Laut neuem Entwurf des Bundeswaldgesetzes bleibt Spazieren und Radfahren im Wald erlaubt

Das geltende Bundeswaldgesetz von 1975 soll reformiert werden, um der Klimakrise gerecht zu werden. In sozialen Medien kursiert die Behauptung, ein Referentenentwurf sehe vor, Spazieren gehen und Mountainbiking im Wald zu verbieten. Das ist jedoch falsch. Das zuständige Bundeslandwirtschaftsministerium erklärte, dass weiterhin das allgemeine Betretungsrecht gilt. Zudem sei das Gesetz noch in der Abstimmung und Änderungen zu erwarten. Auch Experten bestätigten gegenüber AFP, dass aus dem kursierenden Entwurf kein solches Verbot hervorgehe. 

"Jetzt dreht die #GruenenSekte vollkommen durch. Die #Idioten wollen doch tatsächlich alle #Freizeitbeschäftigungen im Wald verbieten. Was wollen die eigentlich nicht verbieten?", heißt es in einem über 400 Mal geteilten Beitrag auf X. Darunter ist ein Bild von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) zu sehen, zusammen mit der Überschrift "Waldverbot kommt!!". 

Beiträge wie dieser werden auch auf Facebook, Telegram und Reddit verbreitet. 

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Telegram-Screenshot der Behauptung: 26. Februar 2024

Eine umgekehrte Bildsuche führt zu einem Youtube-Video vom 17. Februar 2024, in dem ein Mann erklärt, durch einen aktuellen Referentenentwurf für eine Novellierung des Bundeswaldgesetzes des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) würde das Spazieren gehen und Mountainbiking im Wald verboten. Das Video wurde wenige Tage nach Veröffentlichung bereits 160.000 Mal aufgerufen. 

Der darin erwähnte Referentenentwurf findet sich nicht auf der Website des BMEL. Eine Stichwortsuche führte zu einem Artikel der Website "forstpraxis.de" vom 14. November 2023, in dem ein mutmaßlicher Referentenentwurf des BMEL zu finden ist. 

Darin ist ein solches Verbot allerdings nicht aufgeführt. Im Video wird auf die Paragraphen 29 und 33 eingegangen. Laut Paragraph 29 ist "das Betreten des Waldes auf natur- und gemeinverträgliche Weise zum Zwecke der Erholung" ausdrücklich gestattet. Das betreffe "das fußläufige Begehen, das Fahren mit Krankenfahrstühlen mit und ohne Antrieb sowie alle weiteren Bewegungsformen am Boden ohne Motorantrieb."

Reiten, Kutschfahrten und Radfahren soll "nur auf Straßen und dafür geeigneten Wegen zulässig" sein. Als nicht geeignete Wege definiert der Entwurf "Feinerschließungslinien, wie Rückegassen, Zugänge zu forstlichen und jagdlichen Infrastrukturen, Wildwechsel und Pirschpfade". Die Länder können diese Regelungen "aus wichtigem Grund einschränken". 

Die entsprechende Regelung im derzeit gültigen Bundeswaldgesetz von 1975 ist wesentlich kürzer und erlaubt Spazieren gehen, Radfahren und Reiten "nur auf Straßen und Wegen", schließt dabei aber keine bestimmten Wege aus. Auch hier ist eine Einschränkung bereits durch die Länder möglich

Durch Paragraph 33 des Entwurfs soll darüber hinaus sichergestellt werden, dass Menschen im Wald nicht eigenmächtig neue Wege anlegen und diese beispielsweise in Wander-Apps veröffentlichen. Hier soll die Zustimmung des Waldbesitzers oder der -besitzerin beziehungsweise der zuständigen Behörde nötig sein.

Betreten des Waldes soll erlaubt bleiben

Eine Sprecherin des BMEL erklärte gegenüber AFP in einer E-Mail vom 24. Februar 2024: "Wir brauchen den Wald auch als Ort der Ruhe und Erholung. Deshalb gilt das allgemeine Betretungsrecht, das Menschen grundsätzlich den Zugang zu Wäldern erlaubt – auch zu privaten Wäldern." Das hält das Ministerium auch online fest. Der Sprecherin zufolge sei kein Verbot geplant: "Die Antwort auf die Frage, ob das Spazieren gehen, das Radfahren oder das Reiten mit dem neuen Bundeswaldgesetz im Wald verboten werden soll, lautet entschieden: nein."

