Krankheiten wie Ebola oder Tuberkulose sind durchaus meldepflichtig und können zur Isolation des Infizierten führen
- Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
- Veröffentlicht am 29. Oktober 2021 um 18:26
- 7 Minuten Lesezeit
- Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
Copyright © AFP 2017-2025. Für die kommerzielle Nutzung dieses Inhalts ist ein Abonnement erforderlich. Klicken Sie hier für weitere Informationen.
Mehr als 1400 Facebook-User haben die Restaurant-Behauptung seit dem 22. Oktober geteilt (hier, hier). Auf Telegram erreichte sie Tausende (hier).
Die Falschbehauptung: Die User teilen eine Liste von 18 Krankheiten und den Text: "Mit diesen Krankheiten darf man in Ö und D seit Jahrzehnten ungeimpft, ungetestet und voll infektiös in Restaurants, Kinos, Clubs, …"
In Deutschland und Österreich gilt derzeit in öffentlich zugänglichen Innenräumen die 3G-Regelung, also die Pflicht zum Nachweis einer Corona-Impfung, einer Genesung oder eines negativen Tests. AFP hat falsche Behauptungen bezüglich dieser 3G-Regeln bereits hier, hier und hier überprüft.
Umgang mit Krankheiten in Deutschland
In Deutschland sind im Paragrafen 6 des Infektionsschutzgesetzes personenbezogen meldepflichtige Krankheiten aufgeführt. Von den 18 Krankheiten aus dem Facebook-Post sind elf in dieser Liste aufgeführt: Virushepatitis, Meningitis, Keuchhusten, Diphtherie, Masern, Röteln, Tuberkulose, Mumps, Dengue-Fieber (unter virusbedingtes hämorrhagisches Fieber), Creutzfeldt-Jakob (unter humane spongiforme Enzephalopathie), Ebola (Seite 11). Mit diesen Krankheiten infizierte Patienten werden demnach von Ärztinnen und Ärzten bei den Landesbehörden und dem Robert-Koch-Institut gemeldet.
Laut Paragraf 7 sind auch die Nachweise von Erregern von HIV, Gonorrhoe, Grippe (saisonale Influenza), Pneunokokken, Scharlach, Chlamydia (Chlamydia psittaci) meldepflichtig, allerdings ausdrücklich nicht namentlich.
Auch Herpes taucht in der Facebook-Liste auf, aber nicht in dem Infektionsschutzgesetz. Das Virus ist nicht meldepflichtig, weil bei dieser Krankheit "keine Maßnahmen des Gesundheitsamts" nötig seien, erklärte der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Oliver Edwald, in einer E-Mail an AFP am 29. Oktober.
Eine personenbezogene Meldung ermöglicht es der zuständigen Behörde, Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit zu veranlassen. Laut Gesetz kann die Behörde "Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten". Dafür dürfen auch Grundrechte eingeschränkt werden.
Die notwendigen Maßnahmen unterscheiden sich von Krankheit zu Krankheit. So werden etwa Tuberkulose-Erkrankte isoliert, solange sie ansteckend sind. Das passiert entweder in einem Krankenhaus oder Zuhause. Menschen mit Keuchhusten dürfen lediglich keine Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Schulen betreten.
Laut Ministeriumssprecher Edwald sind solche Maßnahmen Einzelfallentscheidungen: "Krankheiten führen nicht generell zu einem Verbot, sich in Restaurants, Kinos und Clubs aufzuhalten. Die Behörde kann aber in jedem Einzelfall prüfen, ob zusätzlich Maßnahmen erforderlich sind, und kann Personen verpflichten, öffentliche Orte nicht zu betreten."
Dass das durchaus geschieht, zeigte etwa ein Sars-Fall in Deutschland aus dem Jahr 2003. Ein 72-Jähriger hatte sich infiziert und wurde auch nach Verschwinden der Beschwerden im Krankenhaus isoliert (hier, hier).
Sprecher Edwald erklärte außerdem: "Die gegenwärtigen Beschränkungen des öffentlichen Lebens und damit korrespondierende Nachweispflichten in Bezug auf Sars-Cov-2 bilden eine Ausnahmesituation, die sich aus dem Umstand ergibt, dass wir uns nach wie vor in einem pandemischen Zustand befinden." Die Impfquote sei noch zu gering, um die zusätzlichen Maßnahmen abzuschaffen.
Die Statistiken belegen das. Corona steht auf der Liste der meldepflichtigen Krankheiten und ist weit verbreitet. Daran erkrankten seit dem Frühjahr 2020 in Deutschland etwa sehr viel mehr Menschen als an anderen meldepflichtigen Krankheiten in den Jahren 2018 und 2019.
Umgang mit den Krankheiten in Österreich
Auch in Österreich gibt es zahlreiche personenbezogen anzeigepflichtige Krankheiten (Epidemiegesetz 1950, Paragraf 1 und 2). Dort und in dieser Übersicht sind von den 18 auf Facebook gelisteten Krankheiten 15 aufgeführt.
Das sind: Dengue-Fieber, Hepatitis, Masern, Creutzfeldt-Jakob (unter transmissiblen spongiformen Enzephalopathien), Diphtherie, bakteriellen Erkrankungen (Meningitiden), Keuchhusten, Röteln, Scharlach, Aids, Gonorrhoe, Tuberkulose, durch Herpesviren ausgelöste Hirnhautentzündung, Ebola, Pneumokokken.
Lediglich Grippe, Chlamydien und Mumps sind dort nicht als anzeigepflichtig aufgeführt.
