Dieses Video zeigt keinen Protest gegen steigende Strompreise in Italien

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In Italien steigen die Strompreise. Tausende Nutzerinnen und Nutzer haben im September 2022 ein Video eines Protests in Italien geteilt, der sich angeblich gegen hohe Strompreise richtet. Damit hat die Aufnahme allerdings nichts zu tun: Sie stammt aus dem Mai 2019 in Bologna, wo es zu Protesten gegen einen rechtsextremen Politiker kam.

Ein kurzes Video zeigt schwere Auseinandersetzungen zwischen der italienischen Polizei und Demonstrierenden. Auf Twitter teilten Tausende User die Szene als aktuellen Strompreis-Protest, auf Facebook verbreiteten ebenfalls Hunderte das Video. Zehntausende sahen es außerdem auf Telegram. AFP überprüfte bereits auf Französisch und Arabisch kursierende Behauptungen über die Aufnahme.

Die Behauptung: Die Postings beschreiben die Szene als Demonstration gegen die Strompreise in Italien. "Rauchbomben, Schreie und Polizisten, die Frauen mit Schlagstöcken schlagen. Das ist das demokratische Europa, die Proteste in Genua (Italien) gegen die Strompreise und wie sie endeten", heißt es in den Postings.

Facebook-Screenshot der Behauptung: 03.10.2022

Mit zunehmenden Energie- und Lebensmittelpreisen steigt die Befürchtung eines "heißen Herbstes", also gewalttätigen sozialen Unruhen im Herbst in Deutschland. Im Kontext dieser Sorge verbreitet sich das Video, das einen aktuellen Protest gegen Strompreise im italienischen Genua zeigen soll.

Antifaschistische Demo 2019 in Bologna

Die Aufnahmen sind allerdings älter und stammen vom 20. Mai 2019 von einer Demonstration gegen den Besuch von Roberto Fiore in Bologna. Fiore ist Gründer der rechtsextremen Partei Forza Nuova.

Mithilfe einer Bild-Rückwärtssuche in Kombination mit Stichwortsuchen stieß AFP auf ein Video der lokalen Tageszeitung "La Gazzetta di Bologna". Es trägt den Titel "Bologna, Antifaschisten gegen die Kundgebung von Roberto Fiore von Forza Nuova und die Polizei stürmt". Hochgeladen wurde es am 20. Mai 2019 und gibt als Ort den Galvani-Platz im Zentrum von Bologna an.

Die Aufnahme der Zeitung zeigt, wie die Demonstrierenden an der Spitze des Zuges mit einem Transparent mit der Aufschrift "Bologna antifascista" ("Antifaschistisches Bologna") durch eine kleine Straße gehen, bis sie an einer Polizeiabsperrung halten. Die Szene ähnelt der im aktuell geteilten Video. Nachdem Wurfgeschosse abgefeuert wurden und einige Demonstrierende gegen die Absperrung schlugen, drängte die Polizei die Demonstration zurück.

Youtube-Screenshot vom Kanal "Gazzetta di Bologna", aufgenommen: 04.10.2022

Die Ortsangabe im Video von "La Gazzetta di Bologna" erleichtert es, den genauen Ort des auf Facebook geteilten Clips zu finden. Im Hintergrund ist ein Bogengang mit Werbeplakaten zu sehen, wie es sie auch in der Via dell‘Archiginnasio gibt.

Eine weitere Stichwortsuche führt zu einem Video der italienischen Tageszeitung "La Repubblica". Dieselbe Szene der aktuell geteilten Videos ist darin ab Sekunde 41 zu sehen. "La Repubblica" veröffentlichte das Video ebenfalls im Mai 2019 und beschrieb es als Protest gegen Forza Nuova in Bologna.

In der Videobeschreibung heißt es genauer: "Rund Tausend Demonstranten waren auf der Piazza Maggiore in Bologna, um gegen die Anwesenheit des Anführers der Forza Nuova, Roberto Fiore, in der Stadt zu protestieren. Unter dem Ruf 'Faschisten raus aus Bologna' versuchten die Aktivisten, eine Polizeikette von Beamten in Kampfmontur zu durchbrechen." Die Tageszeitung veröffentlichte am 20. Mai 2019 außerdem einen Artikel über die Demonstration.

Proteste in Italien

Zwar war für den 21. September eine Demonstration gegen die steigenden Energiepreise in Genua geplant – und bereits am 18. September, also einen Tag vor der Verbreitung der Behauptung angekündigt worden – doch wie mehrere italienische Medien berichteten, lief die Demonstration ohne Zusammenstöße ab.

Auch anderswo regte sich Protest. In Neapel verschenkten am 29. September Bäckerinnen und Bäcker Brot, um auf ihre Situation angesichts gestiegener Kosten aufmerksam zu machen. Auch hier gab es keine gewalttätigen Ausschreitungen.

Die italienische Regierung stellte bereits mehrere Hilfspakete bereit, um Inflation und Energiepreise abzufedern. Im August verabschiedete der Ministerrat ein Hilfspaket, Mitte September einigte man sich kurz vor den Wahlen am 25. September auf neue 14 Milliarden an Hilfsleistungen. Wirtschafts- und Finanzminister Daniele Franco bezifferte den Umfang der bisherigen Hilfsprogramme auf 52 Milliarden Euro. Mit dem neuen Paket erhöhe sich die Gesamtsumme auf 66 Milliarden Euro.

Fazit: Eine Aufnahme, die angeblich einen Protest gegen die Strompreise in Italien zeigen soll, ist alt. Sie zeigt in Wahrheit eine Demonstration gegen einen rechtsextremen Politiker in Bologna.

Übersetzung:
Inflation