Niederländische Schulen haben keine Insekten auf ihren Speiseplänen
- Veröffentlicht am 5. November 2024 um 11:33
- Aktualisiert am 5. November 2024 um 11:38
- 5 Minuten Lesezeit
- Von: Liesa PAUWELS, AFP Niederlande
- Übersetzung: Johanna LEHN , AFP Deutschland
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"Schulkinder in den Niederlanden werden mit Würmern gefüttert", steht in einem Telegram-Beitrag vom 13. Oktober 2024. "Im Rahmen des Kampfes gegen die globale Erwärmung haben die Schulbehörden die Ernährung der Schüler umgestellt und rotes Fleisch durch Insekten ersetzt." Dazu wurde ein Video geteilt, in dem Schülerinnen und Schüler kleine Insekten probieren. Diese Behauptung wurde auch auf Facebook und anderen Sprachen wie Niederländisch, Bulgarisch und Französisch verbreitet.
Schulen in den Niederlanden haben Insekten jedoch nicht auf ihre Speisepläne gesetzt. Das Video in den Beiträgen ist ein Ausschnitt aus einer Reportage über einen Schulworkshop zu Lebensmitteln außer Fleisch, die Proteine liefern. Dazu gehörten Gemüse und Insekten.
Kinder lernten etwas über Ernährung
In der oberen rechten Ecke des Videos in den Beiträgen ist das Logo des niederländischen Senders RTV Oost zu sehen. Eine Stichwortsuche für "RTV Oost" und "Insekten" führte zu einem Artikel des Senders mit der Überschrift "Mehlwurm steht auf der Speisekarte des Unterrichtsmaterials für hundert Grundschulen in Overijssel" (hier archiviert). Darin ist die gesamte Reportage zu finden. Der Artikel beschreibt, wie Schülerinnen und Schüler der Grundschule Octopus in Zwolle Mehlwürmer und andere Lebensmittel in einer Unterrichtseinheit zu gesundem und nachhaltigem Essen probierten. Die Reportage wurde im Oktober 2022 gedreht und veröffentlicht.
Der Workshop war Teil der Unterrichtseinheit "Geschmacksunterricht", den die Wageningen Universität (WUR) für Schülerinnen und Schüler der siebten und achten Klassen in Grundschulen erstellt hatten. Darin lernten sie mehr über "abenteuerliche Proteine". In den Niederlanden umfasst die Grundschule acht Schuljahre.
Fieke Franken, Teamleiterin des "Smaaklessen" (zu Deutsch: "Geschmacksunterrichts"), erklärte AFP am 21. Oktober 2024, dass der Workshop Teil einer größeren Lehreinheit für Schulen war, um damit "Kindern mehr Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, damit sie gesunde und nachhaltige Entscheidungen später selbst treffen können". Andere Workshops des Projekts behandelten beispielsweise gesunde Ernährung, Lebensmittelproduktion oder Konsumverhalten. Laut Franken würde ihre Organisation "Smaaklessen" landesweit Schulungen zur Ernährungsbildung entwickeln, aber keine Mittagesssen an Schulen anbieten.
Die Schulleiterin der Octopus Grundschule, Ingeborg de Ruiter, erklärte auf Anfrage von AFP am 21. Oktober 2024, dass die Reportage an ihrer Schule gedreht wurde. Sie sei während eines Unterrichtsbesuchs in einer siebten Klasse entstanden, bei dem es sich um eine einmalige pädagogische Einheit gehandelt habe. De Ruiter erklärte, die Kinder hätten Insekten und Bohnen als eine neue, nachhaltigere Proteinquelle probieren können. Die Eltern seien vorher darüber informiert worden.
De Ruiter fügte hinzu, dass "Kinder in den Niederlanden und an der Schule ihre eigenen Snacks, Mittagessen und Getränke mitbringen". Zudem seien die Eltern verantwortlich "für die Ernährung ihrer Kinder". Zwar würden gesunde Lebensmittel wie Obst und Wasser grundsätzlich empfohlen, es gebe aber keine Regeln zu Fleischkonsum oder dessen Alternativen.
Niederländische Schulen bieten nicht immer kostenfreies Mittagessen an, dieses Angebot hängt von den Schulen selbst ab. So können beispielsweise nur Schulen am staatlich subventionierten Essensprogramm teilnehmen, deren Schülerinnen und Schüler zu mindestens 30 Prozent aus einkommensschwachen Familien stammen.
Häufig Desinformation über Insekten als Nahrung
Immer mehr Menschen sehen Insekten als nachhaltige alternative Proteinquelle zu Fleisch an. Während der Nährwert von Insekten mit dem von Fleisch vergleichbar ist, erfordert die Aufzucht von Insekten wesentlich weniger Futter als traditionelle Viehzucht. Außerdem sind die Treibhausgasemissionen für die gleiche Proteinmenge bis zu einhundert Mal geringer.
So wie das Interesse an Insekten als alternative Proteinquelle steigt, so steigt auch die Anzahl an Falschinformationen über dieses Thema. AFP widerlegte bereits frühere Falschbehauptungen über Insekten als Lebensmittel. Die Menschen äußern Bedenken hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit oder sind besorgt, dass Insekten ohne ihr Wissen in Lebensmitteln verarbeitet werden.
In den vergangenen Jahren hat die Europäische Union Insekten nach und nach für den europäischen Markt zugelassen (hier archiviert). Ihre Verwendung ist dennoch streng reguliert (hier archiviert). Beispielsweise müssen sie klar als Insekten aufgeführt und bei der Aufzucht müssen strikte Regularien eingehalten werden. Da sie als neuartige Lebensmittel auf dem EU-Markt gelten, dürfen sie nur in bestimmten Produkten verwendet werden. Je nach Art des Insekts können diese von Keksen bis Fleischersatz variieren.
Gemäß dem Sicherheitsbericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) zu Mehlwürmern verursache ihr Verzehr "keinen ernährungsbedingten Nachteil" und werde "innerhalb der Grenzen der vorgeschlagenen Verwendungszwecke als sicher angesehen". Berichte zu Heuschrecken und Hausgrillen kommen zu dem gleichen Ergebnis. Insekten können jedoch allergische Reaktionen bei Personen auslösen, die gegen Schalentiere und Hausstaubmilben allergisch sind.
Insekten zu essen hat zwar in europäischen Ländern keine Tradition, viele andere Kulturen haben sie aber schon vor tausenden von Jahren in ihre Ernährung aufgenommen. Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge trifft das bereits auf ungefähr zwei Milliarden Menschen zu, hauptsächlich in Afrika, Asien und Lateinamerika. In Mexiko beispielsweise sind Ameisenlarven eine Delikatesse. Auch in Deutschland gibt es erste Firmen, die auf Insektenzucht setzen.
Fazit: Insekten stehen nicht auf den Speiseplänen in niederländischen Schulen. Ein Video, das mit der Falschbehauptung geteilt wird, stammt von 2022 und ist ein Ausschnitt einer Reportage über eine Unterrichtseinheit zu nachhaltiger Ernährung und alternativen Proteinquellen zu Fleisch.