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Nein, diese Kindergartengruppe steht nicht unter Polizeischutz
- Veröffentlicht am 7. Februar 2025 um 13:45
- 5 Minuten Lesezeit
- Von: Gundula HAAGE, AFP Deutschland
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Ein mutmaßlich psychisch kranker Mann attackierte am 22. Januar 2025 eine Kindergartengruppe im bayerischen Aschaffenburg mit einem Messer und tötete zwei Menschen, darunter ein zweijähriges Kind. Seitdem brechen Debatten über öffentliche Sicherheit und Migration in Deutschland nicht ab – mitunter kursieren irreführende und falsche Behauptungen zum Thema.
"Kita Gruppe braucht Polizeischutz um einen Ausflug zu machen!", schrieb ein Facebook-Nutzer am 29. Januar 2025. Dazu teilte er ein Foto einer Gruppe von Kindern, die neben einer Polizeibeamtin auf einem Bürgersteig läuft. "Traurig, echt verdammt traurig, wie weit es im ehemaligen GOOD OLD GERMANY gekommen ist", schrieb ein Tiktok-Nutzer, der das Foto mit melancholischer Musik hinterlegt ebenfalls teilte. Im dazugehörigen Text forderte er zudem dazu auf, bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 die AfD zu wählen.
Auf Threads, X und Youtube kursierte das identische Bild mit vergleichbaren Behauptungen. Oft wurde dabei ein Bezug zu dem tödlichen Attentat in Aschaffenburg hergestellt und suggeriert, im Jahr 2025 könnten Kindergartengruppen nur mit Polizeischutz Ausflüge machen. Ein X-Nutzer schrieb etwa am 28. Januar 2025: "Wenn man der Welt das Shithole Germoney mit einem Bild erklären soll! #Aschaffenburg", ein anderer User schrieb am selben Tag: "Kindergarten Ausflug mit Polizeischutz. Der Alltag in der BRD".
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Auch ein AfD-Politiker, der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Miguel Klauß, verbreitete das Foto am 28. Januar 2025 mit irreführender Beschreibung auf Facebook. "Kita Ausflug, Deutschland 2025. Kein Symbolbild", schrieb Klauß dazu. Zahlreiche User unter seinem Post setzten das Bild in Bezug zu dem Attentat in Aschaffenburg und interpretierten es als Beleg für zunehmende Unsicherheit in Deutschland. "Vor 40 Jahren konnte ich ohne Polizeischutz in Kindergarten und Schule gehen – und wurde weder überfahren noch hatte ich ein Messer im Bauch", kommentierte etwa ein Facebook-Nutzer.
Doch das Foto zeigt weder einen Kita-Ausflug unter Polizeischutz, noch können Kindergartengruppen im Jahr 2025 in Deutschland nur noch unter Bewachung Ausflüge unternehmen: Das Foto entstand während eines gewöhnlichen Besuchs einer Kindergartengruppe am 27. Januar 2025 bei einer lokalen Polizeistelle in Bayern, wie die Polizei Unterfranken klarstellte.
Foto stammt von Besuch bei Polizei Obernburg
Am 28. Januar 2025 veröffentlichte die Polizei Unterfranken als Reaktion auf das mit falschen Behauptungen kursierende Foto eine Klarstellung auf ihrem X-Kanal: "Diese Gruppe war zu Besuch auf unserer Dienststelle und durfte sich die Streifenfahrzeuge, unsere Ausrüstung und das Gebäude anschauen", heißt es in dem Post. Demnach handelte es sich dabei um einen Ausflug zur Polizeistelle Obernburg am Main in Unterfranken, wie ihn viele Kindergartengruppen zu lokalen Dienststellen unternehmen.
Auch Verkehrsbildung gehörte dabei zum Programm: "Die Gruppen werden immer zu Fuß am Bahnhof abgeholt und auch wieder dorthin zurück gebracht. Bei dieser Gelegenheit erklären wir gleich die wichtigsten Verkehrsregeln." In dem Post wurde zudem dazu aufgerufen, "weitere Spekulationen zu unterlassen".
Philipp Hümmer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken, bestätigte am 30. Januar 2025 gegenüber AFP, dass das online kursierende Foto während des Besuchs einer Kindergartengruppe am 27. Januar 2025 entstanden sei. Der Name des entsprechenden Kindergartens könne aus datenschutzrechtlichen Gründen jedoch nicht veröffentlicht werden. "Wichtig ist hierbei, dass die Abholung von Kindergartengruppen auch schon vor dem 22. Januar 2025 so durch die Kolleginnen und Kollegen der Obernburger Polizei vorgenommen wurde," erklärte Hümmer per E-Mail. Das Prozedere habe somit keinen Bezug zum Attentat von Aschaffenburg.
Verkehrsbildung bei Spaziergang zwischen Bahnhof und Polizei
Den Standort des online kursierenden Fotos konnte AFP mithilfe einer Geolokalisierung tatsächlich im bayerischen Obernburg bestimmen: Das Bild wurde vor dem Restaurant "Zum Karpfen" in der Mainstraße 8-13 in Obernburg aufgenommen. Wie der Bildvergleich mit einem Screenshot von Google Street View zeigt, ist das Restaurant eindeutig anhand seiner Fassadengestaltung, mehrerer Restaurantschilder und einer auffälligen Laterne identifizierbar:
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Das Restaurant liegt auf dem direkten Weg zwischen der Polizeiinspektion Obernburg am Main und dem Bahnhof Obernburg-Elsenfeld. Der Fußweg, den die Kindergartengruppe demnach am 27. Januar 2025 in Begleitung einer Polizeibeamtin von der Dienststelle zum Bahnhof nahm, lässt sich auf Google Maps nachverfolgen:
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Die Geolokalisierung unterstreicht somit die Wegbeschreibung der Polizei Unterfranken.
Kein allgemeiner Polizeischutz für Kindergartenkinder
Obernburg am Main liegt knapp 20 Kilometer von Aschaffenburg entfernt, wo am 22. Januar 2025 das Attentat verübt wurde. Allgemeine polizeiliche Vorgaben, dass Kindergartengruppen in Deutschland nur noch unter Polizeischutz Ausflüge unternehmen könnten, gibt es jedoch nicht, wie Pressesprecher Hümmer erklärte: "Entsprechende Schutzmaßnahmen werden durch die Polizei stets im Einzelfall geprüft."
Gleichwohl sei die Polizei aktuell in Aschaffenburg besonders präsent, so Hümmer: "Für uns als Polizei ist es in der aktuellen Situation besonders wichtig, für Sie als Bürgerinnen und Bürger da zu sein. Wir werden daher in den kommenden Tagen und Wochen mit einer Vielzahl von Streifen in Aschaffenburg und im Park Schöntal unterwegs sein." Diese vermehrten Polizeistreifen sollen demnach durch ihre Präsenz präventiv für Sicherheit sorgen und zudem als Ansprechpersonen für die Bevölkerung dienen. "Die Stadt Aschaffenburg plant derzeit eine größere Veranstaltung für Kindergärten und Kita zur entsprechenden Aufklärung nach dem Vorfall", fügte Hümmer hinzu.
Fazit: Das Foto einer Kindergruppe in Polizeibegleitung kursierte online mit falschen Behauptungen: Nach Angaben der Polizei war die Kindergartengruppe auf dem Weg zur lokalen Dienststelle in Obernburg und wurde dabei über Verkehrsregeln aufgeklärt. Unter Polizeischutz standen die Kinder nicht.