Diese alte RTL-Doku beweist noch immer keinen "Klimaschwindel"

Rund 75.000 Nutzerinnen und Nutzer haben Ende Juli ein altes RTL-Video auf Facebook geteilt, wonach die Erderwärmung nichts mit dem Menschen zu tun habe. Die Klimakrise sei nur Panikmache, heißt es im Beitrag. Die Wissenschaft ist sich jedoch einig: Die Erderwärmung ist echt und der Mensch verursacht sie. Die im Video gebrachten Gegenargumente halten einer Überprüfung nicht stand. 

Rund 75.000 Nutzerinnen und Nutzer haben seit Ende Juli einen Ausschnitt des alten RTL-Beitrags auf Facebook geteilt. Auch auf Telegram sahen ihn Zehntausende (hier, hier). Kernaussage des knapp zehnminütigen Clips: Den Klimawandel haben nicht Menschen verursacht, sondern Sonne oder natürliche Klimaschwankungen. Das versucht das Video mit mehreren Behauptungen zu belegen, die AFP überprüft hat.

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Facebook-Screenshot der Falschbehauptung: 11.08.2021

Das Video der alten RTL-Doku hat sich auf Facebook kurz vor einem neuen Bericht des Weltklimarats (IPCC) Anfang August verbreitet. 234 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen in diesem aktuellen Bericht zu alarmierenden Ergebnissen: Die menschengemachte Klimakrise schreitet schneller voran als lange angenommen, Extremwetterereignisse werden zunehmen (mehr dazu hier, hier, hier).

Die RTL-Doku

2007 hatte der Privatsender RTL die Doku innerhalb seines Formats "RTL Extra" gezeigt. Hauptaussage des rund 40-minütigen Beitrags: Die Theorie der menschengemachten Erderwärmung sei falsch. "Der Klima-Schwindel" betitelte RTL den Beitrag, dabei handelte es sich um eine bearbeitete Fassung der wegen Fehlern zuvor heftig kritisierten britischen Doku "The Great Global Warming Swindle" (hier, hier). 

Der "Stern" schrieb damals nach der RTL-Ausstrahlung: "Sie lieferte keine Enthüllungen, sondern eine Verschwörungstheorie." Drei Jahre später zählte die "Süddeutsche Zeitung" ebenfalls zahlreiche Fehler der Dokumentation auf und fasste zusammen: "Ein RTL-Abend zum Klimawandel will gesellschaftlichen Dialog anstiften, bringt aber vor allem viel Verwirrung. Im Mittelpunkt: Eine britische Dokumentation voller Fehlinformationen." Einen rund zehnminütigen Ausschnitt aus dieser alten RTL-Doku teilen Nutzerinnen und Nutzer aktuell erneut auf Facebook.

AFP hat deshalb noch einmal bei RTL nachgefragt. Eine Sprecherin des Senders schrieb am 6. August: "Es handelte sich um die Abbildung des damaligen Diskurses und nicht eine persönliche Bewertung des Senders." Weiter erklärte sie: "Dabei zu bewerten, welcher Forschungsstand aktuell relevant ist, obliegt der Forschung selbst und nicht uns als Berichterstattern." Das Extra-Spezial habe im Jahr 2007 "weltweit anerkannte Wissenschaftler und Forscher zu den damals aktuellen und provokanten Thesen zu Wort kommen lassen und eine umfassende Einordnung des Diskurses wiedergegeben."

Wer spricht im Video?

Alle im Video auftretenden Experten vertreten mehr oder weniger klimawandelskeptische Positionen. Teilweise stehen sie Lobbyorganisationen nahe (hier, hier, hier), teilweise haben sie Verbindungen zu klimaskeptischen Organisationen (hier, hier). Manche forschten im Klimabereich, andere sind Ökonomen und Journalisten. AFP hat versucht, alle von ihnen zu kontaktieren (bei manchen waren Kontaktdaten nicht auffindbar, ein Forscher verstarb in der Zwischenzeit).

