt weniger Schneefall und beeinflusst Extremwetterereignisse

Wetterphänomene, die scheinbar nicht zum Klimawandel passen, werden in klimawandelskeptischen Kreisen häufig verbreitet. Im Januar 2025 kursierte online ein Screenshot von zwei vermeintlich gegensätzlichen Zeitungsschlagzeilen über Schnee: In einer Schlagzeile wird starker Schneefall als Klimawandelfolge bezeichnet, in der anderen abnehmende Schneemengen. User verbreiteten diese Schlagzeilen als angeblichen Beweis dafür, dass die globale Erwärmung eine Lüge sei. Laut Fachleuten widersprechen sich die Schlagzeilen jedoch nicht, sondern beschreiben unterschiedliche Phänomene: Durch die Erderwärmung kann die Schneemenge insgesamt abnehmen und lokal dennoch starker Schneefall auftreten.

Ein Screenshot, der zwei scheinbar widersprüchliche Schlagzeilen nebeneinanderstellt, wurde Anfang Januar 2025 tausendfach auf Facebook geteilt. "Experten am Werk", schrieb ein Facebook-Nutzer am 3. Januar 2025 dazu, gefolgt von einem Tränen lachenden Emoji. Die Überschriften lauten "Experten einig: Starker Schneefall ist ein Zeichen für den Klimawandel" und "Fehlender Schnee geht auf menschengemachten Klimawandel zurück".

Viele Nutzerinnen und Nutzer machten sich in Kommentaren unter den Posts lustig und zweifelten dabei die Existenz des Klimawandels an: "Bei denen hat der Klimawandel schon das Hirn zerfressen", schrieb etwa eine Facebook-Nutzerin am 7. Januar 2025 unter den Screenshot, ein anderer Nutzer kommentierte ebenfalls am 7. Januar: "Die Klimapolitik wie sie uns verkauft wird ist die zweit größte Lüge nach der Bibel..."

Auch auf Instagram, X und Telegram wurde der Screenshot vielfach geteilt. In kroatischer Übersetzung kursierte er ebenfalls in sozialen Medien.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 14. Januar 2025

Wie AFP nachweisen konnte, beziehen sich die beiden Schlagzeilen jedoch auf unterschiedliche Regionen und beschreiben verschiedene wissenschaftliche Beobachtungen, die sich nicht gegenseitig widerlegen. Erst in der direkten Nebeneinanderstellung des Screenshots erzeugen die Überschriften ein irreführendes Bild. 

Schlagzeilen beschreiben unterschiedliche Klimawandelfolgen

Mithilfe einer umgekehrten Bildsuche fand AFP heraus, dass die Schlagzeilen authentisch sind und aus seriösen Medien stammen. Die Überschrift "Experten einig: Starker Schneefall ist ein Zeichen für den Klimawandel" stammt von einem Artikel der deutschen Nachrichtenwebsite "Focus Online" (hier archiviert) vom 6. Dezember 2023. "Fehlender Schnee geht auf menschengemachten Klimawandel zurück" betitelt einen Artikel der österreichischen Zeitung "Der Standard" (hier archiviert) vom 11. Januar 2024. 

Der Artikel von "Focus Online" berichtet über die wahrscheinlichen Ursachen eines Schneesturms im Jahr 2023, der weite Teile Mitteleuropas heimsuchte und Bayern stark betroffen hatte. Der Artikel bezieht sich auf einen "Tagesschau"-Faktencheck vom 4. Dezember 2023 und betont die unterschiedlichen Auswirkungen der Erderwärmung auf Wetter und Klima. Während es sich bei "Wetter" demnach um ein zeitlich begrenztes, lokales Phänomen handelt, beschreibt "Klima" einen langfristigen Trend. "Der Schnee werde seltener, wenn es schneit, dann aber massiv", heißt es in dem "Focus"-Artikel. Die zitierten Fachleute des "Tagesschau"-Faktenchecks schlussfolgerten darin, dass der Schneesturm von Dezember 2023 als Folge des Klimawandels besonders stark ausgefallen sei. 

