Polizeipferd überlebte Sturz bei Demos gegen AfD-Jugendorganisation in Gießen
- Veröffentlicht am 9. Dezember 2025 um 16:35
- 5 Minuten Lesezeit
- Von: Johanna LEHN, AFP Deutschland
Große Proteste begleiteten den Gründungskongress der AfD-Jugendorganisation Generation Deutschland am 29. November 2025. Bei der Begleitung dieser Proteste stürzte ein Polizeipferd eine Böschung hinunter. Online wurden verschiedene Behauptungen über den Gesundheitszustand des Pferdes aufgestellt: Einige Nutzerinnen und Nutzer schrieben, das Pferd wäre schwer verletzt worden, anderen zufolge wäre es gestorben oder hätte eingeschläfert werden müssen. Das Pferd hat sich jedoch laut der Polizei nicht verletzt. Die Klinik, in der das Tier begutachtet wurde, bestätigte diese Auskunft.
"Polizei-Pferd schwer verletzt", schrieb die Tageszeitung "Bild" am 29. November 2025 um 11.44 Uhr im Liveticker zum Gründungskongress der Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD) in Gießen und den Gegenprotesten, die den Kongress begleiteten. "Bei den Protesten stürzte gegen 11.15 Uhr ein Pferd der Bundespolizei eine Böschung am Bahnhof Gießen hinab." Dazu veröffentlichte die Boulevardzeitung ein Bild des am Boden liegenden Polizeipferdes, ein Huf ist in einem umgeknickten Maschendrahtzaun verheddert.
Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer sowie einige AfD-Politikerinnen und -Politiker behaupteten am selben Tag über die Nachricht der "Bild" hinaus, das Pferd habe "tot im Graben" gelegen oder es müsse "wahrscheinlich eingeschläfert werden" und dass der Vorfall "das Ergebnis linksextremistischer Gewalt" sei. Diese Behauptungen kursierten auf X, Facebook, Instagram und Telegram und wurden vor allem von rechtsextremistischen Akteuren verbreitet.
Das Polizeipferd stürzte zwar tatsächlich eine Böschung hinunter, verletzte sich dabei jedoch laut offiziellen Angaben nicht und überlebte den Sturz.
AfD-Jugend gründete sich in Gießen neu
Am 29. November 2025 trafen sich junge AfD-Mitglieder zum Gründungskongress der neuen Jugendorganisation der Partei in Gießen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einigten sich auf dem Gründungskongress auf den neuen Namen "Generation Deutschland" und wählten den brandenburgischen AfD-Landtagsabgeordneten Jean-Pascal Hohm zu ihrem Vorsitzenden.
Die AfD hatte zuvor beschlossen, dass die bisherige Jugendorganisation Junge Alternative im März 2025 aufgelöst werden sollte. Dem war die Einstufung der Jungen Alternative durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch vorausgegangen. Die Generation Deutschland soll enger an die Mutterpartei gebunden werden: Während die Junge Alternative weitgehend unabhängig agierte und eine AfD-Mitgliedschaft keine zwingende Voraussetzung war, müssen Mitglieder der Generation Deutschland nun ein Parteibuch besitzen. Unterdessen hält der Verfassungsschutz die neue AfD-Jugend zunächst für nicht weniger radikal wie die Junge Alternative.
Der Gründungskongress wurde von zahlreichen Gegenprotesten begleitet. Die Polizei sprach von 25.000 Demonstrierenden, laut dem Bündnis Widersetzen, das eine der Demonstrationen angemeldet hatte, seien es 50.000 Teilnehmende gewesen. Mehrheitlich seien die Proteste friedlich verlaufen, hieß es in Medienberichten und seitens des hessischen Innenministeriums. Es seien jedoch auch Polizeibeamtinnen und -beamte sowie Demonstrierende verletzt worden. Nach den Demonstrationen seien laut Gießener Staatsanwaltschaft mehrere Strafanzeigen erstattet worden, zwei davon gegen Polizeibeamte wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Amt.
Ein AfD-Bundestagsabgeordneter berichtete gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, er sei bei den Protesten angegriffen worden. Auch Journalisten wurden von Demonstrierenden bedrängt. Der Gründungskongress startete mit rund zwei Stunden Verspätung, da Protestierende Zufahrtswege blockiert hatten.
Polizei wies Falschbehauptungen zurück
Nahe des Gießener Bahnhofs stürzte bei der Begleitung der Proteste um 11.20 Uhr ein Pferd einer Reiterstaffel der Bundespolizei. Darüber berichteten neben "Bild" auch andere Medien. In vielen der online geteilten Beiträge ist dasselbe Foto zu sehen, das auch "Bild" im Liveticker verwendete.
