Laut polnischer Polizei waren keine Ukrainer an Schlägerei in Warschau beteiligt

Ende August 2023 kam es in Warschau zu einer Schlägerei. Der Zwischenfall wird online für Desinformation über Menschen aus der Ukraine missbraucht. Angeblich sollen Ukrainer eine Gruppe von Polen verprügelt haben. Die Warschauer Polizei widersprach, unter den identifizierten Personen habe sich kein ukrainischer Staatsbürger befunden.

Eine Aufnahme zeigt, wie am Ufer eines Flusses bei Nacht mehrere junge Männer aufeinander einreden bis schließlich eine Prügelei ausbricht. Einer der Männer hat eine ukrainische Flagge dabei.

Beiträge in sozialen Medien beschreiben die Szene fälschlich als Ukrainer, die den Unabhängigkeitstag der Ukraine feierten und mehrere Polen zusammenschlugen, weil diese sich angeblich weigerten, die Parole "Slava Ukraini!" ("Ruhm der Ukraine!") zu rufen.

Die Behauptung verbreitete sich Ende August 2023 auf Facebook und Twitter, auf Telegram sahen sie Zehntausende. Das rechte Portal "Unser Mitteleuropa" verbreitete die Behauptung ebenfalls. Auch in zahlreichen anderen Sprachen kursierte das Video mit der falschen Zuschreibung, etwa auf Englisch, Polnisch, Russisch, Französisch oder Spanisch genauso wie auf Tschechisch, Bulgarisch oder Finnisch.

Als Quelle nennen viele Beiträge das polnische Medium "WolnośćTV", das am 25. August 2023 über den Vorfall berichtete. "WolnośćTV" hat bereits in der Vergangenheit Falschbehauptungen verbreitet, die AFP überprüft hat. Einer der ersten Accounts, der das Video verbreitete, war der von Zbigniew Stonoga, einem polnischen Geschäftsmann und Blogger.

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Facebook-Screenshot der Behauptung, aufgenommen am 5. September 2023

Am 24. August begeht die Ukraine jedes Jahr ihren Unabhängigkeitstag. Zugleich markiert der Tag dieses Jahr in 2023 eineinhalb Jahre seit Einmarsch russischer Truppen in die Ostukraine. Mit prügelnden Ukrainern hat das verbreitete Video allerdings nichts zu tun.

Polizei dementierte

Als Aufnahmeort und -datum nennen zahlreiche Beiträge die polnische Hauptstadt Warschau am Abend des 24. August 2023. Diese Details passen zu einem Statement des Warschauer Polizeipräsidiums, das dieses am 26. August 2023 auf seiner Website sowie auf X, vormals Twitter, veröffentlichte (hier und hier archiviert). Darin bestätigte die Polizei einen Einsatz am Ufer der Weichsel in der Nacht des 24. auf den 25. August 2023.

Entscheidender Unterschied ist allerdings, dass es sich laut Polizei nicht um ukrainische Männer handelte. "Insgesamt wurden 13 Personen befragt, darunter georgische Staatsbürger, die als Angreifer identifiziert wurden. Unter den identifizierten Personen befanden sich keine ukrainischen Staatsangehörigen." Laut der Polizei sei ein Krankenwagen vor Ort gewesen, es habe aber niemand medizinische Betreuung benötigt.

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Polizeiwebsite mit der Stellungnahme vom 26. August 2023, Screenshot vom 5. September 2023

Stanisław Żaryn ist Staatssekretär und für die polnische Informationssicherheit zuständig. Auch er äußerte sich auf X zu dem Video: "Es zeigt keine Ereignisse, an denen ein ukrainischer Staatsbürger beteiligt war, sondern ein Georgier. Die Polizei hat alle an dem Vorfall Beteiligten identifiziert und führt weitere Maßnahmen durch. Der Fall wird verwendet, um die interne Situations Polen zu destabilisieren und um Polen aufzuhetzen. Es handelt sich um einen Modus Operandi, der mit Russlands Operationen gegen Polen übereinstimmt." Zu seinem Beitrag fügte er einen Ausschnitt des Videos sowie eine Aufnahme des Polizeistatements hinzu.

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Statement von Stanisław Żaryn am 26. August 2023 auf X, Screenshot vom 5. September 2023

Die Bezirksstaatsanwaltschaft von Śródmieście-Północ in Warschau hat außerdem eine Untersuchung zu dem Vorfall eingeleitet, wie ein Sprecher am 7. September 2023 bestätigte: "Nach den vorläufigen Erkenntnissen und den in diesem Fall durchgeführten Verfahrensmaßnahmen, einschließlich der Befragung von Zeugen des Vorfalls und von Polizeibeamten, die an der Intervention am Tatort beteiligt waren, scheint es sich bei den aggressiven Männern, die auf dem in den sozialen Medien veröffentlichten Filmmaterial zu sehen sind, um Bürger der Republik Georgien zu handeln."

Auch polnische Medien (hier, hier) sowie internationale Faktencheckorganisationen (hier, hier) machten auf die Falschinformation aufmerksam und zeigten dabei das aktuell kursierende Video. Eine Bildrückwärtssuche führte AFP zu keinen Veröffentlichungen, die auf einen anderen Kontext der Aufnahme hindeuten würden.

Ähnliche Falschbehauptungen gab es bereits in der Vergangenheit immer wieder, etwa als ein ukrainischer Flüchtling fälschlich mit einem Mord in Polen in Verbindung gebracht wurde oder als die Meldung eines angeblich durch einen Ukrainer getöteten russischsprachigen Teenagers in Euskirchen in Nordrhein-Westfalen erfunden wurde.

Fazit: Ende August 2023 kam es in Warschau zu einer Auseinandersetzung. Laut der Warschauer Polizei war daran allerdings kein ukrainischer Staatsbürger beteiligt. Online hatte sich zuvor die Behauptung verbreitet, dass Ukrainer eine Gruppe an Polen verprügelt hätte, weil diese sich geweigert habe, den Gruß "Slava Ukraini" zu verwenden.

7. September 2023 Statement der Staatsanwaltschaft ergänzt; Detail zur Verbreitung sowie zu medizinischer Versorgung vor Ort hinzugefügt

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