Bürgermeister baut neben Helene Fischers Haus, dort entsteht keine Geflüchtetenunterkunft

Helene Fischer wohnt in einem beschaulichen Ort am Ammersee. Online wird derzeit die Falschinformation verbreitet, in ihrer direkten Nachbarschaft in Inning würde eine Geflüchtetenunterkunft geplant. Neben ihrem Grundstück wird tatsächlich gebaut – jedoch ein Einfamilienhaus. Die zuständige Verwaltung erklärte, in der Gemeinde seien aktuell keine zusätzlichen Gemeinschaftsunterkünfte geplant. Die Posts stellen einen Zusammenhang zu einem öffentlichen Statement der Schlagersängerin her.

"Helene Fischer bekommt neue Nachbarn", heißt es in einem Facebook-Beitrag vom 15. Mai 2024. Darunter ist ein Satellitenbild zu sehen, auf dem das Grundstück der Schlagersängerin und daneben eine angebliche geplante oder im Bau befindliche Unterkunft für Geflüchtete eingezeichnet sind. In einem anderen Post wird ein Youtube-Video geteilt, das die gleiche Botschaft enthält und präzisiert, es würden 62 Wohnungen entstehen. Die Behauptung kursiert auch auf X, Tiktok und Telegram sowie weiteren Youtube-Clips (hier, hier und hier).

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 24. Mai 2024

Dass in Helene Fischers Nachbarschaft eine Unterkunft für Geflüchtete entsteht, ist jedoch falsch. 

Fischer wohnt in der bayerischen Gemeinde Inning am Ammersee, nahe eines Campingplatzes im Ortsteil Buch. Bei der Behauptung, auf dem Grundstück nebenan würde ein Neubau für Geflüchtete entstehen, handele es "sich tatsächlich um eine Desinformation", erklärte Walter Bleimaier (CSU), Bürgermeister von Inning am Ammersee gegenüber AFP. "Das Gerücht entbehrt jeder Grundlage." 

Die Gegend biete sich darüber hinaus nicht für eine solche Unterkunft an. "Der Ortsteil Buch wäre ein denkbar ungünstiger Standort für eine Flüchtlingsunterkunft, weil es dort keinerlei Infrastruktur für den täglichen Bedarf gibt", erklärte Bleimaier in einer E-Mail vom 17. Mai 2024 weiter. In der Gemeinde gebe es seit 2015 im Hauptort Inning eine Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 96 Geflüchtete. Zudem seien Ukrainerinnen und Ukrainer in Privatwohnungen untergebracht.

Keine weitere Unterkunft in Inning geplant

Zuständig für die Gemeinschaftsunterkünfte im Landkreis Starnberg, in dem Inning liegt, ist die Regierung von Oberbayern. Ein Sprecher der Regierung bestätigte in einer E-Mail vom 24. Mai 2024, dass sie in Inning eine von landkreisweit 14 Gemeinschaftsunterkünften betreibt. Zu Plänen über weitere Unterkünfte erklärte der Sprecher: "Die Regierung von Oberbayern plant, die bestehenden Objekte in Berg, Gilching und Weßling zu erweitern."

Auf dem Grundstück, das Gegenstand der Falschbehauptung ist, habe die Regierung von Oberbayern jedoch weder derzeit noch in der Vergangenheit vor, eine Gemeinschaftsunterkunft zu bauen. "Auch sind uns keine entsprechenden Planungen anderer Stellen bekannt." 

Der Landkreis benötigt weitere Plätze für Asylsuchende, wie aus Medienberichten vom Jahresanfang hervorgeht. Diese bestätigen ebenfalls, dass die Gemeinde Inning dafür nicht zur Verfügung steht. Demnach beherberge die Gemeinde bereits mehr Geflüchtete, als sie laut dem Quotensystem des Königsteiner Schlüssels aufnehmen müsse. Im Januar 2024 beschloss der Gemeinderat, die bestehende Unterkunft nicht zu erweitern und hielt fest, dass aktuell auch keine alternative Fläche zur Verfügung gestellt werden könne.

Andere unbebaute Flächen in der Nähe von Fischers Grundstück kommen für eine Unterkunft für Geflüchtete nicht infrage, da sie dem Bayerischen Umweltministerium zufolge im Landschaftsschutzgebiet liegen und zudem Hochwassergefahrenflächen sind, wie das Bayerische Landesamt für Umwelt in einer E-Mail vom 23. Mai 2024 mitteilte.

In Fischers Nachbarschaft entsteht ein Einfamilienhaus

In der Beschreibung eines der Youtube-Videos sind Quellen zur Behauptung angegeben. Eine Quelle bezieht sich auf die Diskussion um die Geflüchtetenunterkunft im Landkreis vom Januar 2024. Ein anderer Bericht suggeriert, es werde gefährlich am Ammersee, da es zu Einbrüchen komme und Unbekannte fremde Kinder ansprächen. Konkrete Fälle werden nicht genannt. Von einer Unterkunft oder 62 Wohnungen in Fischers Nachbarschaft ist jeweils keine Rede.

Die dritte Quelle in der Beschreibung des Videos widerspricht sogar der Behauptung: In einer Bilderserie über einen kuriosen Vorfall auf einem Konzert Fischers wird erwähnt, dass es Bürgermeister Bleimaier sei, der in der Nachbarschaft baue. Der Bauauschuss der Gemeinde habe dem Bau eines Einfamilienhauses zugestimmt. Tatsächlich hat sich laut Ratssystem der Gemeinde der Bauausschuss am 21. Juni 2022 über den Bau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück, das Gegenstand der Behauptung ist, beraten. Im September 2023 berichtete darüber auch "Bild" unter Berufung auf Bleimaier.

In den Posts wird die Falschbehauptung in Zusammenhang mit Fischers öffentlicher Positionierung gegen Rechts im Magazin "Stern" im Januar 2024 gesetzt. "Wie gewünscht, so bekommen", heißt es in einem der Beiträge. Fischer äußerte sich gemeinsam mit anderen Prominenten in einer Titelgeschichte des Magazins zu Rechtsextremismus in Deutschland, nachdem in Reaktion auf ein publik gewordenes Treffen in Potsdam zu Remigrationsplänen deutschlandweit Proteste gegen Rechts stattfanden.

Fazit: Auf einem Nachbargrundstück von Schlagersängerin Helene Fischer in Inning am Ammersee entsteht keine Unterkunft für Geflüchtete. Die zuständige Regierung von Oberbayern plant dort und im Gemeindegebiet keine weitere solche Unterkunft, ein Beschluss des Gemeinderats bestätigt das. Medienberichten zufolge baut der Bürgermeister dort ein Einfamilienhaus.

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