Weiterhin strenge Regeln für den Bau von Windrädern im österreichischen Bundesland Kärnten
- Veröffentlicht am 15. Januar 2025 um 17:15
- Aktualisiert am 16. Januar 2025 um 14:39
- 7 Minuten Lesezeit
- Von: Elena CRISAN, AFP Österreich
Copyright © AFP 2017-2025. Für die kommerzielle Nutzung dieses Inhalts ist ein Abonnement erforderlich. Klicken Sie hier für weitere Informationen.
Der Ausbau von erneuerbaren Energien stößt in Kärnten auf Gegenwind. Am 12. Januar 2025 wurde die Bevölkerung in Österreichs südlichstem Bundesland dazu befragt, ob sie der Meinung ist, dass "die Errichtung weiterer Windkraftanlagen auf Bergen und Almen in Kärnten landesgesetzlich verboten werden" solle.
"JA", sagten einige Nutzerinnen und Nutzer auf Facebook, während die Fragestellung medial vielfach als "suggestiv" bezeichnet wurde. Dazu teilten Userinnen und User etwa am 9. Januar 2025 ein Bild mit dem Logo des FPÖ-Landtagsklubs mit der Aufschrift: "Ganz Kärnten ist Windkraft-Zone." Auch auf Telegram kursierte die Behauptung.
Hochrangige Mitglieder der FPÖ Kärnten – inklusive Landesparteiobmann Erwin Angerer – teilten ebenfalls die Warnung, dass "das Kärntner Energiewendegesetz in ganz Kärnten Wind-Industrieanlagen" ermögliche. "Nur die Kärntner Bevölkerung kann jetzt noch einen Ausverkauf der Berge stoppen", rief er zur Volksbefragung auf.
Experten, die AFP kontaktierte, sehen das anders. Auch die zuständige Behörde zur Genehmigung von Windkraftprojekten im Bundesland stellte klar, dass im Land weiterhin "strenge Restriktionen" gelten würden.
Windräder dürfen nicht überall gebaut werden
Darf demnach theoretisch überall in Kärnten ein Windrad gebaut werden? "Nein, definitiv nicht", antwortete Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur am 10. Januar 2025 auf AFP-Anfrage. Es gebe "sehr viele einschränkende Faktoren, die dazu führen, dass in Kärnten nicht überall ein Windrad platziert werden kann". Dazu zählen laut Dolna-Gruber beispielsweise Nationalparks, Landschaftsschutzgebiete, Schutzgebiete aufgrund von Artenschutzregelungen, Siedlungsgebiete mit Schutzabständen auf Grund von Lärmemissionen und Schattenwurf der Windkraftanlagen.
Im Gespräch mit AFP am 13. Januar 2025 fand Florian Stangl, Experte für Energierecht, die Behauptung, dass ganz Kärnten Windkraftzone sei, "nicht haltbar". Der Schutz der Anrainerinnen und Anrainer und der Naturschutz spiele weiterhin eine "große Rolle" bei der Genehmigung von Windrädern in Kärnten. Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt würden "peinlichst genau geprüft". Zuerst benötigen Antragstellerinnen und Antragsteller eine spezielle Flächenwidmung beziehungsweise die Zustimmung der Gemeinde für ihre Projekte, wie Stangl erklärt. Im zweiten Schritt führt die Landesregierung bei größeren oder im Bergland gelegenen Anlage eine umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durch. Selbst wenn das Land Zonen festlegt, die besonders geeignet für die Errichtung von Windkraftanlagen sind, müssen die Projekte laut Stangl erst einzeln bewilligt werden.
"In Kärnten wurden bisher keine solche Zonen definiert, wobei ein Entwurf vorliegt", wie Christoph Dolna-Gruber erklärte. Das Land Kärnten kündigte am 27. November 2024 eine Zonierung auf 0,26 Prozent der Landesfläche an. Sieben Gemeinden im Nordosten des Bundeslands würden demnach für eine Zonierung in Frage kommen. "Spätestens mit Verabschiedung dieser Zonierung ist die für Windkraft nutzbare Fläche explizit und stark eingeschränkt", so Dolna-Gruber. Ein finaler Beschluss steht erst bevor.
