Keine Beweise für die Wirksamkeit der von Mel Gibson beworbenen Medikamente gegen Krebs
- Veröffentlicht am 24. Januar 2025 um 16:02
- 7 Minuten Lesezeit
- Von: Sofia BARRAGAN, AFP Argentinien
- Übersetzung: Elena CRISAN , AFP Österreich
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"Ich habe drei Freunde", sagte US-Schauspieler Mel Gibson dem konservativen US-amerikanischen Podcaster Joe Rogan im Gespräch: "Alle drei von ihnen hatten Krebs im vierten Stadium. Alle drei haben jetzt überhaupt keinen Krebs mehr." Daraufhin fragte Rogan, was sie genommen hatten. Es gehe um die Substanzen Ivermectin, Fenbendazol, Chlordioxid und Methylenblau, heißt es.
"Die Krebs-Lüge zerbricht!", schrieben Unserinnen und User dazu auf Facebook am 15. Januar 2025 sowie auf Telegram am 12. Januar 2025 und teilten den entsprechenden Clip aus "The Joe Rogen Experience", wo Gibson zu Gast war. Auch die rechte Plattform "AUF1" mit Sitz im österreichischen Linz teilte diese Behauptung am 11. Januar 2025.
Das Video kursierte ebenfalls auf Französisch, Englisch und Spanisch.
Die Statements des Schauspielers beruhen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Expertinnen und Experten widerlegten diese gegenüber AFP.
Ivermectin heilt weder Krebs noch Covid
Ivermectin ist ein antiparasitäres Medikament, das üblicherweise bei Tieren eingesetzt wird. Beim Menschen kann das Medikament gegen Parasiten wie Krätze oder Läuse eingesetzt werden.
Dieses Medikament ist häufig Gegenstand falscher Behauptungen, in denen es als "Wundermittel" dargestellt wird, insbesondere gegen Covid-19.
Ivermectin wurde zu Beginn der Pandemie getestet, um festzustellen, ob dieses Medikament gegen das Virus wirksam sein könnte. Die erzielten Ergebnisse haben jedoch nie seine Wirksamkeit nachgewiesen.
Derzeit werden mehrere Studien durchgeführt, um zu untersuchen, ob die Kombination von Ivermectin mit anderen Behandlungen bei der Bekämpfung bestimmter Krebsarten wirksam sein könnte – wie bereits im Mai 2023 in diesem englischen AFP-Artikel erläutert.
Die Forschung ist noch nicht abgeschlossen und umfasst die Prüfung von Ivermectin in Kombination mit anderen Medikamenten – nicht isoliert.
Ivermectin "wird in keiner Weise zur Behandlung von Krebs eingesetzt", und es gebe keine wissenschaftlichen Belege für seine Wirksamkeit gegen diese Krankheit, sagte Matías Norte von der Abteilung für onkologische Chirurgie des Hospital de Clínicas in Buenos Aires im Gespräch mit AFP am 13. Januar 2025.
"Wir glauben, dass es die Glukosezufuhr unterbinden könnte. Es würde also verhindern, dass Glukose in die Krebszelle gelangt. Aber dies würde in keiner Weise zum Tod der Krebszelle führen", fügte der Spezialist hinzu.
Darüber hinaus gibt die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA an, dass eine Überdosis Ivermectin "Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hypotonie (niedriger Blutdruck), allergische Reaktionen (Juckreiz und Nesselsucht), Schwindel, Ataxie (Gleichgewichtsstörungen), Krampfanfälle, Koma und sogar den Tod verursachen kann" (hier archiviert).
Fenbendazol
Fenbendazol ist ein Antiparasitikum (Wurmmittel), das zur Behandlung von Parasiten bei Tieren eingesetzt wird.
In Studien wurden Fenbendazol sowie andere Medikamente aus derselben Kategorie als potenzielle Krebsbehandlungen untersucht. Es wurden jedoch keine ausreichenden Beweise dafür gefunden, dass sie Krebs beim Menschen heilen können.
"Die Ergebnisse, die bei Krebszellen erzielt wurden, sind vielversprechend. Doch wir stehen erst am Anfang", sagte Sheila Singh, Direktorin des Centre for Discovery in Cancer Research an der kanadischen McMaster University, 2023 gegenüber AFP. "Aber zu behaupten, dass Fenbendazol Krebs heilen könnte, ist einfach nicht wissenschaftlich, da es keine Daten gibt, die diese Behauptung stützen", fügte sie hinzu.
Einige der Mechanismen, die Parasiten antreiben, seien auch in Krebszellen aktiv, erklärte Singh, was Antiparasitika zu einer möglichen Krebsbehandlung mache. Der Weg von präklinischen Beweisen zu einer bewährten Behandlung kann jedoch bis zu 25 Jahre dauern, wie AFP bereits in diesem Faktencheck auf Englisch erklärte.
Matías Norte, Onkologe am Hospital de Clínicas in Buenos Aires, wies seinerseits auch darauf hin, dass ein Medikament "nicht auf einen, zwei oder drei Fälle verallgemeinert werden" könne. Es müsse "eine statistisch repräsentative Stichprobe vorliegen".
Chlordioxid
Chlordioxid ist "ein gelbes bis rötliches Gas oder eine rotbraune Flüssigkeit mit einer Temperatur unter elf Grad Celsius und einem unangenehmen Geruch, der dem von Chlor ähnelt", wie in diesem toxikologischen Datenblatt des US-amerikanischen medizinischen Forschungsinstituts NIH erklärt wird. Laut dem österreichischen Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) wirkt Chlordioxid "ätzend kann und Vergiftungssymptome hervorrufen" (hier archiviert). Tatsächlich handle es sich um eine Natriumchloritlösung, die mit unterschiedlichen Säuren "aktiviert" werden kann, damit gasförmiges Chlordioxid freigesetzt wird.
