Kein Zusammenhang zwischen Anschlag in Magdeburg und Ramadan-Beleuchtung in München

Am 20. Dezember 2024 wurde ein Anschlag auf einen Magdeburger Weihnachtsmarkt verübt, bei dem mindestens fünf Menschen getötet wurden. In sozialen Medien kursierten daraufhin zahlreiche Gerüchte und Falschinformationen. Wiederholt wurde ein islamistischer Hintergrund des mutmaßlichen Attentäters angedeutet und die Tat für migrationskritische Botschaften instrumentalisiert. Mit einem Sharepic wird etwa die irreführende Behauptung verbreitet, dass ein Zusammenhang zwischen dem Anschlag in Magdeburg und einer Ramadan-Beleuchtung der Stadt München bestehe. Doch wie öffentliche Quellen belegen, stand die Beleuchtung bereits vor dem Attentat fest.

"Tote in Magdeburg, München beschließt Ramadan-Beleuchtung", heißt es auf einem Sharepic, das seit dem 21. Dezember 2024 vielfach auf Facebook verbreitet wurde. "Islam hofieren, auf alles Deutsche scheissen", kommentierte ein Facebook-Nutzer dazu.

Der Post erschien wenige Stunden nach einem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt, der am Abend des 20. Dezember 2024 verübt wurde: Um 19:02 Uhr fuhr ein Auto in eine Menschenmenge und tötete nach Angaben der Magdeburger Polizei fünf Personen, darunter ein Kind. Über 200 Menschen wurden verletzt, etwa 40 davon schwer. 

Das Sharepic suggeriert einen direkten zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Anschlag in Sachsen-Anhalts Hauptstadt Magdeburg und einem Beschluss in der Bayrischen Hauptstadt München über städtische Beleuchtung zu muslimischen Feiertagen. In dem das Posting die beiden Ereignisse gemeinsam nennt, wird außerdem ein inhaltlicher Zusammenhang nahegelegt.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 23. Dezember 2024

Der mutmaßliche Attentäter des Magdeburger Anschlags ist ein 50-jähriger Arzt aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Deutschland lebte. Taleb A. erhielt im Jahr 2016 einen gesicherten Aufenthaltsstatus als politischer Geflüchteter. Laut Medienberichten war er seit März 2020 als Facharzt für Psychiatrie im Maßregelvollzug Bernburg angestellt. 

Am Freitagabend, 20. Dezember 2024, soll A. mit einem Mietwagen über eine freigehaltene Rettungsgasse auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt und mitten in Gruppen von Weihnachtsmarktbesucherinnen und -besuchern gerast sein. Wenige Minuten nach der Tat wurde er festgenommen. Die Magdeburger Polizei teilte am 22. Dezember 2024 mit, dass der Verdächtige wegen des Vorwurfs des fünffachen Mordes, mehrfach versuchten Mordes und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft sitze.

Wie AFP berichtete, bezeichnete der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, den Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt mit Verweis auf die islamkritische Haltung des Täters als "völlig untypisch". In den vergangenen Jahren wurden Weihnachtsmärkte wiederholt zum Ziel von Anschlägen islamistisch motivierter Täter. Im Jahr 2016 fuhr ein Attentäter mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt des Berliner Breitscheidplatzes und tötete zwölf Menschen. Der mutmaßliche Täter von Magdeburg passe laut Münch jedoch nicht in dieses Raster, da er kein islamistisches Motiv habe. 

Mutmaßlicher Täter nach bisherigen Erkenntnissen kein Islamist

Die online kursierenden Andeutungen, A. habe aus islamistischen Motiven gehandelt, scheinen nach bisherigem Erkenntnisstand somit nicht zuzutreffen. A. war eher als Islamkritiker bekannt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus dem Jahr 2019 sagte A.: "Ich bin der aggressivste Kritiker des Islams in der Geschichte."