Viele Anfragen blieben bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet. Wer von den RTL-Experten antwortete, bestärkte seine  Positionen aus dem Video. Richard Lindzen (mehr zu ihm hier, hier) kritisierte gegenüber AFP am 10. August den "Klimaalarmismus" und schrieb: "Der Klimawandel ist sicherlich real, aber das Ausmaß, in dem er vom Menschen verursacht wird, ist vernachlässigbar." Die Wissenschaft stimme nicht so deutlich überein, wie von Medien dargestellt. Ähnlich antwortete Nir Shaviv (mehr zu ihm hier, hier) am 11. August: Der Mensch sei für den durchaus existierenden Klimawandel nur zu einem Drittel bis zur Hälfte verantwortlich, der Rest sei mit natürlichen Ursachen wie der Sonne zu erklären. Auch Hans Labohm (mehr zu ihm hier, hier) schrieb am 12. August: Beweise für den Menschen als Verursacher der Erderwärmung seien noch ausständig. "Klimaskeptiker, zu denen auch ich gehöre, sind der Überzeugung, dass der menschliche Einfluss sehr gering ist." Andere auftauchende RTL-Experten sind Augusto Mangini, Wolfgang Thüne, Gerd-Rainer Weber, Piers Corbyn, John Christy, Dirk Maxeiner und Philip Stott. 

Der Mensch und das CO2 – der aktuelle Stand der Forschung

Anfang August 2021 hat der Weltklimarat IPCC seinen neuesten und umfangreichen Bericht zum Zustand des Klimas veröffentlicht. IPCC-Berichte gelten als Zusammenfassung des aktuellen Stands der Wissenschaft zum Thema. Das Fazit des neuesten Berichts: "Es ist eindeutig, dass der Einfluss des Menschen die Atmosphäre, den Ozean und die Landflächen erwärmt hat." Genau diese Rolle des Menschen griff die Doku damals an. Darin heißt es plakativ: "Der Mensch ist nicht schuld!" Oder: "Wir haben überhaupt keinen Einfluss aufs Klima."

Die Wissenschaft ist sich allerdings einig: Das Problem ist die Menge an CO2, die wir Menschen produzieren. Nicht nur der Weltklimarat sieht das so, auch zahlreiche andere renommierte Institutionen auf der ganzen Welt beschreiben die Erderwärmung als menschengemacht. Das bestätigen etwa "Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt" (DLR), die "American Association for the Advancement of Science" (AAAS), die NASA und der WWF. Allein eine Aufstellung des "Office of Planning and Research", ein Forschungsinstitut der kalifornischen Regierung, listet rund 200 Wissenschaftsorganisationen auf der ganzen Welt, die ebenfalls die Auffassung teilen, dass der Klimawandel menschengemacht ist.

Auch von AFP kontaktierte Experten bestätigen das. So erklärte etwa Aiko Voigt, Professor am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien, am 12. August: "Natürliche Antriebsfaktoren spielen praktisch keine Rolle." Stefan Brönnimann vom Geographischen Institut der Universität Bern schrieb am 11. August: "Der Mensch trägt zum überwiegenden Teil zum aktuell ablaufenden Klimawandel bei."

Der IPCC-Report hält unter Einbeziehung aktueller wissenschaftlich geprüfter Studien fest: Schuld ist der Mensch und die Umweltgase, die er freisetzt. Das geschieht etwa beim Verbrennen von Kohle oder Öl. Gleichzeitig holzen wir natürliche CO2-Speicher wie Urwälder ab.

Fazit: Die aktuelle Erderwärmung ist zu einem überwiegenden Teil vom Menschen verursacht.

Die falsche Sonnen-Studie

Die erneut geteilte RTL-Doku brachte damals andere Gründe für die Erderwärmung ins Spiel als das Treibhausgas CO2. "Kohlendioxid hat mit dem Wetter und mit der Temperatur nichts zu tun", heißt es darin. Denn: "Die Sonne steckt hinter dem Klimawandel. CO2 spielt keine Rolle."

