Nein, Putin hat die Amtszeit von Angela Merkel nicht mit der Hitler-Diktatur verglichen
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- Veröffentlicht am 17. November 2020 um 11:37
- Aktualisiert am 17. November 2020 um 13:12
- 3 Minuten Lesezeit
- Von: Jan RUSSEZKI, AFP Deutschland
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Allein diesen Post haben fast Tausend Facebook-Nutzerinnnen und -Nutzer seit dem 5. November geteilt. Er zeigt ein Bild und das falsche Zitat von Putin. Ein zweiter Post verbreitet sich seit dem 9. November bisher 400 Mal. Das Bild zeigt außerdem einen Link zum Telegram-Kanal "ddbradio". Dieser hat fast 7000 Mitglieder. Das vermeintliche Putin-Zitat steht hier bereits seit dem 10. Juli diesen Jahres online.
Putin sagte demnach angeblich folgendes: "Die Deutschen sind unfähig, aus der Geschichte zu lernen. Genauso wie sie 1939 Hitler in den Krieg folgten, so würden sie heute in ihrer Blindheit, Merkel in den Abgrund folgen."
Eine Suche nach der ursprünglichen Veröffentlichung des Zitats liefert noch ältere Beiträge. Eine Bildersuche auf Google zeigt etwa, dass die konservative Politikerin Erika Steinbach das Zitat bereits am 1. April 2018 auf Twitter teilte.
Signatur eines Internet-Trolls
Bereits zwei Tage später, am 3. April 2018, legte das Faktencheck-Portal Mimikama dar, warum das Zitat nicht von Wladimir Putin stammt. In Ihrem Artikel beschreibt die Faktencheck-Plattform eine weitere Version des Fotos. Das Zitat steht darin auf einem schwarzen Hintergrund geschrieben und trägt einen Verweis auf eine aktuell nicht mehr existierende Internetseite mit dem Namen "Zitterate.nett". Außerdem ist eine Signatur lesbar: "In Satira by Uwe Ostertag".
Bei Ostertag handelt sich um einen polizeilich bekannten, selbsternannten Satiriker. Die FAZ hatte ihn bereits in einem Artikel 2014 als "Internet-Troll" bezeichnet – also als jemanden, der im Internet vor allem provozieren und hetzen will. Er wurde wegen gefälschter Zitatbilder laut Medienberichten bereits im Februar 2017 zu einer Haftstrafe von 22 Monaten (Paywall) verurteilt. Auch Volksverhetzung, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen waren demnach Tatbestand der Strafe.
Den tatsächlichen Urheber des falschen Putin-Zitats konnte AFP nicht feststellen. Auf eine Anfrage antwortete Ostertag am 10. November per Email: "Ich habe letzter Zeit ehrlich gesagt schon mehrere solcher Dinger gefunden, welche zwar mit meiner Signatur versehen waren, aber von mir nicht erstellt wurden. Irgendwie versucht jemand mir eine rein zu leiern."
Bildersuchen mit Google und Yandex ergaben, dass es eine ältere Version des Zitats gibt, als die mit Ostertags Signatur. Diese taucht in einem Blog am 29. November 2017 auf. Es ist die älteste Version, die AFP finden konnte.
Auf AFP-Anfrage antwortet Ullrich am 10. November 2020 per Email: "Die Bildtafel wurde nicht von mir erstellt, sie ist ein Screenshot vom November 2017." Sie könne von einer Zitatesammlung im Internet stammen, woher genau, wisse er aber nicht mehr. Ullrich erinnert sich aber: "Den Wortlaut des Zitats kenne ich aus einem anderen Zusammenhang, als Reaktion Putins." In welchem Zusammenhang genau, wisse er aber auch nicht mehr. Das Zitat sei aber aus einer deutschsprachigen Quelle im Oktober, November 2017.
Eine erneute zweisprachige Suche nach Wörtern und Satzteilen aus dem Zitat brachte auch für diese beiden Monate keine relevanten Ergebnisse.
Kreml dementiert das Zitat
Um zu klären, ob Wladimir Putin etwas Ähnliches gesagt haben könnte, hat AFP auch im Kreml nachgefragt. Der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitry Peskov, sagte am 17. November am Telefon: "Die von Ihnen genannte Publikation ist absoluter Unsinn. Alle wichtigen Informationen zu dem Thema können Sie in unseren offiziellen Statements lesen." Das Zitat sei höchstwahrscheinlich eine Fälschung und keiner Aufmerksamkeit wert.
AFP hat auch die offiziellen Statements des Kreml auf Russisch und Deutsch nach den Schlagworten des Zitates auf der Internetseite des russischen Präsidialamtes durchsucht. Dort werden laut Kreml alle gültigen Stellungnahmen des Präsidenten veröffentlicht. Die zweisprachige Suche nach den Begriffen "Merkel", "Hitler" oder "1939" in verschiedenen Konstellationen ergab keine Treffer.
Auch in russischen Medien taucht kein ähnliches Zitat auf. Eine erneute zweisprachige Suche mit der russischen Suchmaschine Yandex nach den Begriffen "Merkel", "Hitler" oder "1939" oder auch verschiedenen Fragmenten des Zitats ergab wieder keine relevanten Treffer.
Fazit: Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Zitat von Putin in dieser Form öffentlich oder gegenüber Medien geäußert wurde. Die russische Regierung dementiert eine solche Aussage ihres Präsidenten. Es gibt keine Medienberichte, die dem widersprechen. Auch der Internetroll Uwe Ostertag dementiert die Gestaltung des Zitat-Bildes. Ebenso die älteste AFP bekannte Quelle, welche zudem keine Belege für die behaupteten Quellen lieferte.