In einem BBC-Interview aus dem Jahr 2019 stellte sich A. zudem als Aktivist vor. Demnach betreibe er eine Website, um saudi-arabische Asylsuchende zu unterstützen. Laut eigener Aussage habe er bereits Ende der 1990er-Jahre vom Islam losgesagt und gelte als Oppositioneller des saudi-arabischen Königshauses. Auf seinem mutmaßlichen X-Profil bezeichnete sich A. selbst als "Saudische Militärische Opposition" und schrieb zudem: "Deutschland will Europa islamisieren". 

Der für den Fall zuständige Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens sagte laut WDR am 21. Dezember 2024, der Tatverdächtige habe sich zu seinem Motiv geäußert: "Nach gegenwärtigem Stand sieht es so aus, dass der Hintergrund der Tat (...) Unzufriedenheit im Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen in Deutschland gewesen sein könnte."

Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hatte somit nach aktueller Erkenntnislage keine zugrundeliegenden islamistischen Motive. Demnach ist der im Sharepic suggerierte inhaltliche Zusammenhang zu einer Ramadan-Beleuchtung in München irreführend.

Münchner Beleuchtungspläne wurden am 11. Dezember 2024 beschlossen

In München wurde tatsächlich im Dezember 2024 beschlossen, die städtischen Fassaden künftig anlässlich von muslimischen Feiertagen zu illuminieren. Mithilfe einer erweiterten Websuche fand AFP ausführliche mediale Berichterstattung über diesen Beschluss.

Doch ein zeitlicher Zusammenhang zu dem Attentat in Magdeburg besteht nicht: Der Beschluss wurde bereits am 11. Dezember 2024 getätigt. 

Der Verwaltungs- und Personalausschuss der Stadt München hatte demnach am 13. November 2024 (hier archiviert) unter dem Tagesordnungspunkt 2 "Anti-muslimischen Rassismus bekämpfen –  Demokratie stärken" der Sitzung um 13 Uhr 30 eine jährliche Beleuchtung anlässlich des höchsten muslimischen Feiertags beschlossen. Ziel der Beleuchtung soll es laut Beschlusspapier (hier archiviert) sein, ein "Zeichen der Sichtbarkeit muslimischen Lebens sowie gegen antimuslimischen Rassismus" zu setzen, wie unter Punkt 5 des Beschlusspapiers steht.

Der Muslimrat München bedankte sich in einer Pressemitteilung vom 13. Dezember 2024 mit folgenden Worten: "Die Straßenbeleuchtung zum gesegneten Monat Ramadan weckt das Gefühl der Gleichberechtigung, Akzeptanz und Wertschätzung unserer Religionsgemeinschaft durch die Gesellschaft." Trotz der Freude über den Beschluss äußerte der Muslimrat jedoch auch die Sorge, dass die Beleuchtung hauptsächlich "ein symbolisches Zeichen" sei, "das nicht über die stärker werdende Muslimfeindlichkeit in der Gesellschaft hinwegtäuschen" könne. 

Zahlreiche Falschinformationen nach dem Attentat

Bereits kurz nach der Tat in Magdeburg kursierten zahlreiche Falschinformationen in sozialen Netzwerken. Insbesondere in rechten Kreisen wurde schnell versucht, die Tat politisch zu instrumentalisieren: Der AfD-Politiker Jörg Baumann postete etwa direkt nach der Tat auf seinem X-Profil: "Schreckliche Nachrichten. Es soll 34 Tote geben." Der österreichische Rechtsextremist Martin Sellner veröffentlichte in seinem Telegram-Kanal zahlreiche Posts und Videos über das Attentat, bevor von offizieller Seite validierte Informationen darüber publik wurden. Darin bezeichnete er beispielsweise den Täter als Islamisten.

Nach Amokfahrten, Anschlägen oder schweren Unfällen werden vielfach Falschmeldungen in sozialen Netzwerken verbreitet. AFP hat in der Vergangenheit wiederholt Falschinformationen in Breaking-News-Situationen widerlegt, etwa nach Attentatsversuchen auf Donald Trump. 

Fazit: Entgegen online kursierender Behauptungen gibt es keinen zeitlichen oder inhaltlichen Zusammenhang zwischen dem Attentat auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 und einem Beschluss der Stadt München vom 11. Dezember 2024, im Jahr 2025 städtische Ramadan-Beleuchtung zu organisieren. 

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