Nein, Bayern hat die Richtwerte für eine rote Corona-Ampel nicht reduziert
Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben seit dem 11. November eine Behauptung geteilt, wonach der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angeblich einen Taschenspielertrick bei den Corona-Maßnahmen angewandt haben soll. Der gehe so: Söder soll die Grenzwerte für die Krankenhausauslastung, die die bayerische Corona-Ampel auf Rot springen lässt, um die Hälfte herunter gesetzt haben. So sei die aktuelle Lage in den Krankenhäusern plötzlich ausreichend, um den Katastrophenfall auszurufen. Laut Gesundheitsministerium änderte sich in der betreffenden Verordnung allerdings nichts an den Grenzwerten. Auch die Urheberin der Behauptung selbst sprach gegenüber AFP von einem Fehler.
Mehr als 1500 Facebook-User haben seit dem 11. November 2021 den Screenshot mit der Behauptung über die Krankenhausbelegung geteilt (hier, hier, hier).
Die Falschbehauptung: In dem geteilten Screenshot heißt es: "Innerhalb einer Woche halbiert Söder grundlos die für die Stufe Rot nötige Krankenhausbelegung von 1200 auf die quasi erreichten 600 und ruft dann den Katastrophenfall aus. Und das schlimmste ist: die meisten haben von diesem Taschenspielertrick nichts mitbekommen! Unfassbar!"

Die Corona-Ampel in Bayern und was sich daran geändert hat
Die bayerische Regierung unter Ministerpräsident Markus Söder führte Anfang September die sogenannte Corona-Krankenhaus-Ampel ein. Zuvor richteten sich die verpflichtenden Corona-Maßnahmen vor allem nach der 7-Tage-Inzidenz. Bei der der nun ausschlaggebenden Krankenhaus-Ampel gelten die Belegungszahlen der Krankenhäuser als Richtwert (mehr dazu hier). Damals wäre die Ampel auf Gelb gesprungen, wenn mehr als 1200 neue Covid-Patienten in bayerische Krankenhäuser eingeliefert worden wären. Die Stufe Rot wäre durch insgesamt 600 Covid-Patienten auf den Intensivstationen in Bayern ausgelöst worden. Die Verordnung dazu wurde aber mittlerweile durch einige Punkte ergänzt.
In nur einem dieser Punkte spielt eine neue Zahl eine Rolle. Eine Sprecherin der Staatskanzlei erklärte dazu am 15. November gegenüber AFP: "Bei der Änderung der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 05. November 2021 wurde bei der gelben Stufe der Krankenhausampel ein alternativer Auslösewert von 450 belegten Intensivbetten festgelegt."
Konkret bedeutet die Änderung also, dass nicht nur 1200 allgemeine Covid-Krankenhauseinweisungen zur Ampelstufe Gelb führen, sondern auch 450 Covid-Einweisungen auf Intensivstationen. Der Richtwert für die Stufe Rot blieb jedoch unverändert.
Keine Halbierung der Zahlen
Die Ministeriumssprecherin erklärte weiter:
Auch der Sprecherin zufolge haben sich die Richtwerte für die Ampel nicht geändert. 1200 eingewiesene Corona-Infizierte lösen die Farbe Gelb, 600 Intensivpatientinnen oder -patienten die Farbe Rot aus.
Die im Internet archivierte Fassung vom 1. September bestätigt die damals schon existierenden Richtwerte in Paragraf 16 und 17. Diese gelten wie oben beschrieben auch weiterhin.
Warum hat Bayern den Katastrophenfall ausgerufen?
Am 10. November rief Ministerpräsident Markus Söder tatsächlich den Katastrophenfall aus. Der Katastrophenfall ermöglicht die Koordinierung verschiedener Behörden wie etwa Feuerwehr und Polizei durch eine zuständige Behörde: die Katastrophenschutzbehörde. Dies soll die Koordination der verfügbaren Ressourcen vereinfachen und beschleunigen. Die Behörde hat auch Sonderrechte wie etwa die Befugnis, Plätze zu sperren, zu Hilfsarbeiten zu verpflichten und Ausgangssperren zu verhängen (mehr dazu hier, hier). Laut bayerischen Rundfunk ist der Katastrophenfall seit 2020 bereits mehrfach ausgerufen worden.
Die Begründung für diese Maßnahme lautet in einer Mitteilung der bayerischen Regierung vom 10. November: "Die 7-Tage-Inzidenz erreicht täglich neue Höchststände. Gleichzeitig steigt auch die Belegung von Krankenhausbetten, insbesondere von Intensivbetten, mit Covid-19-Patienten weiter an." Die Corona-Pandemie gefährde Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen im gesamten Staatsgebiet Bayerns.
Die Krankenhausampel sprang am 9. November tatsächlich direkt von Grün auf Rot. Dafür war allerdings nicht die Änderung der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung verantwortlich, sondern die hohe Zahl an Covid-Intersivpatienten.
Urheberin korrigierte falschen Tweet
Am 15. November war der Tweet vom 10. November im Account der Urheberin nicht zu finden. AFP hat sie deshalb auf Twitter kontaktiert und gefragt, ob der Screenshot-Tweet von ihr stammt und wie sie zur falschen Behauptung darin gekommen war. Sie antwortete: "Vermutlich hat jemand Fake News für Klicks verbreitet [...] oder jemand hat festgestellt, dass er sich geirrt hat, und einen Tweet gelöscht."
Dass sie sich damit selbst meint, wird dadurch deutlich, dass sie nach AFP-Anfrage einen Thread zur Klarstellung auf Twitter veröffentlichte. Darin ist ein Screenshot einer Korrektur vom 10. November zu sehen. Sie schrieb demnach: "Das war falsch. Es wurden in der VO ‘nur’ die umfassenden Regelungen ergänzt." Weiter erklärte sie, dass sie den ursprünglichen Tweet gelöscht habe, nachdem sie von anderen auf die Misinformation hingewiesen worden war. Facebook-User teilten die falsche Behauptung ohne Korrektur weiter.
Fazit: Die Behauptung der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe die Corona-Ampelgrenze für Rot halbiert und damit die Grenze erreicht, einen Katastrophenfall ausrufen zu können, ist falsch. Die Ampelgrenzen wurden nie verändert, sondern lediglich um einen weiteren Faktor ergänzt. Bei der Anordnung des Katastrophenfalls waren Kriterien für die Ampelstufe Rot erfüllt, die nicht verändert wurden. Diese falsche Information hat die Urheberin bereits selbst korrigiert.