Das bestätigten Forschende des ClimaMeter-Projekts des französischen Instituts Pierre Simon Laplace: Demnach sei der Schneesturm von 2023 "ein weitgehend einzigartiges Ereignis" gewesen, bei dem natürliche Schwankungen des Klimas eine Rolle gespielt haben. Ihr Fazit lautete jedoch, dass der Schneesturm "hauptsächlich durch den vom Menschen verursachten Klimawandel verstärkt" worden sei.

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Das Münchner Fußballstadion Allianz Arena nach starken Schneefällen im März 2023 (AFP / Alexandra Beier)

Der zweite Artikel in der österreichischen Tageszeitung "Der Standard" vom 11. Januar 2024 berichtet dagegen über eine Studie, die am 10. Januar 2024 in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht wurde. In der Studie wurden abnehmende Schneetrends auf der Nordhalbkugel analysiert. Laut den Studienautoren ist dieser Trend des Schneemangels auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen.

Im Artikel aus "Der Standard" wird darauf hingewiesen, dass trotz dieses allgemeinen Trends in einigen Regionen enorme Schneemengen gefallen seien, beispielsweise in den US-Bundesstaaten Kalifornien und Arizona im Jahr 2023. "Extremereignisse wie Schneestürme werden in einer wärmer werdenden Welt tendenziell häufiger und stärker", heißt es darin. In der Nature-Studie selbst wird ebenfalls erwähnt, dass "die Erderwärmung die Niederschläge und Schneefälle in der kalten Jahreszeit verstärken kann".

Somit kommen beide Artikel zu ähnlichen Schlussfolgerungen, auch wenn deren Überschriften in sozialen Medien gegeneinander ausgespielt werden: Der Klimawandel führt laut beiden Artikeln insgesamt zu weniger Schneefall, kann jedoch Extremwetterereignisse wie Schneestürme verstärken. Der widersprüchlich erscheinende Unterschied zwischen den Schlagzeilen ergibt sich daraus, dass die "Der Standard"-Überschrift sich auf die erste Erkenntnis konzentriert hat und die Artikelüberschrift von "Focus Online" auf die andere.

Laut Fachleuten sind beide Schlagzeilen korrekt

Der Klimatologe Justin S. Mankin vom US-amerikanischen Dartmouth College ist einer der Autoren der "Nature"-Studie, die im "Der Standard"-Artikel zitiert wurde. Auf AFP-Anfrage antwortete er am 9. Januar 2025 per E-Mail, dass beide Schlagzeilen gleichzeitig wahr sein können. "Da in einer wärmeren Welt mehr Energie für einen Wintersturm vorhanden ist, können Schneefallereignisse stärker ausfallen, wenn sie auftreten", sagte Mankin. "Gleichzeitig kann die Menge des über eine gesamte Wintersaison aufkommenden Schnees aufgrund der insgesamt wärmeren Winter abnehmen", fügte er hinzu. Beide Phänomene können somit durch die Erderwärmung beeinflusst werden.

Auf die Frage, ob der online kursierende Screenshot darauf abziele, den Klimawandel an sich in Frage zu stellen, bemerkte Mankin: "Ich würde sagen, dass ein durchschnittlicher Leser die Schlagzeilen als inkonsistent ansehen und daher beide verwerfen könnte."

