Stauseen, Sozialversicherung, Wohnraum: Desinformation zu Franco kursiert 50 Jahre nach seinem Tod
- Veröffentlicht am 21. November 2025 um 16:59
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: AFP Spanien
- Übersetzung und Adaptierung: AFP Deutschland
Copyright © AFP 2017-2025. Für die kommerzielle Nutzung dieses Inhalts ist ein Abonnement erforderlich. Klicken Sie hier für weitere Informationen.
Spaniens Diktator Franco soll für einige Errungenschaften des Landes verantwortlich sein, wird zu seinem 50. Todestag online verbreitet. Die Bandbreite reicht von Infrastruktur über Sozialpolitik hin zu bezahlbarem Wohnen. Der Wahrheit entsprechen diese Behauptungen jedoch nicht ganz.
Zum 50. Todestag von Spaniens Diktator Francisco Franco wird das Internet regelrecht mit Falschinformationen geflutet. Darin werden dem brutalen Langzeitherrscher soziale Errungenschaften zugeschrieben, die zu nostalgischer Verklärung führen – aber nicht wirklich stimmen. AFP prüft die vermeintlichen Leistungen des Generals, die in Online-Netzwerken unter dem irreführenden Slogan "Unter Franco war alles besser" verklärt werden.
Nicht alle Stauseen und Dämme von Franco gebaut
Viele Spanierinnen und Spanier schreiben den Bau der Wasserinfrastruktur des Landes fast ausschließlich dem Diktator zu, der von 1939 bis zu seinem Tod am 20. November 1975 mit harter Hand regierte. Die Erzählung über diese angebliche Bauleistung Francos "verbreitet sich leicht, weil es sich um einen weit verbreiteten Mythos handelt, über den große Unwissenheit herrscht", sagt Jordi Rodríguez Virgili, Professor für politische Kommunikation an der Universität von Navarra. "Es steckt etwas Wahres in der Aussage – das ist wichtig für das Entstehen von Desinformation. Aber er hat nicht alle Dämme gebaut."
Ein Generalplan für Bewässerungskanäle und Stauseen existierte in Spanien bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Und ein anderer Diktator, Miguel Primo de Rivera (1923–1930), schuf die Wasserbehörden, die noch heute bestehen. Die Geschichtsdozentin Matilde Eiroa San Francisco verweist zudem darauf, dass der Bau mehrerer Dämme und Stauseen unter Franco viele Dörfer überflutete und politische Gefangene dabei als Arbeitskräfte eingesetzt wurden.
Sozialpolitische Maßnahmen gab es bereits vor Franco
"Unter Francos Führung etablierte Spanien 1942 ein solides Sozialversicherungssystem, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Renten garantierte", heißt es in einem in Online-Netzwerken vielfach verbreiteten Beitrag, der so aber nicht stimmt: Die ersten Maßnahmen zum sozialen Schutz in Spanien gab es bereits im Jahr 1900 mit dem Gesetz über Arbeitsunfälle, wie der Generalsekretär des spanischen Verbands für Arbeitsrecht und Sozialversicherung, Daniel Pérez del Prado erklärt.
Nach und nach entwickelten verschiedene Berufsstände spezifische Schutzmechanismen. Die Arbeiterrente (1919), die obligatorische Mutterschaftsversicherung (1923) und die obligatorische Arbeitslosenversicherung (1931) existierten bereits vor Francos Machtübernahme nach dem von ihm gewonnenen Bürgerkrieg, in dem zwischen 1936 und 1939 hunderttausende Menschen getötet wurden.
1963 wurden diese einzelnen Absicherungen unter Franco unter dem Namen Sozialversicherung zusammengefasst. 1978 – zu diesem Zeitpunkt war Spanien nach Francos Tod schon eine Demokratie – wurde die erste große Reform umgesetzt.
Auch bezahlter Urlaub wurde in Spanien bereits vor der Franco-Diktatur eingeführt, 1918 erhielten Arbeitnehmerinnen und -nehmer erstmals freie Tage. 1931 wurden sieben Tage bezahlter Urlaub pro Jahr eingeführt. Diese Zahl wurde 1976 – also auch nach Franco – auf 21 Tage erhöht.
Falschinfos kursieren auch zu Wohnraum
Spanien kämpft seit Jahren mit einer schweren Wohnungskrise, das Thema bezahlbarer Wohnraum ist allgegenwärtig. Und es steht auch im Zentrum der Fehlinformationen und unvollständigen Darstellungen, die über die Franco-Ära kursieren. Eine weit verbreitete Behauptung besagt, dass unter dem Diktator vier Millionen Sozialwohnungen gebaut worden seien – im Gegensatz zur sozialistischen Regierung von Pedro Sánchez, der seit Amtsantritt 2018 keine einzige gebaut habe.
Unter der Diktatur galt jedoch jedes Gebäude, das aus welchen Gründen auch immer Bauzuschüsse erhielt, als Sozialwohnung. Und es gab keine Anspruchsvoraussetzungen: "Man musste damals kein Einkommen unterhalb einer bestimmten Grenze haben", erklärt Alfonso Fernández Carbajal, Wirtschaftsprofessor an der Universität Oviedo. Seinen Berechnungen zufolge wurden zwischen 1943 und 1975 zwar offiziell 3,4 Millionen Sozialwohnungen gebaut, davon aber nur 735.400 für Menschen mit niedrigem Einkommen.
Es sei sehr schwer, die Politik zweier total gegensätzlicher Systeme wie Diktatur und Demokratie zu vergleichen, warnt der Professor. Er weist darauf hin, dass seit dem Regierungsantritt von Sánchez 66.723 Wohnungen als "schutzbedürftig" erklärt wurden und deshalb einer Mietpreisbindung unterliegen. Außerdem liege die Wohnungspolitik in Spanien heutzutage weitgehend in der Zuständigkeit der Regionen: Diese haben im dezentralisierten System des modernen Spaniens deutlich mehr Freiheiten als unter Francos eisernem Griff auf das gesamte Land.