Dabei ist laut Stangl wiederum anzumerken: "Das EU-Recht verbietet es sogar, dass Windkraftzonen, sofern sie als sogenannte Beschleunigungsgebiete dienen sollen, Natura-2000- und nationale Naturschutzgebiete umfasst." Beschleunigungsgebiete sind Flächen, auf denen ein rascherer Ausbau erneuerbarer Energien ermöglicht werden soll. Natura-2000-Gebiete sind Regionen, die in Europa besonders geschützt werden.
FPÖ fährt Kampagne gegen Windkraft
Die FPÖ will, dass ein Gesetz gegen weitere Windräder in Verfassungsrang kommt, wofür eine Zweidrittelmehrheit im Landtag nötig ist. Denn: Mit dem Energiewende-Gesetz würden selbst "geschützte Gebiete wie Nationalparks und Biosphärenparks [...] frei für den Bau von Wind-Industrieanlagen" sein, wie Landesparteichef Angerer laut einer Aussendung der FPÖ vom 8. Januar 2025 sagte. Das spricht sich auch im Netz herum: "Das kürzlich im Landtag beschlossene Gesetz macht nämlich ganz Kärnten zur möglichen Windradzone", hieß es in den Beiträgen. Schließlich konnte die FPÖ 34,88 Prozent der wahlberechtigten Kärntnerinnen und Kärntner ins Wahllokal lockten. Das Ergebnis der Volksbefragung ist rechtlich nicht bindend.
Initiiert wurde die Volksbefragung "JA zum Schutz der Kärntner Berge und Almen. JA zum Windkraft-Verbot." von der FPÖ. Anlass dafür war laut der Partei das Energiewende-Gesetz, welches Ende März 2024 vom Büro des Landeshauptmann-Stellvertreters Martin Gruber (ÖVP) vorgelegt wurde und im Sommer 2024 in Kraft trat. Damit sollten "vier Gesetzesmaterien (Raumordnungsgesetz, Bauordnung, Elektrizitätsgesetz und Elektrizitätswirtschaftsgesetz) aufeinander abgestimmt" werden. Verfahren zur Genehmigung von Anlagen für erneuerbare Energien sollten somit reduziert und vereinfacht werden. Ziel war, die Energiewende zu beschleunigen, wurde im Juni 2024 von der Landesregierung angekündigt.
AFP kontaktierte die FPÖ Kärnten und erbat in Telefonaten am 10. und 13. Januar 2025 nähere Informationen. Seitdem das Gesetz beschlossen wurde, sieht die Partei Gefahr für die Berge Kärntens. "Bis die Klimaneutralität erreicht ist, kommt bei allen raumbedeutsamen Planungen dem überragenden öffentlichen Interesse der Erzeugung, Speicherung und Verteilung von erneuerbarer Energie der Vorrang gegenüber der Erhaltung des Landschaftsbildes zu", schrieb Klubobmann Herbert Zankl am 13. Januar 2025 in einer E-Mail an AFP. So sei es gesetzlich geregelt. Damit sei "das gesamte Landesgebiet grundsätzlich potenzielle Windkraft-Zone".
Zur Untermauerung legte die FPÖ ein Rechtsgutachten vor. Die bereits bestehende Windkraftstandorträume-Verordnung, die nur bestimmte Zonen für Windkraft vorsieht, würde nicht im Einklang mit dem Energiewende-Gesetzes stehen, so die Argumentation der FPÖ. Projektwerberinnen und -werber könnten die Windkraftstandorträume-Verordnung in einem etwaigen Verfahren zur Genehmigung von Windkraftanlagen anfechten, und diese würde dann "durch ein Gericht aufgehoben werden, sollte diese Verordnung Grundlage einer etwaigen negativen Entscheidung sein".