 Die längere Version der Doku stellt diesen Zusammenhang zwischen Sonne und Erderwärmung anhand einer widerlegten dänischen Studie aus dem Jahr 1991 her. Diese sagte, dass es eine Korrelation zwischen Temperatur und Sonnenaktivität gebe.

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Screenshot aus der RTL-Doku zum Zusammenhang von Sonnenaktivität und Temperatur: 11.08.2021

Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimaforschung bezeichnete diese Beweisführung anhand der dänischen Studie in einer Reaktion auf die damalige RTL-Ausstrahlung als "altbekannten 'Ladenhüter' der Skeptikerszene". 

Der größte Teil der globalen Erwärmung (in der Grafik blau) habe seit 1980 stattgefunden, während die Sonnenaktivität (in der Grafik orange) nicht zugenommen habe. In der Grafik bricht der orange Graph an dieser Stelle einfach ab. "Eines wissen wir aus zahlreichen Messungen: sie (die Sonnenaktivität) hat sich seit 1940 nicht signifikant verändert", schrieb Rahmstorf und: "Der Zuschauer wird durch Weglassung der entscheidenden Daten getäuscht."

Dazu kommen Fehler in der Studie, die ihr Autor Eigil Friis-Christensen sogar selbst eingeräumt hat. Es gebe eine deutliche "Divergenz" zwischen den Sonnenflecken und den globalen Temperaturen nach 1986, was zeige, dass die derzeitige Erwärmung nicht allein durch die Sonnenaktivität erklärt werden könne, sagt dieser mittlerweile.

"Der Einfluss der Sonne auf das globale Klima ist nachweisbar, aber gering", schrieb Stefan Brönnimann vom Geographischen Institut der Universität Bern an AFP. Auch er bestätigte: "In den vergangenen 30 Jahren hat die Sonnenaktivität abgenommen." Meteorologe Johann Jungclaus vom Max-Planck-Institut sagte 2007 zum "Stern": "Die Messungen mit Satelliten über die letzten 30 Jahre zeigen keinen Trend in der Sonnenaktivität, mit dem man die Erwärmung der Erde erklären kann."

Fazit: Die Sonne ist nicht Haupttreiberin der Erderwärmung. 

Ist der Klimawandel natürlich?

Zudem seien die Veränderungen im globalen Klima nicht neu: Schon in der Steinzeit oder im Mittelalter hätte es laut RTL-Doku immer wieder Phasen gegeben, die besonders warm waren. Dieses Argument dient immer wieder dazu, die aktuelle Erwärmung als normal darzustellen (mehr dazu hier, hier). Auch die AfD macht zieht Klimaschwankungen in ihrem aktuellen Bundestagswahlprogramm als Argument heran. Die RTL-Doku zeigte damals eine scheinbar passende Grafik hierzu, die den Eindruck erweckt: Auch bevor der Mensch industrialisiert in die Umwelt eingriff, waren ähnliche Temperaturen normal.

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Screenshot aus dem aktuell geteilten Video zu Temperaturverläufen der letzten tausend Jahre: 11.08.2021

Die dpa stellte diese Grafik  schon 2019 bereits als irreführend heraus. Die Kurve endet im RTL-Beitrag an einer Stelle, die mittels Pfeil als "Now" gekennzeichnet ist. Zu diesem "Jetzt" ist es kühler als während einer als "mittelalterliche Warmzeit" bezeichneten Phase. Die Grafik endet allerdings nicht wie erwartet zum Ausstrahlungsdatum rund um 2007, sondern circa Mitte der 1970er-Jahre. Danach ist die Temperatur aber weiter angestiegen. Zwei Drittel der Erderwärmung ist laut NASA seit 1975 aufgetreten. Meteorologe Brönnimann schrieb zudem zur mittelalterlichen Warmzeit an AFP: "Die mittelalterliche Wärmephase ist ein eurozentrisches Konzept. Es gab keine global einheitliche, gleichzeitig auftretende Warmphase, wie es heute der Fall ist."

