Dieser Bildvergleich hat nichts mit den Anti-AfD-Protesten in Gießen Ende November 2025 zu tun

Die Gründung einer neuen Jugendorganisation der Alternative für Deutschland in Gießen Ende November 2025 wurde von massiven Protesten begleitet. In sozialen Medien kursierten daraufhin Fotos, die einen Vergleich der Protestierenden mit Nationalsozialisten aufstellen: Angebliche Fotos von der Demo in Gießen wurden mit einer historischen Aufnahme von einem Nazi-Aufmarsch am vermeintlich selben Ort gegenübergestellt.   Doch AFP-Recherchen zeigen, dass die Fotos nicht aus Gießen stammen und nichts mit den Protesten – die laut Innenministerium in großen Teilen friedlich verliefen – zu tun haben.

"1933 oder 2025: Der Fehler ist derselbe!", lautet eine Instagram-Beschreibung am 1. Dezember 2025. "Ob braune Uniform oder anonyme Gruppe in Gießen, die Logik ist identisch: Zwang, Gehorsam, Gewalt." Dazu wird ein Bild geteilt, das aus zwei zusammengeschnittenen Fotos besteht. Die obere Hälfte zeigt ein schwarz-weißes Foto, das laut Überschrift von 1933 stammen soll und zeigt, wie uniformierte Männer eine mit NS-Fahnen behängte Straße entlang marschieren. Die untere Hälfte besteht aus einem farbigen Foto, das angeblich von 2025 stammt und eine schwarzgekleidete, vermummte Menschenmenge zeigt. Laut Überschrift sei Gießen Schauplatz beider Ereignisse gewesen. In der hessischen Stadt fanden Proteste gegen die Gründung der Jugendorganisation Generation Deutschland Partei Alternative für Deutschland (AfD) am 29. und 30. November 2025 statt. 

Die Behauptung kursierte zudem auf FacebookX und Tiktok.

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Instagram-, Tiktok- und Facebook-Screenshots der Behauptung, rote Kreuze von AFP hinzugefügt: 4. Dezember 2025

Doch diese Darstellung ist inkorrekt.

Keines der Fotos stammt aus Gießen

Eine umgekehrte Bildsuche beider Fotos ergab, dass keines davon aus Gießen oder aus 2025 stammt. 

Das angeblich aus 2025 stammende Foto wurde tatsächlich in Berlin am 1. Mai 2013 aufgenommen. Es zeigt eine sogenannte Revolutionäre Mai-Demonstration, bei der es laut Medienberichten in der Vergangenheit auch zu Gewaltausbrüchen gekommen sei. Die Polizei sprach laut Berichten von 6000 Demonstrierenden, einige davon seien vermummt gewesen und hätten mit Steinen und Flaschen geworfen. Wie das Faktencheck-Team der dpa am 1. Dezember 2025 berichtete, nahm der Fotograf Michael Kappeler das nun im falschen Kontext kursierende Foto für die Nachrichtenagentur dpa auf.

Das schwarz-weiße Foto entstand zwar tatsächlich 1933, jedoch in der niedersächsischen Stadt Northeim. In mehreren Berichten ist nachzulesen, dass der Anlass dafür ein Aufmarsch der NSDAP-Ortsgruppe am 1. Mai 1933 war, bei dem Bürgerinnen und Bürger "vielfach und gerne" Hakenkreuze trugen. Das Foto stammt gemäß mehrerer Beschreibungen aus dem Stadtarchiv in Northeim, wo die NSDAP eine überdurchschnittliche Zustimmung bekam.

Die Fotos stehen also nicht im Zusammenhang mit den Ereignissen in Gießen am Gründungswochenende der AfD-Jugendorganisation.

Was in Gießen wirklich geschah

Der Gründungskongress der Generation Deutschland, der neuen Jugendorganisation der AfD, fand ab 29. November 2025 in Gießen im Bundesland Hessen stattJean-Pascal Hohm, AfD-Landtagsmitglied in Brandenburg, wurde dabei zum Vorsitzenden gewählt. Der Kongress hatte wegen mehrerer Protestaktionen und Blockaden erst mit mehr als zweistündiger Verspätung begonnen. Wie auf mehreren Fotos zu sehen ist, waren viele Demonstrierende – anders als die Beiträge auf sozialen Plattformen suggerieren – nicht vermummt und trugen mitunter bunte Kleidung:

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Tausende protestierten am 29. November 2025 gegen die Gründung der Generation Deutschland (AFP / KIRILL KUDRYAVTSEV)

Die Polizei sprach von 25.000 Demonstrierenden und von "zum allergrößten Teil friedlich" verlaufenen Versammlungen. Vereinzelt sei es zu Flaschen- und Steinwürfen auf Beamtinnen und Beamte gekommen. Das Protestbündnis Widersetzen meldete mehr als 50.000 Demonstrantinnen und Demonstranten. Das Bündnis warf der Polizei seinerseits massiven Einsatz von Gewalt vor.

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Die Polizei versperrte Demonstrierenden den Weg zum Veranstaltungsort des Gründungskongresses der neuen AfD-Jugendorganisation: 29. November 2025 (AFP / SASCHA SCHUERMANN)

Die frühere Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative, war im Frühling 2024 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden. Die Partei trennte sich im Frühjahr von ihr, die Junge Alternative löste sich darauf auf. Die Generation Deutschland ist nun als offizielle Jugendabteilung enger an die AfD angegliedert, was ein Verbot rechtlich schwieriger macht.

Die Gründung der Generation Deutschland stieß erneut die Debatte über ein Verbot der Mutterpartei AfD an. Anfang Mai 2025 hatte der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, wogegen sich die AfD juristisch wehrte. Der Verfassungsschutz legte die Hochstufung zunächst auf Eis und führt die Partei bis auf Weiteres wieder als sogenannten Verdachtsfall. Inhaltlich hält die Behörde aber an ihrer Einschätzung fest.

Der Thüringer Verfassungsschutz sieht auch bei der gegründeten AfD-Jugendorganisation Generation Deutschland Hinweise auf eine rechtsextremistische Gesinnung. Sie sei eher eine "Nachfolgeorganisation" der Jungen Alternative, sagte der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, am 2. Dezember 2025 gegenüber dem RND.

Hohm teilte mit, dass die AfD einen gewissen Alexander Eichwald, ein Mitglied ihrer neuen Jugendorganisation, aus der Partei ausschließen würde. Der bis dahin weitgehend unbekannte Mann hatte beim Gründungskongress der Generation Deutschland eine kontroverse Rede in einem Tonfall gehalten, der am Stil Adolf Hitlers erinnerte.

AFP überprüfte mehrere Behauptungen im Zusammenhang mit Demonstrationen und der AfD.

Fazit: Bilder eines Aufmarschs der NSDAP im Jahr 1933 und einer Demonstration in Berlin im Jahr 2013 wurden online fälschlich mit der Gründung der AfD-Jugendorganisation Generation Deutschland Ende November 2025 in Verbindung gebracht. Doch AFP-Recherchen zeigen, dass die verbreiteten Bilder weder aus Gießen noch von aktuellen Demonstrationen stammen.

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