Nein, dieses Video ist nicht aktuell und dieser Polizist nicht wütend auf die Regierung Italiens

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  • Veröffentlicht am 25. Oktober 2021 um 15:05
  • 3 Minuten Lesezeit
  • Von: Saladin SALEM, AFP Deutschland
Hunderte User auf Facebook und Tausende auf Twitter und Telegram haben seit Mitte Oktober ein Video gesehen, das angeblich einen Polizisten aktuell bei Protesten gegen eine Regierungs-Anordnung in Italien zeigen soll. Das Video stammt allerdings aus dem Jahr 2013. Die darin zu sehenden Ereignisse spielten sich am Rande einer Schülerinnen und Schüler-Demonstration angesichts anstehender Wahlen im Land ab.

Hunderte Nutzerinnen und Nutzer haben das vermeintlich aktuelle Protest-Video aus Italien auf Facebook geteilt (hier, hier). Auf Telegram sahen es Hunderttausende (hier, hier) und auf Twitter Tausende (hier).

Die Falschbehauptung: Im Beitrag zum Video heißt es, zu sehen sei der Chef einer italienischen Polizeibrigade, welcher sich empört über eine Anordnung der Regierung zeige. Deshalb weigere er sich, unbewaffnete Menschen anzugreifen oder mit Tränengas zu besprühen. In den Kommentaren findet der angebliche Ungehorsam des Polizisten Zuspruch. In den Twitter-Kommentaren heißt es etwa: "Erste Polizeieinheiten weigern sich gegen Menschen vorzugehen, um den Grünen Rassenpass durchzuschlagen."

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Facebook-Screenshot der Falschbehauptung: 25.10.2021

Eine Bildsuche führte AFP zu einer Veröffentlichung des Videos auf Youtube. Dort wurde der Clip bereits im Jahr 2013 hochgeladen (hier). Aktuell kann dieser damit nicht sein. Am Bildrand dieser Video-Version ist das Logo der italienischen Tageszeitung "Il Fatto Quotidiano" zu erkennen.

Am 15. Februar 2013 berichtete die italienische Tageszeitung zudem in einem Artikel über Proteste, die in der Stadt Bologna stattfanden (hier). Ein eingebettetes Video auf der Seite zeigt ebenfalls den aktuell auf Facebook und Telegram verbreiteten Ausschnitt. Zudem ist dort zu sehen, wie Polizeibeamte mit Gegenständen und Rauchgranaten beworfen werden.

Auch die italienische Tageszeitung "la Repubblica" thematisierte die Proteste in Bologna am 15. Februar 2013 (hier, hier). Anhand der Videoaufnahmen und der Umschreibungen der Medienberichte lässt sich der Ort der Aufnahme zudem eindeutig in der Via Farini 29 in Bologna verorten (hier).

Worum geht es in dem Ausschnitt?

Den Medienberichten zufolge entstanden die Aufnahmen am Rande einer Schülerinnen und Schüler-Demonstration gegen das italienische Bankensystem. Dabei seien Wahlplakate zerstört und die Hauptquartiere zweier italienischer Parteien attackiert worden. Einige Bankniederlassungen und auch die Polizei seien mit Eiern beworfen worden.

Der Wutausbruch eines Polizisten im Video zeigt laut la Repubblica eine Reaktion auf den Angriff der Demonstrierenden. Dieser habe zwischenzeitlich die Beherrschung verloren. Auch "Il Fatto Quotidiano" berichtet, der Beamte habe genug von der Situation gehabt und sei wütend geworden.

Ein Mitarbeiter des AFP-Büros in Rom übersetzte die Reaktion des Beamten. Dieser beschwerte sich demnach: "Ich und meine Männer sind Ziel dieser Attacken." Die Polizisten würden ruhig ihre Arbeit verüben, ruft er weiter. Es sei in Ordnung zu demonstrieren, aber dies müsse respektvoll geschehen. Immer wieder fordert der Beamte die anwesenden Journalisten auf, die Angriffe zu dokumentieren.

Bei dem Wutausbruch im Video handelt es sich daher nicht um eine Reaktion auf Anordnungen der italienischen Regierung, sondern um einen Beamten, der verärgert auf Angriffe von Demonstranten im Jahr 2013 reagierte.

Auch mit der Einführung des sogenannten "Grünen Passes" in Italien, welcher als obligatorischer Nachweis einer Impfung, Genesung oder Testung dient, kann das Video nichts zu tun haben. Dieser ist in dem Land seit dem 15. Oktober Pflicht, wie AFP berichtete.

Fazit: Bei dem Video aus Bologna handelt es sich um Aufnahmen am Rande einer Demonstration im Jahr 2013. Einer der Polizisten vor Ort reagierte dabei wütend auf Demonstranten, die die Beamten mit Eiern bewarfen. Mit einer Befehlsverweigerung angesichts italienischer Regierungsanordnungen hat seine Reaktion nichts zu tun. Auch mit dem im Oktober 2021 in Italien eingeführten Grünen Pass kann das Video nicht in Verbindung gebracht werden.

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