Ursprünglich stammt die Grafik zwar aus einem Bericht des Weltklimarats von 1990. Ein Bulletin der Australischen Meteorologischen und Ozeanographischen Gesellschaft weist allerdings darauf hin, dass der IPCC diese Daten regelmäßig aktualisiert. Diese Daten zeigten mittlerweile klar, dass "das vergangene Jahrhundert für die nördliche Hemisphäre außergewöhnlich warm war und dass die Wärme der letzten Jahrzehnte die der mittelalterlichen Warmzeit in allen Fällen übertrifft."

Meteorologe Voigt schrieb zudem am 12. August an AFP: "Die Erdgeschichte ist gekennzeichnet von Perioden, in denen es deutlich wärmer war als heute. (..) Dies ist aber nicht der entscheidende Punkt. Entscheidend ist vielmehr, dass die Erde heute wärmer ist als in den vergangenen 100,000 Jahren, also auch wärmer als in den im Video genannten Beispielen." Neu sei auch das Tempo: "Das Klima verändert sich extrem schnell, viel schneller als in den letzten paar Tausend Jahren", schrieb auch Meteorologe Brönnimann. Dass vergangene Klimaschwankungen der Erdgeschichte gegen den aktuellen menschlichen Einfluss sprechen würden, sei ein "Bauernfängerargument", schrieb Klimaforscher Rahmstorf bereits 2007.

Fazit: Der aktuelle Klimabericht des IPCC fasst den Forschungsstand so zusammen: "Das Ausmaß der jüngsten Veränderungen im gesamten Klimasystem und der gegenwärtige Zustand vieler Aspekte des Klimasystems sind seit vielen Jahrhunderten bis Jahrtausenden beispiellos." Schwankungen gab es in der Klimageschichte tatsächlich, ein Beweis gegen die menschengemachte Erderwärmung ist das allerdings nicht. Die im RTL-Beitrag gezeigte Grafik unterschlägt entscheidende Daten.

Die Wissenschaft ist sich einig über den Klimawandel

Ein weiteres Argument des Videos lautet, dass sich Forscherinnen und Forscher weltweit nicht so einig über den Klimawandel seien, wie oft dargestellt werde. Auch das ist ein wiederkehrendes Argument von Klimawandelleugnenden (mehr dazu hier, hier). Tatsächlich herrscht über den Klimawandel und den Menschen als Ursache davon ein an Sicherheit grenzender Konsens, wie er für die weltweite Forschung selten ist.

Eine Studie aus dem Fachjournal "Environmental Research Letters" aus dem Jahr 2013 überprüfte etwa 11.944 Arbeiten zwischen 1991 und 2011 zum Thema Erderwärmung. 97 Prozent von ihnen waren sich einig, dass Menschen die Erderwärmung verursachen. Eine weitere Metastudie aus dem selben Journal im Jahr 2016 fasst sogar die verschiedenen Metastudien über Konsens in der Wissenschaft zusammen und hält als Ergebnis einen "Konsens über den Konsens" fest, 90 bis 100 Prozent aller publizierenden Klimaforschenden schließen sich ihm an. Dazu kommen die zu Beginn des Faktenchecks erwähnten Forschenden und Institutionen und der aktuelle Bericht des IPCC. 

"Die Gemeinschaft der Klimaforschenden ist sich einig, dass die Klimakrise real und menschengemacht ist", schrieb auch Voigt an AFP. Meteorologe Brönnimann fügte hinzu: "Selbstverständlich werden Ergebnisse, Methoden und Modelle ständig hinterfragt. Unsicherheiten gibt es hinsichtlich der Wolken oder der Extreme wie beispielsweise Stürme, aber nicht zur Frage des Beitrags des Menschen zur globalen Erwärmung." Diese sei "mit anderen Daten, neueren Modellen und ausgefeilteren Methoden" zigfach nachgewiesen worden.

