Nein, 14 Länder haben keinen Vertrag mit dem Weltwirtschaftsforum zum Verbot natürlicher Fortpflanzung unterzeichnet

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat keine Autorität über Regierungen. Ende März 2025 verbreiteten jedoch Nutzerinnen und Nutzer in sozialen Medien die Behauptung, dass 14 Länder einen Vertrag mit dem WEF unterzeichnet hätten, der natürliche Fortpflanzung bis 2030 verbieten soll. Diese falsche Behauptung stammt von einer Website, die bereits mehrfach Fehlinformationen verbreitet hat. Das WEF erklärte, die Aussage sei "völlig falsch und entbehre jeglicher Grundlage". Auf der Website des Forums finden sich keine Informationen über einen Vertrag, der natürliche Fortpflanzung verbietet. 

"14 Nationen unterzeichnen WEF-Vertrag zum Verbot natürlicher Fortpflanzung", heißt es in einem Facebook-Beitrag vom 26. März 2025. Dazu ist eine Collage zu sehen, die den Präsidenten des WEF, Klaus Schwab, sowie scheinbar dutzende Brutkäste zeigt. Auch auf Telegram wurde die Behauptung vielfach geteilt. In zahlreichen Beiträgen wurde auf Artikel der Websites The People's Voice und Pravda zu dem Thema verlinkt. "Vierzehn Nationen, die alle dem Weltwirtschaftsforum angehören, haben gerade einen Vertrag unterzeichnet, um zu entscheiden, wer sich bis 2030 fortpflanzen darf – ihre Frist für die Umgestaltung der Menschheit", heißt es darin gleichlautend.

Die Behauptung kursierte auch in anderen Sprachen wie Bulgarisch, Französisch, Rumänisch oder Englisch.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 10. April 2025

Die internationale Organisation WEF veranstaltet einen jährlichen Gipfel in Davos in der Schweiz, bei dem zahlreiche Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik zusammenkommen. Zudem fördert das WEF Forschung und Zusammenarbeit verschiedener Akteurinnen und Akteure – etwa zu Umweltthemen. Die Organisation und ihr Gründer Klaus Schwab sind immer wieder Ziel von Verschwörungserzählungen und Falschbehauptungen. Auch die Aussage, dass 14 Nationen mit dem WEF einen Vertrag zum Verbot natürlicher Fortpflanzung unterzeichnet hätten, ist falsch.

Behauptungen stammen von einer Website, die Falschinformationen verbreitet 

Die geteilten Beiträge kopieren meist Teile des Artikels, der am 24. März 2025 auf der Website The People's Voice veröffentlicht wurde. Hierbei handelt es sich um eine Website, die von AFP bereits mehrfach wegen der Verbreitung von Falschinformationen überprüft wurde. Der Artikel enthält zahlreiche Behauptungen, wonach das WEF angeblich kontrollieren wolle, wie Menschen Kinder bekommen und wie viele. Es werden jedoch keinerlei Informationen darüber geliefert, wann ein solcher Vertrag unterzeichnet wurde oder von wem.

Der Artikel enthält ein 18-minütiges Video, das auf Rumble hochgeladen wurde und die im Text enthaltenen Behauptungen wiederholt. Im ersten Standbild ist ein angeblicher Screenshot eines X-Posts vom WEF zu sehen, in dem es heißt: "Unlicensed pregnancies must become illegal" (zu Deutsch "Nicht genehmigte Schwangerschaften müssen illegal werden"). Eine Stichwortsuche auf dem X-Profil von WEF ergab jedoch keine Beiträge, in denen das Wort "pregnancies" (Schwangerschaften) vorkommt.

Aussage ist laut WEF "völlig falsch" 

Auf AFP-Anfrage wies die Presseabteilung des WEF die Behauptung zurück und erklärte, sie sei "völlig falsch und entbehre jeder Grundlage". Das WEF habe "keine Initiative, keinen Vertrag und keine Position zur Abschaffung natürlicher Fortpflanzung oder zur Ersetzung menschlicher Reproduktion durch künstliche Methoden vorgeschlagen, unterstützt oder gefördert", hieß es in einer E-Mail an AFP 2. April 2025.

Eine erweiterte Stichwortsuche auf der Website des WEF ergab keine Ergebnisse zu einem Vertrag, der von 14 Ländern unterzeichnet wurde und die natürliche Fortpflanzung verbietet. Auch in seriösen Medien fand AFP keine entsprechenden Artikel.

Obwohl einige Expertinnen und Experten an der Forschung einer künstlichen Gebärmutter arbeiten, um Frühgeborenen zu helfen, steht diese Forschung in keinem Zusammenhang mit dem WEF, das in diesem Bereich nichts vorgeschlagen hat. Darüber hinaus ist das WEF eine unabhängige, nichtstaatliche Stiftung. Es hat daher keine rechtliche Zuständigkeit, um ein Verbot der natürlichen Fortpflanzung zu erlassen oder Gesetze zu schaffen.

Künstliche Gebärmutter ist noch Science-Fiction

In sozialen Medien wird behauptet, die "Waffe", die das WEF einsetzen wolle, um natürliche Fortpflanzung zu verbieten, sei eine "künstliche Gebärmutter", mit der "Babys in sterilen Labors konstruiert und in seelenlosen Maschinen aufgezogen" werden könnten. Sowohl die Beiträge als auch der Artikel von The People's Voice, auf dem sie basieren, zeigen Bilder, die scheinbar eine Art Gebärmutter-Farm darstellen.