Zudem erklärte sie, dass sich der Entwurf des Ministeriums "derzeit in der regierungsinternen Ressortabstimmung" befinde. Danach würden die Bundesländer und Verbände angehört. Anschließend erfolge die Veröffentlichung des Entwurfs sowie die Beratung des Bundeskabinetts darüber. Dementsprechend sei mit zahlreichen Änderungen am Entwurf zu rechnen, bis er im Bundestag diskutiert würde, geschweige denn in Kraft trete. Landwirtschaftsminister Özdemir stellte in einer Rede auf einer Branchenveranstaltung im Oktober 2023 ein Inkrafttreten des Gesetzes für Anfang 2025 in Aussicht.

Zu konkreten Formulierungen aus "geleakten Dokumenten, die in diesem Fall teilweise oder in Auszügen kursieren" äußere sich das BMEL indes nicht, erklärte die Sprecherin. 

Unklarheit in Bezug auf E-Bikes

Ewald Endres, Professor für Forstrecht und Forstpolitik an der Fachhochschule Weihenstephan Triesdorf, erklärte gegenüber AFP in einer E-Mail vom 26. Februar 2024 ebenfalls, dass sich dem Dokument kein derartiges Verbot entnehmen lässt: "Aus dem Referentenentwurf geht in keinster Weise hervor, dass Spazieren gehen und Mountainbiking im Wald verboten werden sollen." 

Das bestätigte Jan Henrik Klement, Professor für Öffentliches Recht an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, in einer E-Mail vom 27. Februar 2024 gegenüber AFP: "Das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung bleibt vielmehr ausdrücklich gestattet, wobei zum 'Betreten' neben dem fußläufigen Begehen auch alle weiteren Bewegungsformen am Boden ohne Motorantrieb gehören. Radfahren gehört also dazu." 

In Bezug auf die Erlaubnis von E-Bikes im Wald sei der Entwurf jedoch unklar. Einerseits heißt es, "Bewegungsformen am Boden ohne Motorantrieb" seien erlaubt, was E-Bikes ausschließen würde. Gleichzeitig erlaubt der Entwurf "das Fahren mit betriebserlaubnisfreien Fahrrädern und sonstigen betriebserlaubnisfreien Fahrzeugen", was E-Bikes wiederum einschließt. Klement zufolge müsse das überarbeitet werden, was so früh im Gesetzgebungsprozess aber "nicht überraschend" sei. 

Die Definition ungeeigneter Wege biete ebenfalls nicht die Möglichkeit, Wege, auf denen das Spazieren gehen und Mountainbiking erlaubt ist, als ungeeignet zu deklarieren "und sozusagen ein Verbot durch die Hintertür einzuführen", erklärte Endres. Damit würden "lediglich die bisherigen im Landesrecht vorhandenen Regelungen" ins Bundesgesetz übernommen. Zudem schaffe es Rechtssicherheit "über die bereits bisher von Verwaltungen und Gerichten geübte Praxis, dass Mountainbiking nur auf Straßen und geeigneten Wegen im Wald stattfinden soll". Sogenanntes Downhill-Mountainbiking wäre Klement zufolge "dann nicht zulässig, wobei man im Einzelfall darüber streiten kann, ob es nach geltendem Recht zulässig ist".

"Der Begriff des geeigneten Weges ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, über deren Auslegung unabhängige staatliche Gerichte wachen", fügte Klement hinzu. "Ein Waldbesitzer kann den Begriff also nicht einfach so definieren, wie er will."

Neuerung des Gesetzes soll Klimakrise Rechnung tragen

Das BMEL will das Bundeswaldgesetz reformieren, weil das Gesetz fast 50 Jahre alt ist. "Es stammt aus einer Zeit, in der es die Klimakrise, wie wir sie heute erleben, noch nicht gab", erklärte die Ministeriumssprecherin. Eine Novelle soll "den Herausforderungen der Klima- und Biodiversitätskrise" Rechnung tragen. Das Ministerium wolle im Wesentlichen "Rahmenbedingungen schaffen, die unsere Wälder erhalten", "den Walderhalt bei Planungsprozessen besser berücksichtigen" und "rechtliche Kernbestimmungen harmonisieren".

Die geplante Gesetzesreform versetzte Medienberichten zufolge auch Forstbesitzerinnen und -besitzer in Aufruhr, da sie beispielsweise bei gesetzeswidrigen Kahlschlägen Geldstrafen oder bis zu ein Jahr Gefängnis vorsieht. Auch Fahrradverbände befürchten Einschränkungen.

Fazit: Der online kursierende Entwurf des neuen Bundeswaldgesetzes soll Spazieren gehen und Mountainbiking im Wald weiterhin erlauben. Ein Verbot hat das federführende Bundeslandwirtschaftsministerium ausgeschlossen. Zudem sei der Gesetzentwurf noch nicht fertig abgestimmt und Änderungen zu erwarten. Auf Grundlage des kursierenden Entwurfs schlossen Experten ein Betretungsverbot ebenfalls aus.  

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