Bei dem zweiten Studienautoren handelt es sich um den Klimatologen Alexander Gottlieb, ebenfalls vom Dartmouth College. Er teilte AFP am 9. Januar 2025 in einer E-Mail mit, dass beide Aussagen – der Klimawandel ist sowohl für weniger Schnee als auch für mehr Schnee verantwortlich – wahr sein können. "Der wissenschaftliche Konsens ist eindeutig, dass menschliche Emissionen und Aktivitäten die Erde erwärmt haben und dass eine wärmere Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann", schrieb Gottlieb. Diese erhöhte Luftfeuchtigkeit schaffe das Potenzial für starke Niederschläge – entweder Schnee oder Regen. "Und wenn dieser verstärkte Niederschlag bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt auftritt, können wir tatsächlich sehr starke Schneefälle beobachten. Das entspricht voll und ganz unseren Erwartungen an den Klimawandel", fügte Gottlieb hinzu.

Auch Ivan Güttler, Leiter des Kroatischen Meteorologischen und Hydrologischen Dienstes, erklärte AFP am 10. Januar 2025 per E-Mail, dass der Klimawandel zu massiveren Schneefällen führen kann. "Mit der Erwärmung des Planeten steigt die Menge an Wasserdampf in der Atmosphäre", schrieb Güttler. "Die Kombination dieser beiden Effekte kann unter bestimmten Bedingungen zu vermehrtem Schneefall führen."

Güttler zitierte eine Studie der Fachzeitschrift "Nature" aus dem Jahr 2021, in der dieser Mechanismus genauer untersucht wurde. Auch diese Studie kommt zu der Schlussfolgerung, dass die globale Erwärmung in Bezug auf Schneefall zwei gegensätzliche Auswirkungen haben kann: "Eine zunehmende Luftfeuchtigkeit ermöglicht intensiven Schneefall, während höhere Temperaturen die Wahrscheinlichkeit von Schneefall insgesamt verringern."

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Die Veränderung der Schneemenge als Folge der globalen Erwärmung in der nördlichen Hemisphäre (AFP / Valentin RAKOVSKY, Valentina BRESCHI)

Die Studie von Mankin und Gottlieb aus dem Jahr 2024 ergab, dass der Zusammenhang zwischen Erwärmung und Schneemenge jedoch nicht linear verläuft. Das bedeutet, dass es nicht für jedes einzelne Grad an Temperaturveränderung einen direkten, messbaren Effekt auf die gefallene Schneemenge gibt. Die Studienautoren identifizierten einen entscheidenden Temperaturkipppunkt: Steigen die Temperaturen darüber, dann nimmt die Schneemenge schnell ab. Bleiben sie jedoch unter diesem Kipppunkt, wird der Schneefall nicht wesentlich beeinflusst. Dieser Temperaturkipppunkt liegt laut der Studie bei -8 Grad Celsius.

"Regionen über -8 Grad Celsius verlieren mit jedem zusätzlichen Grad Erwärmung weitaus mehr Schnee", erklärte Mankin. "Dieser nichtlineare Charakter der durchschnittlichen Wintertemperaturen ist der Grund dafür, dass Schneedecken in sehr kalten Regionen keinen Schneeverlust aufweisen, während andere Regionen, die sich in der Nähe der von uns ermittelten -8 Grad-Schwelle befinden, immer stärkere Verluste verzeichnen."

Mankin erklärte gegenüber AFP, dass ihre Forschung "belastbare" Beweise dafür liefere, dass menschliche Aktivitäten zu Veränderungen der Schneemengen beitragen. Diese Erkenntnisse trügen zu einem wissenschaftlichen Konsens bei, dass die vom Menschen verursachte Erwärmung wichtige Wasserquellen beeinträchtigt.

Weitere AFP-Faktenchecks zum Thema Klima finden sich auf der AFP-Website.

Fazit: Ein online kursierender Screenshot von angeblich widersprüchlichen Schlagzeilen über den Zusammenhang von Schneefall und Klimawandel ist irreführend: Laut Fachleuten kann die Erderwärmung als Folge des menschenverursachten Klimawandels sowohl zu insgesamt abnehmenden Schneemengen führen als auch zu Extremwetterereignissen mit viel Schnee. 

Tippfehler im Teaser korrigiert
22. Januar 2025 Tippfehler im Teaser korrigiert

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