Clickbait mit gefälschten Artikeln über "Boykott des Pride Month" durch Prominente

Clickbait-Websites verbreiten immer wieder gezielt Falschbehauptungen über Prominente, um Werbeeinnahmen zu erzielen. AFP deckte eine neue Kampagne auf, bei der Websites bekannten Persönlichkeiten wie der serbische Tennisstar Novak Djokovic fälschlich Aussagen gegen den Pride Month zuschreiben – teilweise exakt gleichlautend. Die Seiten nennen keine offiziellen Quellen, enthalten sachliche Fehler und weisen Merkmale schlecht KI-generierter Inhalte auf. Für die zitierten Aussagen gibt es keine Belege. Das Management von Djokovic dementierte die Behauptung.

"Bei einer Pressekonferenz erläuterte Tennis-Star Novak Djokovic kürzlich seine Bedenken gegenüber dem, was er als 'Woke'-Kultur bezeichnet", schrieb Maximilian Krauss, Klubobmann der Freiheitlichen Partei (FPÖ) in Wien am 30. Juni 2025 auf Facebook und X. Dazu teilte er ein Sharepic mit einem Screenshot eines Facebook-Postings des Accounts "The Tennis Pro" vom 26. Juni 2025. Darin sind unter anderem der Tennisstar sowie eine Regenbogenflagge abgebildet. Darin wird als Quelle für die vermeintliche Behauptung  ein englischer Artikel desselben Tages verlinkt.

Der Account "The Tennis Pro" teilt vielfach Inhalte über Sportstars – oft illustriert mit Bildern, die Hinweise auf eine Erstellung mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) beinhalten. Djokovic weigere sich, den "Pride Month im Juni zu würdigen. Recht hat er", schrieb Krauss in seinem Posting mit dem Screenshot dieses Accounts weiter. Der Pride Month im Juni, manchmal auch als LGBTQ Pride Month bezeichnet, ist der Feier des LGBTQ-Stolzes gewidmet und soll Gleichberechtigung fördern sowie auf Diskriminierung aufmerksam machen. Der Beitrag wurde von zahlreichen Userinnen und Usern gepostet, auch vom Facebook-Account der FPÖ Wien.

In der Slowakei wurde dieselbe Behauptung ebenfalls vielfach verbreitet – unter anderem von der ehemaligen Tennisspielerin und Politikerin Romana Tabáková, die sich in einem Folgekommentar auf einen englischsprachigen Blogeintrag vom 4. Juni 2025 als Quelle berief. Durch die Suche nach Stichwörtern aus diesem Artikel fand AFP heraus, dass dieselbe Behauptung auch in einem weiteren Artikel vom 25. Juni 2025 auftauchte, auf den sich unter anderem ein slowakischer Blog berief, der bereits mehrfach von AFP überprüft wurde. Auch in anderen Sprachen wie Tschechisch wurde die Aussage geteilt.

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Facebook-Screenshots der Behauptung auf Slowakisch, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 1. Juli 2025

AFP fand jedoch keinen Hinweis darauf, dass Djokovic diese Aussage jemals so gesagt oder geschrieben hat. Recherchen ergaben, dass dieselbe Aussage auch anderen bekannten Persönlichkeiten auf verschiedenen Websites zugeschrieben wurde. Ein Experte für digitale Forensik erklärte AFP zudem, dies sei vermutlich Teil einer Clickbait-Desinformationskampagne, die darauf abzielt, durch Online-Werbung Geld zu verdienen. 

AFP fand keine offiziellen Berichte

Die Blogartikel über Djokovic enthalten mehrere angebliche Zitate, die AFP einem Mitglied seines PR-Teams vorlegten. Dieses teilte AFP am 2. Juli 2025 mit: "Ich habe alles überprüft – das ist Fake News. Novak hat so etwas nie gesagt."

Keiner der angeführten Artikel auf den werbeüberladenen Websites liefert direkte Belege oder Links zu der angeblichen Aussage Djokovics. Die Beiträge wurden ohne Angabe eines Urhebers verfasst. Auch auf den Websites selbst sind keine konkreten Autorinnen und Autoren sowie kein Impressum genannt.

Abgesehen von diesen fragwürdigen Blogbeiträgen fand AFP keinerlei Hinweise auf ein entsprechendes Statement Djokovics zum Pride Month – weder in schriftlicher noch in Videoform. Keine Nachrichtenagentur oder seriöse Medienquelle berichtete über eine solche Äußerung. Bis zur Veröffentlichung dieses Artikels hat Djokovic keinen entsprechenden Beitrag auf seinen Social-Media-Kanälen publiziert. 

Bei der Suche nach den Begriffen "woke" und "pride" auf Djokovics Facebook-Seite sowie auf X fand AFP keinen Hinweis auf die angebliche Aussage. Auch auf seinem Instagram-Profil war kein entsprechender Beitrag zu finden.

Einige der Blogartikel enthalten leicht abgewandelte Versionen des angeblichen Zitats und widersprüchliche Angaben dazu, wann und wo Djokovic sich so geäußert haben soll. Einmal heißt es etwa, die Aussage stamme aus einem Video, in einem anderem Artikel sei sie angeblich bei einer Pressekonferenz gefallen. Die untenstehenden Screenshots zeigen, wie sich Djokovics angebliche Aussagen in den Artikeln unterscheiden:

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Screenshot von angeblichen Zitaten von Djokovic: 1. Juli 2025

Manche Blogbeiträge erwähnen außerdem angebliche Unterstützung durch "einen ehemaligen Profitennisspieler und offenen Kritiker von 'erzwungenem Aktivismus'" namens Mark Federer. Allerdings gab es nie einen Spieler mit dem Namen auf professionellem Spielniveau – der Name ist vermutlich an den Schweizer Tennisspieler Roger Federer angelehnt.