Etwa eine halbe Stunde nach dem Vorfall veröffentlichte das Boulevardmedium um 11.44 Uhr das Foto und berichtete, das Pferd hätte sich verletzt. Am Nachmittag postete die Bundespolizei einen Beitrag auf X und erklärte, dass ein Dienstpferd "ohne Fremdeinwirkung gestürzt" sei. "Sowohl Reiterin als auch Dienstpferd sind nicht verletzt." Zudem appellierte die Bundespolizei: "Wir bitten darum, die Verbreitung von Falschinformationen zu unterlassen."
Schließlich äußerte sich die Bundespolizei am 3. Dezember 2025 noch einmal auf X und in einer Pressemitteilung zu den Falschbehauptungen: Das Pferd namens "Navaro" und die Reiterin seien "weiterhin unverletzt". Dazu postete die Bundespolizei zwei Fotos des Dienstpferdes auf einer Koppel und ergänzte: "Abweichendes Bild- oder Videomaterial wird ausdrücklich als gänzlich unzutreffend zurückgewiesen."
Ob in dem Post der Polizei tatsächlich dasselbe Pferd zu sehen ist, konnte AFP nicht unabhängig überprüfen. Auch das Medium t-online sowie die "Märkische Allgemeine Zeitung", in deren Verbreitungsgebiet die Reiterstaffel des Polizeipferdes in Stahnsdorf bei Berlin angesiedelt ist, berichteten über die Bilder. AFP fand mithilfe einer Stichwortsuche zudem ein Video eines Fotografen, der die Demo begleitete. Darin ist zu sehen, wie sich das Pferd nach einiger Zeit wieder aufrichtet.
Klinik bestätigte, das Polizeipferd behandelt zu haben
Obwohl das Pferd unverletzt geblieben sei, sei es "dennoch umgehend einem Tierarzt in einer nahegelegenen Tierklinik vorgestellt" worden, erklärte die Bundespolizei in ihrer Pressemitteilung. Der Sturz habe sich in der Straße Margaretenhütte nahe des Bahnhofs ereignet. In der Nähe befindet sich die Pferdeklinik der Justus-Liebig-Universität Gießen. Auf AFP-Anfrage erklärte eine Sprecherin der Universität am 5. Dezember 2025: "Die Pferdeklinik der Justus-Liebig-Universität Gießen hat das Pferd behandelt." Für Details zum Gesundheitszustand des Pferdes verwies sie auf die Pressemitteilung der Bundespolizei.
Zu dem Vorfall äußerte sich auch Peta. In einer Pressemitteilung vom 1. Dezember 2025 forderte die deutsche Tierrechtsorganisation "ein Ende des Missbrauchs von Tieren durch die Polizei". In der Mitteilung zeichnete Peta die Auskunft der Polizei und die Medienberichte nach, von schweren Verletzungen oder gar dem Tod des Tieres ist nicht die Rede.
In manchen Beiträgen gehen Nutzerinnen und Nutzer zusätzlich auf den Zaun ein, der am Boden liegt und in den sich das Pferd mit einem Huf verhedderte. Das Tier hätte "offenbar einen Zaun mitgerissen", hieß es beispielsweise in einem Kommentar auf X. Wie die dpa jedoch erklärte, liegt der Zaun bereits in Google Street View-Aufnahmen von 2022 auf dem Boden.
AFP verglich das Bild auf Google Street View mit dem Foto von "Bild", das in den online geteilten Beiträgen verbreitet wird. Identische Elemente wie Schilder am Rand des Parkplatzes im Hintergrund, eine Leitplanke und alte Bahnschienen bestätigen, dass der Zaun nicht erst durch das Pferd heruntergerissen wurde.
Rund um den Sturz des Pferdes wurden auch einige offensichtlich KI-generierte Videos verbreitet, unter anderem von der Rechtsextremistin Marla Svenja Liebich. Darin wurde dem Pferd eine Stimme verliehen und es sagt beispielsweise, dass es ihm gut gehe oder es fordert ein Verbot der linken Antifaschistischen Aktion.
AFP überprüfte eine weitere Falschbehauptung zu den Protesten gegen den Gründungskongress der AfD-Jugendorganisation.
Fazit: Bei Demonstrationen gegen die Gründung der neuen AfD-Jugend Generation Deutschland am 29. November 2025 stürzte ein Polizeipferd eine Böschung hinunter. Schwer verletzt oder gar getötet wurde es dabei jedoch nicht, wie die Polizei erklärte. Die Pferdeklinik der Justus-Liebig-Universität Gießen erklärte, das Pferd behandelt zu haben und verwies zu seinem Gesundheitszustand auf die Schilderung der Polizei.
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