Von AFP dazu befragt, schrieb ein Sprecher des Weltklimarats IPCC, man habe keine Zeit, um auf "widerlegte Argumente von vor 14 Jahren" zu reagieren und verwies auf seinen eingangs erwähnten aktuellen Bericht, der von 195 Regierungen weltweit vertreten werde.

Fazit: Die Wissenschaftscommunity der Klimaforschenden ist sich einig. Die Erderwärmung gibt es und Menschen verursachen ihn.

Die fragliche Zahl der Eisbären 

Außerdem widmet sich das Video den vom Aussterben bedrohten Eisbären. Laut dem von RTL vorgestellten Experten Dirk Maxeiner gebe es allerdings mehr Eisbären als früher. Er sagt: "Jetzt schaut man sich mal die Zahlen an. 1950 gab es 5.000 Eisbären, heute haben wir 25.000, also fünfmal so viel." RTL fragt: "Also alles eine große Lüge?" Maxeiner antwortet: "Die Eisbären sind wirklich ein klassisches Beispiel für Panikmache. Also insofern ist das ein Beispiel dafür, wie hier schamlos populistisch Panik geschürt wird."

Verlässliche Daten zu Eisbärbeständen gibt es allerdings nur wenige. Noch weniger verlässlich sind sie zu historischen Beständen. Dag Vongraven forscht für die "Polar Bear Specialist Group" (PBSG) und das Norwegische Polarinstitut zu arktischen Tierbeständen. Er schrieb am 5. August an AFP: "Das ist total lächerlich. Es gibt keine Daten, um Berechnungen über die Anzahl der Eisbären im Jahr 1950 zu unterstützen! Wir hatten bis 1993 keine globale Schätzung und auch heute haben wir wenig oder keine Kenntnisse über Eisbären und deren Anzahl in der Hälfte ihres Aufenthaltsgebiets." Die Behauptung im Video nennt er deshalb "totalen Unsinn".

Schätzungen aus den 1950er- und 1960er-Jahren basieren auf Einzelberichten, etwa von Jägern, erklärt das Projekt "Klimafakten" der European Climate Foundation, eine Stiftung, die Reduktion von Treibhausgasen vorantreiben will. 1965 hielt die "Polar Bear Specialist Group" ihre erste Konferenz. Im Konferenzbericht versuchten die verschiedenen Forschungsgruppen die weltweite Eisbärenpopulation zu schätzen. Die kanadische Delegation nannte dazu verschiedene Studien: Eine ging von 5.000 bis 8.000 Bären aus, eine von über 10.000, eine weitere schätzte 17.000 bis 19.000 Tiere. 

Die Zahl 5.000 für die 1950er und 1960er-Jahre gibt es also, sie ist aber das untere Ende der damaligen Schätzungen. Die sowjetische Delegation hielt allerdings schon damals einen starken Rückgang der Bestände seit den vergangenen 50 bis 60 Jahren fest.

Der Konferenzbericht der PBSG aus dem Jahr 1972 revidiert die Zahl bereits: "Allein durch die Zusammenfassung der verschiedenen nationalen Zählungen, die immer noch als ungenau angesehen werden müssen, kommt man zu dem Schluss, dass die Gesamtpopulation der Eisbären auf der Welt wahrscheinlich näher bei 20.000 Tieren liegt als bei den oft angegebenen niedrigeren Zahlen." Der WWF schreibt zur angeblichen Zunahme der Eisbären: "Das ist nicht der Fall."

Tatsächlich sind Eisbären wie oben erwähnt gefährdet. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN führt ihn aktuell und auch zur Zeit des Videos auf seiner roten Liste der bedrohten Tierarten. Ein 2016 im Fachjournal "Biology Letters" erschienener Beitrag schätzt die weltweite Zahl der Bären auf 26.000. Der Klimawandel ist laut dem geologischen Dienst der USA (USGS) auch für den Eisbären ein Problem, vor allem weil er durch die Erderwärmung seinen Lebensraum verliert.