Auch auf X fand AFP keine Spur der angeblichen Reaktion der LGBTQ-Organisation Glaad, die laut einem der Artikel vom 4. Juni 2025 auf Djokovics angebliche Aussage geantwortet haben soll. In den Pressemitteilungen auf der Website der Organisation findet sich kein entsprechender Hinweis.

Die einzige bekannte Berichterstattung über Djokovic im Zusammenhang mit LGBTQ-Themen stammt aus dem Jahr 2018, als er sich unterstützend gegenüber einer Tennisspielerin äußerte, die sich als homosexuell outete. Bei einer Pressekonferenz sagte er damals, das Coming-out sei ein "mutiger Schritt".

Verschiedene Prominente im Visier 

Im Juni 2025 tauchte online eine Reihe falscher Beiträge und Artikel auf, in denen weiteren bekannten Persönlichkeiten unterstellt wurde, sie würden den Pride Month nicht begehen. Davon betroffen waren unter anderem Formel-1-Weltmeister Max Verstappen, Tennisspielerin Aryna Sabalenka, der Musiker Paul McCartney sowie Milliardär Elon Musk.

Ihnen allen wurde fälschlich derselbe Satz zugeschrieben: "WOKE verdient es nicht, gefeiert zu werden." In den meisten Überschriften und Beiträgen war das Wort "WOKE" in Großbuchstaben geschrieben. Die Artikel ähnelten sich stilistisch stark, und die Schlagzeilen zu Verstappen und Musk waren nahezu identisch mit der zu Djokovic. Auch die Facebook-Seite "The Tennis Pro", auf die sich unter anderem die FPÖ in ihrem Posting bezieht, postete einen Beitrag mit dieser Formulierung.

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Screenshots von Schlagzeilen über Djokovic, Verstappen und Musk mit identischem Wortlaut, rote Kreuze von AFP hinzugefügt: 1. Juli 2025

Die US-amerikanische Faktenprüfungsorganisation Politifact berichtete, dass das der Musikerin Dolly Parton zugeschriebene Zitat angeblich in einem nicht existierenden Medium namens "The Tennessee Voice" erschienen sei. Auch das Faktencheck-Team von Snopes und Lead Stories widerlegten die Urheberschaft desselben angeblichen Zitats im Fall des US-Sängers Jelly Roll. Sie verwiesen auf das Fehlen jeglicher Medienberichte und den Umstand, dass auf den Social-Media-Kanälen des Sängers, wo die Aussage angeblich veröffentlicht wurde, kein entsprechender Beitrag zu finden ist.

Paul Smith, Kommunikationschef des Red-Bull-Teams, für das Max Verstappen in der Formel 1 fährt, erklärte gegenüber AFP am 2. Juli 2025, die Behauptungen in den Beiträgen seien "vollkommener Unsinn". Er fügte hinzu: "Max hat so etwas nie gesagt."

Falschinformation als Geschäftsmodell 

Die Artikel über Djokovic und andere oben genannte Prominente weisen Merkmale von sogenanntem AI Slop auf – minderwertigem Inhalt, der mithilfe von KI erstellt wurde und häufig zur Monetarisierung verbreitet wird. Solcher Inhalt verbreitet sich in letzter Zeit zunehmend auf Plattformen wie Youtube und Tiktok, etwa im Zusammenhang mit dem Prozess gegen den US-amerikanischen Rapper Sean "Diddy" Combs.

Laut Alexios Mantzarlis, Mitbegründer von The Indicator und Direktor der Security, Trust, and Safety Initiative an der Cornell Tech der Cornell Universität, besteht das Hauptziel solcher Websites darin, durch die Teilnahme am Google-Werbesystem Einnahmen zu erzielen. "Das scheint ein klassisches Modell zu sein: billige, provokante Behauptungen in sozialen Medien posten, um Nutzer auf werbeüberladene, minderwertige Websites zu lenken und dadurch schnell Geld zu verdienen", schrieb er in einer E-Mail an AFP am 1. Juli 2025.

Mantzarlis stellte etwa fest, dass die Seite fancy4work[.]com, die etwa die falsche Geschichte über Dolly Parton veröffentlichte, technische Merkmale mit "Dutzenden anderer Websites" gemeinsam hat. "Laut Similarweb stammen rund 80 Prozent des jüngsten Traffics (bis zu 218.000 Aufrufe) dieser Seite aus sozialen Netzwerken", erklärte er.

Am 1. Juli 2025 analysierte AFP einige der Websites, die die Behauptung über Djokovic verbreiteten und über eine identische technische Infrastruktur verfügten. Dabei zeigte sich, dass bis zu 94,42 Prozent der Zugriffe auf die Domain dailyus.cafex[.]biz über soziale Medien erfolgten. Im Fall von sportnewss.livextop[.]com lag dieser Anteil sogar bei 96,38 Prozent. Das bedeutet, dass der Direktzugriff auf beide Seiten äußerst gering ist – ein weiterer Hinweis darauf, dass sie stark auf Clickbait-Beiträge in sozialen Medien setzen, um Leserinnen und Leser anzulocken.

Fazit: AFP deckte eine Kampagne auf, bei der Websites Prominenten wie Novak Djokovic identische, frei erfundene Aussagen gegen den Pride Month zuschreiben. Die Beiträge basieren auf keiner offiziellen Quelle, enthalten Fehler und wirken mitunter wie schlecht KI-generierter Inhalt. AFP fand zudem keine Belege, das Management des Tennisstars wies die Behauptungen zurück. 

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