Ob das Epidemiegesetz 1950 eine Krankheit als meldepflichtig aufführt, liege laut Daniel Böhm, dem Sprecher des dortigen Gesundheitsministeriums, an unterschiedlichen Kriterien. Am 29. Oktober erklärte er in einer E-Mail, dass die maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Gesundheit das Hauptkriterium sei. Dabei gehe es um die Häufigkeit der Verbreitung, die Schwere der Krankheit oder die Infektiosität.
So sei die Grippe, mit der sich jährlich fünf bis 15 Prozent der Bevölkerung anstecke, ein Kandidat dafür. Wegen der "wenig charakteristischen klinischen Symptomatik der Erkrankung" ist eine Meldepflicht laut Böhm aber "schlichtweg nicht durchführbar". Mumps dagegen sei nicht meldepflichtig, weil sie in Österreich nicht relevant genug sei. Das gilt auch für Chlamydien.
Mit anzeigepflichtigen Krankheiten Infizierte können laut Paragraf 7 "abgesondert oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden". Bei einigen Krankheiten reicht demnach auch der Verdacht einer Erkrankung – sofern die Art der Krankheit und das Verhalten der Betroffenen eine Gefahr für die Gesundheit anderer darstellt. Welche Maßnahme verhängt werde, wird laut Böhm je nach Krankheit und Übertragungsweg entschieden.
Böhm betonte in Hinblick auf den Facebook-Post:
Das bestätigen die Erkrankungsstatistiken. In Österreich sind die Fälle der auf Facebook gelisteten Krankheiten im Vergleich zu Covid-19-Erkrankungen sehr gering.
Verfügbare Impfungen
Gegen elf der auf Facebook gelisteten Krankheiten gibt es Impfungen. Das sind vor allem die namentlich anzeigepflichtigen: Hepatitis B, Diphtherie, Keuchhusten, Masern, Mumps. Röteln, Pneumokokken, Meningokokken, Influenza (Grippe), Tuberkulose, Dengue-Fieber, An Aids- und Chlamydien-Impfungen wird zwar geforscht, ein Impfstoff ist aber aktuell nicht verfügbar. Im Fall von Herpes gibt es eine Impfung, allerdings nur gegen die sogenannte Gürtelrose. Gegen Creuzfeldt-Jakob, Gonorrhoe, Scharlach gibt es derzeit keine Impfungen.
In Deutschland gibt es seit März 2020 eine Masern-Impfpflicht für Kinder. In Österreich gibt es keinerlei Impfpflicht. Außer Covid-Impfungen werden aktuell keine Impfungen in Restaurants, Kinos und Clubs kontrolliert.
Gefahren durch Ansteckung
Auch wenn die Zahl er Infektion bei den gelisteten Krankheiten in Österreich und Deutschland im Vergleich zu Covid-19 sehr gering ist, können Erkrankte, die ihre eigene Krankheit nicht bemerken, möglicherweise tatsächlich in Restaurants, Clubs und Kinos gehen. Ob das für die Gesellschaft eine Gefahr ist, kommt auf die Krankheit an. Denn nicht alle sind so einfach übertragbar wie Covid-19.
Die vor allem sexuell übertragbaren Krankheiten Aids, Gonorrhoe, Hepatitis, Chlamydien und die über Lebensmittel übertragene Krankheit Creutzfeldt-Jakob sind überhaupt nicht über die Luft und nur sehr unwahrscheinlich bei alltagsüblichen Kontakten in der Öffentlichkeit übertragbar. Eine Ansteckungsgefahr durch Infizierte in einem Restaurant, Kino oder Club besteht in der Regel nicht.
Andere Krankheiten sind zwar leicht übertragbar, aber normalerweise nur für einen kleinen Teil der Gesellschaft gefährlich. So etwa Grippe, Keuchhusten, Röteln und Mumps. Gegen diese gibt es außerdem Impfungen. Auch Herpes und Scharlach können leicht übertragen werden. Eine Impfung gibt es lediglich gegen eine Herpesform, die Gürtelrose.
Auch gefährlichere Krankheiten wie Pneumokokken, Meningitis, Diphtherie, Masern, Dengue-Fieber sind leicht übertragbar, treten aber ebenfalls kaum in der Breite der Gesellschaft auf (auch hier). Gegen diese eher seltenen Krankheiten sowie Tuberkulose, das etwas häufiger auftritt, gibt es Impfungen.
Ebola, das schon seit vielen Jahren nicht mehr in Deutschland aufgetreten ist, wird über Körperkontakt und besonders Körperflüssigkeiten übertragen. Das RKI schließt die Verbreitung von Ebola in der Bevölkerung bei einzelnen Fällen für Deutschland praktisch aus.
Fazit: Die Behauptung, dass Infizierte sich ungeimpft, ungetestet und voll infektiös in Restaurants, Clubs und Kinos aufhalten können, ist irreführend. Mehr als die Hälfte der auf Facebook geteilten Krankheiten sind mit personenbezogenen Daten meldepflichtig. Wird eine Infektion festgestellt, können Behörden je nach Krankheit, ihrer Verbreitungsart und Ansteckungsgefahr die Isolation der Erkrankten anordnen – und haben das in der Vergangenheit auch getan. Viele dieser Krankheiten treten allerdings in Deutschland und Österreich im Vergleich zu Covid-19 nur sehr selten auf und sind oft auch nicht so leicht übertragbar wie Covid-19.