Chlordioxid wird oft zur Desinfektion von Trinkwasser und als Bleichmittel für Papier eingesetzt.
Im Gegensatz zu Mel Gibsons und Joe Rogans Behauptungen gebe es jedoch keine Studie, die belege, dass Chlordioxid Krebs heilen könne, sagte Onkologe Matías Norte AFP am 13. Januar 2025.
"Es ist ein Antiseptikum, ein Flächendesinfektionsmittel. Wenn man eine Zelle oder Mikrobe auf eine Oberfläche legt und Chlordioxid darüber leitet, stirbt die Zelle natürlich ab. Das bedeutet aber nicht, dass dasselbe auch im Körper passiert", erklärte der Spezialist.
Mehrere Organisationen wie das BASG sowie die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic empfehlen, auf den Konsum von Chlordioxid zu verzichten. Das Mittel ist auch unter der Abkürzung "MMS" bekannt, was auf Englisch für Miracle Mineral Solution steht. Seine Verwendung ist nicht als Medikament zugelassen.
Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt vor schädlichen Wirkungen, die "über ein vertretbares Maß hinausgehen": "MMS enthält Natriumchloritlösung 28 Prozent, MMS2 enthält Calciumhypochlorit 70 Prozent in Kapseln. Beide Produkte werden zusammen mit einer 'Aktivator' -Zitronensäurelösung 10 Prozent zur Trinkwasseraufbereitung in Verkehr gebracht", schreibt das BfArM auf seiner Website.
Die Einnahme von Chlordioxid kann laut der deutschen Verbraucherzentrale zu "Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Nierenversagen, schweren Darmschädigungen und Blutdruckabfall" oder gar zum Tod führen.
Länder wie die Vereinigten Staaten oder Kanada verhängten Strafen gegen den Handel dieser Produkte. Auch in Deutschland machen sich Verkäuferinnen und Verkäufer von Chlordioxid als Heilmittel strafbar.
Methylenblau
Methylenblau oder Methylthioniniumchlorid ist eine chemische Verbindung, die hauptsächlich zur Behandlung von Methämoglobinämie, einer Blutkrankheit, eingesetzt wird. Es wird auch in der Chirurgie als Farbstoff verwendet, um bestimmte Körperteile zu färben. Methylenblau hat antiseptische und heilende Eigenschaften.
Außerhalb des medizinischen Bereichs wird Methylenblau beim Färben von Stoffen oder Papier und in der Chemie als Indikator bei Redoxreaktionen verwendet.
Auf die Frage nach der Verwendung von Methylenblau im Zusammenhang mit Krebs erklärte die klinische Onkologin Victoria Costanzo vom Krebsforschungszentrum FUCA in Buenos Aires in Argentinien, am 14. Januar 2025 gegenüber AFP, dass es "manchmal" in der Krebschirurgie, aber auch "in anderen Bereichen" eingesetzt werde.
Matias Norte lieferte weitere Einzelheiten: "Vor Kurzem haben wir entdeckt, dass Methylenblau bei der Behandlung von grünem Star von Nutzen sein könnte, aber nicht mehr. In Wirklichkeit hat es mehr Toxizität als Nutzen."
Bei der Einnahme von Methylenblau ist mit Nebenwirkungen wie Schwindel, Taubheit, Übelkeit und Hautverfärbungen zu rechnen.
Es gebe keine wissenschaftlichen Belege für die Verwendung von Methylenblau, Fenbendazol, Ivermectin oder Chlordioxid bei der Behandlung von Krebs, sagte Constanzo gegenüber AFP: "Ich würde niemandem empfehlen, und insbesondere nicht Patientinnen und Patienten, bei denen Krebs diagnostiziert wurde, eines dieser Medikamente ohne strenge ärztliche Aufsicht einzunehmen", fügte sie hinzu.
Krebs und Fehlinformationen
Im Jahr 2022 starben weltweit fast zehn Millionen Menschen an Krebs. Krebs ist sowohl in der EU als auch in Deutschland die zweithäufigste Todesursache nach Kreislauferkrankungen.
AFP hat zahlreiche Artikel über Fehlinformationen in Verbindung mit Krebs veröffentlicht. Dazu gehört etwa die Falschbehauptung, dass es einen Zusammenhang zwischen den Corona-Impfungen und schnell wachsenden Tumoren gäbe. Auch den Mythos, dass Zitronen bei einer Krebserkrankung wirksamer seien als eine Chemotherapie, hat AFP widerlegt.
Onkologinnen und Onkologen befürchten, dass die Verbreitung falscher Informationen über Krebsbehandlungen dazu führen könnte, dass Patienten die richtige medizinische Versorgung abbrechen, wie in diesem englischen AFP-Artikel erläutert wird.
Donald Trump ernannte Mel Gibson zusammen mit seinen Schauspielkollegen Sylvester Stallone und Jon Voight am 16. Januar 2025 symbolisch zum "Sonderbotschafter" in Hollywood. Sie sollen als "Augen und Ohren" des neu gewählten US-Präsidenten dienen und Hollywood "wieder größer, besser und stärker machen, als es jemals zuvor war".
Fazit: Ivermectin, Fenbendazol, Chlordioxid und Methylenblau heilen keinen Krebs. Expertinnen und Experten warnen gar vor gesundheitlichen Schäden bei deren Einnahme.