Das Gutachten bestätige jedoch – anders als auch auf Social Media behauptet – nicht, dass "ganz Kärnten Windkraft-Zone" sei, wie Reinhard Schanda, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf Energierecht, gegenüber AFP erklärte. "Das Gutachten sagt im Wesentlichen, dass ein Verbot von Windkraftanlagen nicht durch eine bloße Verordnung erlassen werden könnte, sondern ein Gesetz erfordern würde, weil eine (niederrangige) Verordnung mit einem solchen Verbotsinhalt ansonsten (höherrangigen) gesetzlichen Vorgaben widersprechen würde." Genauso wenig lege das Gutachten dar, so Schanda, dass "geschützte Gebiete wie Nationalparks und Biosphärenparks für den Bau von Windkraftanlagen nicht mehr ausgenommen" seien. Das Kärntner Energiewende-Gesetz würde andere rechtlichen Bestimmungen zur Genehmigung von Windrädern zudem nicht schwächen.
"Dieses Gesetz ist vielmehr schlicht Teil der geltenden rechtlichen Bestimmungen", schrieb Schanda. Diese setzen Vorgaben der EU-Richtlinie zu Erneuerbaren Energien um. Mitgliedstaaten müssen demnach sicherstellen, dass Windkraftanlagen sowohl bei der Genehmigung als auch beim Bau und beim Betrieb der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen, wenn sie etwa natürliche Lebensräume beschädigen würden.
Zuständige Behörde widerspricht FPÖ
AFP kontaktierte zudem die Abteilung 7 der Kärntner Landesregierung, welche für die Durchführung von UVP-Verfahren für Windräder zuständig ist. Es sei "faktenwidrig", dass das Kärntner Energiewende-Gesetz in ganz Kärnten Wind-Industrieanlagen ermögliche, hieß es. "Seitens des Landes Kärnten ist festzuhalten, dass das Schutzniveau der Umwelt, der Flora und Fauna und der Landschaft in Schutzgebieten wie dem angefragten National- und Biosphärenparks bereits derart hoch ist, dass eine Bewilligung von Windparks dort faktisch ausgeschlossen ist", schrieb ein Sprecher am 13. Januar 2025.
Des Weiteren führte der Sprecher "aktuell geltende strenge Restriktionen" an. Dazu zählt etwa das Kärntner Nationalpark- und Biosphärenparkgesetz, wonach "in der Kernzone jeder Eingriff in die Natur und in den Naturhaushalt sowie jede Beeinträchtigung des Landschaftsbildes verboten" ist.
Weiter schrieb der Sprecher: "Bis in die Außenzone des Nationalparks Hohe Tauern ist die Errichtung von Anlagen zur Energieerzeugung, soweit sie nicht zur Eigenversorgung von Alm- und Schutzhütten dienen, untersagt."
Aktuell sind 14 Windkraftanlagen in Kärnten in Betrieb, 32 genehmigt oder in Genehmigungsverfahren, wie das Land mitteilte. Auf diese 46 Anlagen werde eine Volksbefragung keinen Einfluss mehr haben. Juristen sehen ein absolutes Verbot laut Medienberichten verfassungsrechtlich kritisch.
Fazit: Die Behauptung, dass die Einführung des Kärntner Energiewende-Gesetzes das ganze Land Kärnten zur Windkraftzone gemacht habe, ist irreführend. Dem widersprechen zahlreiche Gesetze sowie Fachleute und die zuständige Behörde.
Formulierung im Teaser konkretisiert; das Wort "Jänner" auf "Januar" im sechsten Absatz ausgebessert16. Januar 2025 Formulierung im Teaser konkretisiert; das Wort "Jänner" auf "Januar" im sechsten Absatz ausgebessert