Bild von Helfenden nach Attacke auf Kinderkrankenhaus in Kiew ist echt

Eine nach UN-Angaben russische Rakete traf am 8. Juli 2024 das Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus in Kiew. Die Echtheit eines Bildes, das eine Vielzahl Menschen, darunter Ärztinnen und Ärzte, beim Beseitigen der Trümmer nach dem Angriff zeigt, wird in sozialen Medien angezweifelt. Ein Abgleich mit weiteren Aufnahmen zeigt jedoch, dass die Szene so stattfand. Das bestätigen auch Berichte von Journalistinnen und Journalisten, die sich zu der Zeit in Kiew befanden. 

Ein Bild zeigt Menschen, die Trümmer eines zerstörten Gebäudes wegräumen. Diese Aufnahme von Helfenden vor dem Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus in Kiew nach einem Raketenangriff am 8. Juli 2024 wird in sozialen Medien wie beispielsweise Facebook geteilt. Dabei wird angezweifelt, ob das Bild echt ist, insbesondere werden zwei Details infrage gestellt.

Viele der Menschen auf dem Bild tragen Zivilkleidung, prominent in der Mitte stehen Menschen in Arztkitteln, einer davon blutverschmiert. Weshalb hat der Mann in Arztkleidung einen Blutfleck auf dem Rücken, seine Hose scheint jedoch sauber zu sein? Und "warum ist der Helfer im rosa Shirt noch ein 2. Mal in Schwarz-Weiß (etwas weiter links) und viel kleiner zu sehen?", fragt Richard Schmitt, Gründer und ehemaliger Chefredakteur des österreichischen Boulevardmagazins "Exxpress", in einem Beitrag auf X vom 10. Juli 2024, der das Bild enthält. Neben dem Arzt in der Mitte des Bildes spricht er dabei von zwei Männern mit ähnlicher Statur am oberen rechten Bildrand. Nutzerinnen und Nutzer verstehen den Beitrag so, dass Schmitt damit auf eine mögliche Bildbearbeitung anspielt.

"Exxpress" ist AFP bereits vermehrt durch die Verbreitung von Falschinformationen aufgefallen. 

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X-Screenshot der Behauptung: 11. Juli 2024

Vergleiche mit weiteren Aufnahmen der Ereignisse nach dem Raketenangriff zerstreuen diese Zweifel jedoch und zeigen, dass das Bild echt ist. 

Russland hatte die Ukraine am 8. Juli 2024 massiv angegriffen und dabei auch das Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus in Kiew getroffen. International wurden die Angriffe scharf verurteilt. Videoaufnahmen zeigten, dass die Kinderklinik "direkt" von einem in Russland gestarteten Marschflugkörper vom Typ CH-101 getroffen worden sei, sagte die Leiterin der UN-Mission zur Beobachtung der Menschenrechte in der Ukraine, Danielle Bell. 

Journalisten aus Kiew bestätigen Ereignisse

Mithilfe einer Stichwortsuche fand AFP Medienberichte und Videos der Helfenden am Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus. Ein Video wurde von dem Sender Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL) am 8. Juli 2024 um 12.24 Uhr deutscher Zeit veröffentlicht (hier archiviert). Der von der eigenständigen US-Regierungsbehörde für internationale Medien finanzierte Sender setzt sich nach eigenen Angaben dafür ein, unzensierte Nachrichten aus Regionen zu liefern, in denen die Pressefreiheit eingeschränkt ist und die von Desinformation bedroht sind. Das Wasserzeichen von RFE/RL ist auch in manchen Beiträgen mit der Behauptung zu erkennen.

Ein Vergleich mit dem in sozialen Medien geteilten Bild zeigt, dass sowohl der Mann in Arztkleidung als auch die beiden Männer im rechten Hintergrund in dem Video zu sehen sind und bei Minute 0:47 jeweils eine identische Position einnehmen. Aus der Bewegung im Video wird allerdings deutlich, dass der Mann im oberen rechten Rand nicht in das Bild kopiert wurde, sondern dass die beiden Männer einander nur in der Momentaufnahme ähneln. Er ist auch nicht schwarz-weiß, seine Kleidung ist lediglich schmutzig. Der Arztkittel weist ebenfalls den gleichen Blutfleck auf: 