Fazit: Die Behauptung, dass es in den 1950ern fünfmal weniger Eisbären gab als knapp nach der Jahrtausendwende, ist damit irreführend. Ältere Schätzungen waren ungenau. Ein Eisbärenexperte nannte die Aussage "totalen Unsinn". 

Wetterexperiment 

Zuletzt verbindet das Video noch Umweltkatastrophen mit Wetterexperimenten. Es führt die sogenannte "Operation Cumulus" an. Mit der Operation Cumulus wollte die britische Regierung in den 1950er-Jahren tatsächlich die Möglichkeit von Wetterexperimenten, insbesondere von Regenmachern ("Cloud Seeding"), untersuchen. Einige Medien (hier, hier, hier) vermuten einen Zusammenhang zur Hochwasserkatastrophe in Lynmouth, bei der im Jahr 1952 34 Menschen starben. Andere, etwa der Meteorologe und Wettermoderator Philip Eden, führen natürliche Ursachen an: Getroffen sei nicht nur Lynmouth gewesen, sondern die ganze Region, nachdem schon für zwei Tage ein Tiefdruckgebiet in der Gegend stagnierte. Ähnliche Überschwemmungen hätten die Gegend schon zuvor heimgesucht. 

Aber könnten Wetterexperimente hinter der Erderwärmung und Klimakatastrophen der letzten Jahrzehnte stehen? Meteorologe Voigt sagte zu AFP: "Ich sehe keine Anzeichen, dass Extremwetterereignisse auf Wetterexperimente zurückzuführen sein könnten. Ganz im Gegenteil ist es plausibel, dass viele der Extremereignisse durch die Klimakrise zumindest verstärkt wurden." Dass global geheim Chemikalien in die Atmosphäre gebracht werden könnten, schließt auch eine 2016 in der Fachzeitschrift "Environmental Research Letters" veröffentlichte Studie aus: "Wir fanden einen breiten wissenschaftlichen Konsens gegen die Existenz eines geheimen, groß angelegten atmosphärischen Sprühprogramms."

Fazit: Wie bereits gezeigt, ist die Erderwärmung hauptsächlich auf vom Menschen ausgestoßenes CO2 zurückzuführen. Für Wetterexperimente als Ursache gibt es keine Hinweise.

Vorwurf der Käuflichkeit

Außerdem stellt das Video noch einen Vorwurf in den Raum. Klimaforscherinnen und Klimaforscher seien käuflich, sie würden Panik schüren, um mehr Geld einzunehmen. So heißt es etwa: "Ein Satz wäre tödlich, nämlich: Vielleicht gibt es gar kein Problem?"

Solche Vorwürfe lassen sich kaum überprüfen. AFP hat trotzdem bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) nachgefragt. Die DFG vergab im Jahr 2020 rund 3,3 Milliarden Euro an verschiedene Forschungsprojekte. Die DFG schrieb am 13. August, dass von der DFG geförderte Projekte in mehreren Schritten begutachtet würden. "Auf diese Weise wird gewährleistet, dass ein Fach, wie z.B. die Klimaforschung, gegenüber anderen Fächern nicht bevorzugt wird."

Fazit

Die im Video aufgestellten Behauptungen sind unbelegt, waren teilweise schon bei der Ausstrahlung 2007 veraltet und stehen im Widerspruch zum wissenschaftlich belegten aktuellen Konsens, wonach die Erderwärmung menschengemacht ist. Behauptungen wie: Die Sonne sei schuld, die Erde habe sich in ihrer Geschichte immer wieder vergleichbar erwärmt oder die Eisbären seien weniger bedroht als behauptet, widerlegen den vom Menschen verursachten Klimawandel nicht. Aiko Voigt vom Wiener Institut für Meteorologie und Geophysik fasst zusammen: "Das Video steht in deutlichem Widerspruch zum Kenntnisstand der Klima- und Klimawandelforschung."

14. September 2021 Wort ausgebessert.
13. August 2021 Grafik zu 1000 Jahren Temperatur ausgebessert.

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