Diese Bilder stammen jedoch aus einer konzeptionellen Animation, die vom Berliner Wissenschaftskommunikator Hashem Al-Ghaili erstellt wurde. Ziel war es, Fortschritte in der Reproduktionsmedizin und -technologie aufzuzeigen – nicht eine reale Einrichtung –, wie AFP im Januar 2023 erklärte. Als AFP im Jahr 2023 falsche Behauptungen über dieses Video widerlegte, erklärten Fachleute, dass die vollständige Entwicklung von Babys außerhalb des menschlichen Körpers weiterhin Science-Fiction sei. Die damalige Forschung konzentrierte sich ausschließlich auf die Unterstützung extrem frühgeborener Babys.

Die aktuellste Studie, die AFP zum Thema künstliche Gebärmutter fand, stammt vom November 2024 und wurde von Jennifer L. Cohen, Assistenzprofessorin für Pädiatrie an der US-amerikanischen Duke University, geleitet. Sie basiert auf einem bestehenden Modell künstlicher Gebärmütter und analysiert, ob durch deren Einsatz "Veränderungen in der RNA- und Genexpression" auftreten. Verwendet wurde ein Modell mit dem Namen Extend (Extrauterine Environment for Neonatal Development) an einem Lamm. In dem Artikel erklärte Jennifer L. Cohen jedoch, dass dieses Modell nicht dazu gedacht sei, eine nicht lebensfähige Schwangerschaft lebensfähig zu machen, sondern sehr früh geborenen Babys helfen soll, mit weniger Komplikationen zu überleben.

"Die meisten Forschenden gehen derzeit davon aus, dass der Einsatz dieser Technologie im frühen ersten Trimester – also dem Zeitraum, in dem die meisten Abtreibungen stattfinden – unmöglich ist", heißt es in einem Artikel vom März 2024 in der Zeitschrift American Scientists, der sich mit künstlichen Gebärmüttern und klinischen Studien am Menschen befasst. Zu den Autorinnen zählt Louise P. King, Assistenzprofessorin für Gynäkologie und Reproduktionsbiologie an der Harvard Medical School.

Falsch dargestellte Studie aus dem Jahr 2023

Laut dem Artikel von The People's Voice habe der Entwicklungsbiologe Katsuhiko Hayashi von den Universitäten Osaka und Kyushu in Japan einen wissenschaftlichen Durchbruch erzielt, der es ermögliche, natürliche Fortpflanzung zu umgehen. Die Webseite beruft sich auf eine Studie aus dem Jahr 2023, in der beschrieben wird, wie aus Hautzellen eines männlichen Mausmodells Eizellen erzeugt wurden. Diese Eizellen wurden dann mit dem Sperma eines anderen Männchens befruchtet und in die Gebärmutter einer Leihmutter übertragen. Das Ergebnis waren sieben Mäuse mit zwei Vätern. Fachleute erklärten jedoch, dass es noch ein weiter Weg sei, bevor diese Technologie beim Menschen angewendet werden könne. Hindernisse seien unter anderem die niedrige Erfolgsrate, ethische Bedenken und Fragen zur praktischen Umsetzung.

Als eine sehr ähnliche Behauptung im Juli 2023 verbreitet wurde, sagte Katsuhiko Hayashi gegenüber AFP, dass es noch ein weiter Weg sei, bis die Befruchtung von Eizellen beim Menschen getestet werden könne: "Nicht nur mein Labor, sondern mehrere Labore weltweit und auch Wissenschaft und Industrie versuchen, menschliche Eizellen und Spermien zu erzeugen. Aber das ist nicht einfach. Es wird lange dauern – etwa zehn Jahre –, bis Eizellen erzeugt werden können, die für eine Befruchtung getestet werden können." Er erklärte gegenüber AFP im Juli 2023 außerdem, dass die Forschung an künstlichen Geschlechtszellen technisch gesehen nichts mit einer künstlichen Gebärmutter zu tun habe. Gametogenese, also die Bildung von Geschlechtszellen bei der Fortpflanzung, und die Gebärmutter sind völlig unterschiedliche Systeme.

AFP kontaktierte Hayashi erneut, um aktuelle Informationen über seine Forschung zu erhalten. "Es gibt seit Juli 2023 keinen Fortschritt in der In-vitro-Gametogenese beim Menschen in meinem Labor", teilte er AFP in einer E-Mail vom 9. April 2025 mit.

Im Artikel von The People's Voice wurde zudem behauptet, das WEF habe die Studie aus dem Jahr 2023 finanziert. Hayashi sagte gegenüber AFP am 9. April 2025: "Ich wurde niemals vom Weltwirtschaftsforum oder einer verbundenen Organisation für irgendeine meiner Arbeiten finanziert." Das WEF wird auch nicht im Abschnitt "Danksagungen" der Studie von 2023 erwähnt. Laut dieser Offenlegung wurde die Studie durch Fördermittel der Japan Society for the Promotion of Science finanziert, deren Haushalt zu 99,5 Prozent aus staatlichen Subventionen besteht. Weitere Stiftungen, die als Förderinnen genannt werden, sind etwa die Takeda Science Foundation und das Open Philanthropy Project.

Fazit: In sozialen Medien hieß es fälschlich, dass 14 Länder einen Vertrag mit dem WEF unterzeichnet hätten, der natürliche Fortpflanzung bis 2030 verbieten soll. Das WEF hat jedoch keine derartigen Befugnisse und erklärte, die Behauptung sei "völlig falsch". Auf der Website des Forums finden sich zudem keine Informationen über einen Vertrag, der natürliche Fortpflanzung verbietet.

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