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Vergleich von Screenshots des in sozialen Medien geteilten Bildes (links) und des Videos von RFE/RL bei Minute 0:47 (rechts), Hervorhebungen von AFP: 11. Juli 2024

Auf der Website von RFE/RL ist der Journalist Serhij Nuschnenko als Urheber des Videos angegeben. Auf seinem Facebook-Account hat er ebenfalls Fotos der Ereignisse veröffentlicht (hier archiviert). Auf Anfrage von AFP bestätigte er am 11. Juli 2024 die Echtheit seiner Aufnahmen. "Das ist mein Video, aufgenommen in Ochmatdyt", erklärte Nuschnenko.

Die Aufnahmen von Radio Free Europe sind nicht die einzigen, die zeigen, dass die Szene so stattfand. Auch in anderen Medienberichten, darunter einem Foto von Efrem Lukatsky für die Nachrichtenagenturen Associated Press (AP)/dpa, das deutsche Medien verwendeten, sind die Männer zu sehen (hier archiviert): Mittig steht der Mann im Kittel mit dem gleichen Blutfleck und reicht einen Ziegelstein weiter. Im Hintergrund sind die beiden Männer in anderen Positionen als im geteilten Bild auszumachen, wie sie durch die Trümmer steigen.

AFP sprach zudem mit Augenzeuginnen und -zeugen des Angriffs (hier archiviert). So berichtete beispielsweise die Klinik-Angestellte Nina Tytarenko: "Warum Kinder? Aus irgendeinem Grund dachten wir immer, dass dieses Krankenhaus geschützt sei. Wir waren uns einfach zu hundert Prozent sicher, dass sie hier nicht zuschlagen würden. Und nun ist es doch so gekommen."

Fichier vidéo
Crédits
AFPTV / Igor Shvydchenko

Auf X finden sich weitere Bilder, auf denen der Mann in Arztkleidung aufgrund des markanten Blutflecks wiederzuerkennen ist. Ein Beitrag stammt von Anton Geraschtschenko, Berater des Innenministeriums und ehemaliger stellvertretender Innenminister der Ukraine (hier archiviert). Darin postet Geraschtschenko mehrere Bilder, die den Mann unter anderem von vorne zeigen. Geraschtschenko schreibt: "Diese Fotos zeigen Oleh Holubtschenko. Zum Zeitpunkt des gestrigen Raketenangriffs auf Kiew operierte er gerade ein Kind." 

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X-Screenshot des Beitrags von Anton Geraschtschenko: 11. Juli 2024

Eine Suche nach seinem Namen ergab ein Instagramprofil mit dem gleichen Accountnamen. Demnach ist er Kiefer- und Gesichtschirurg am Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus. Sein Profilbild und ein für 24 Stunden aufrufbares Video, das er am 10. Juli 2024 veröffentlicht hatte, zeigen denselben Mann wie auf den online geteilten Fotos:

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Instagram-Screenshot des Videos von Holubtschenko: 11. Juli 2024

Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärte Holubtschenko, dass er "ein Baby mit angeborenen Gesichtsdefekten operierte und er und sein Team beschlossen, trotz des Sirenengeheuls weiterzumachen", wie aus einem Artikel von "ABC News" hervorgeht. "'Wir konnten nicht auf halbem Weg aufhören'", wird der Chirurg zitiert. Durch den Raketeneinschlag sei er dann durch den Operationssaal geschleudert worden. In einem Video, das im Zusammenhang mit ukrainischen Behörden veröffentlicht wurde, erklärte er darüber hinaus, dabei auf Glasscherben gefallen zu sein. 

Zudem hat das Krankenhaus selbst zahlreiche Fotos der Aufräumarbeiten auf seiner Website in einem Google-Ordner hochgeladen (hier und hier archiviert). Auf ihnen ist ebenfalls Holubtschenko und der gleiche Blutfleck auf seinem Kittel zu erkennen.

Fazit: Eine Aufnahme zahlreicher Menschen bei Aufräumarbeiten nach dem Raketenangriff auf das Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus in Kiew ist echt. Das bestätigten Vergleiche mit anderen Fotos und Videos von den Ereignissen sowie Berichte von Journalisten vor Ort

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