Sicht auf die Pyramiden von Gizeh in Ägypten am 3. Mai 2024 (AFP / Jewel SAMAD)

Untersuchung belegt keine neu entdeckte Infrastruktur unter ägyptischen Pyramiden

Die ägyptischen Pyramiden sind sowohl Quelle der Faszination als auch Thema von Verschwörungserzählungen. Dem neuesten online verbreiteten Mythos zufolge sollen sich angeblich riesige unterirdische Strukturen unter den Pyramiden verbergen. Die Behauptung stammt aus einer Pressekonferenz von März 2025 von drei italienischen Forschern, die weder Spezialisten für Archäologie noch für Ägyptologie sind. Ihrer Hypothese, die auf umstrittenen Interpretationen von Radarbildern basiert, fehlt jegliche wissenschaftliche Grundlage, erklärten Fachleute gegenüber AFP. 

"Professor Filippo Biondi bestätigt die Echtheit der Spiral-Säulen tief unter der Chephren-Pyramide", hieß es in einem Telegram-Beitrag vom 10. April 2025. Der italienische Forscher hatte gemeinsam mit zwei Kollegen – Corrado Malanga und Armando Mei – bekannt gegeben, dass sie die sogenannte synthetische Apertur Radar-Technologie (SAR) genutzt hätten, um die Chephren-Pyramide, eine der drei Pyramiden von Gizeh, zu untersuchen und dabei einen riesigen unterirdischen Komplex gefunden hätten.  

Auf zwei Pressekonferenzen in Italien am 15. und 16. März 2025, die am 22. und 23. März 2025 auf Youtube hochgeladen wurden, stellten die drei Forscher ihre Ergebnisse vor. Sie behaupteten, dass sich unter der Chephren-Pyramide acht spiralförmige zylindrische Strukturen befänden, die angeblich 600 Meter tief reichen und zu zwei großen kubischen Strukturen führen würden. Der gesamte unterirdische Komplex würde sich über eine Fläche von rund zwei Kilometern unter allen drei Pyramiden von Gizeh erstrecken, sagten die Forscher. Die Videos wurden insgesamt mehr als 340.000 Mal angesehen. Länger als eine Stunde enthüllten die Forscher darin Bilder, die angeblich aus ihrer Untersuchung stammten.

Die Behauptung kursierte schnell auf verschiedenen Sprachen wie Arabisch, Englisch, Französisch, Japanisch und Niederländisch. Sie wurde auch auf Facebook verbreitet und von einigen Medien aufgegriffen, wie zum Beispiel der britischen Daily Mail. Manche der Beiträge, wie beispielsweise dieser niederländische Post, enthalten ein Video, in dem 3D-Modelle und Teile einer Studie aus dem Jahr 2022 gezeigt werden.

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Telegram-Screenshot der Behauptung: 15. April 2025

Auf AFP-Anfrage erklärten Fachleute jedoch, dass die Theorie nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere. "Hypothesen werden als Gewissheiten dargestellt. Es gibt keine Trennung zwischen der Hypothese und dem, was sie denken, bewiesen zu haben", sagte Vincent Rondot, Forschungsdirektor am französischen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) und Direktor der Abteilung für ägyptische Altertümer des Louvre, am 28. März 2025 gegenüber AFP. 

Die drei an der angeblichen Untersuchung beteiligten Forscher ließen eine Anfrage von AFP bis zur Veröffentlichung dieses Faktenchecks unbeantwortet.

Keine Forschende für Archäologie oder Ägyptologie beteiligt

Es gibt mehrere Gründe, dieser Behauptung mit Vorsicht zu begegnen. Erstens wurde die angebliche Entdeckung ursprünglich auf einem Blog veröffentlicht, der von einem Mann namens Greg Reese betrieben wird. Reese beschreibt sich selbst als Autor und "Verbreiter verborgener Wahrheiten und krimineller Verschwörungen". 

Des Weiteren wurde die im März 2025 präsentierte Untersuchung weder in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht, noch waren Forschende aus der Archäologie oder Ägyptologie daran beteiligt.

Einer der Autoren, Corrado Malanga, gehört der Universität in Pisa an und war an der Studie aus dem Jahr 2022 beteiligt, die als Beweis für die Behauptung herangezogen wird. Allerdings ist Malanga an der Fakultät für Chemie und industrielle Chemie tätig. Zudem schreibt er auf seiner Website, er sei an Ufologie interessiert, also der Untersuchung von Ufos und ihren Sichtungen.

Er behauptet, dass viele Menschen von Außerirdischen entführt worden seien und dass die meisten "sich nicht an die Entführung erinnern, obwohl sie einige physische Spuren in Form von Narben davontragen, die auf Operationen und chirurgische Eingriffe durch die Aliens zurückgehen". Auf seiner Website erklärt Malanga, dass ein Online-Selbstbewertungstest feststellen könnte, ob eine Person entführt wurde, und dass Werkzeuge wie regressive Hypnose und neurolinguistisches Programmieren verwendet werden könnten, um Erinnerungen wiederherzustellen. 

Malangas Co-Forscher Filippo Biondi erklärte nach der Pressekonferenz auf Linkedin, er sei nicht mehr an der schottischen Universität von Strathclyde angestellt und betreibe nun das private Radarbildunternehmen Harmonicsar.

Armando Mei, der dritte beteiligte Forscher, beschreibt sich selbst auf seinem Linkedin-Account als unabhängigen archäologischen Forscher und Journalist. Er ist Autor mehrerer Bücher, in denen er pseudoarchäologische Theorien verteidigt. In einem Buch bekräftigt er die Behauptung, die Visoko-Hügel in Bosnien seien keine natürlichen Formationen, sondern alte Pyramiden, die von Menschen gebaut worden seien. Diese Theorie wurde von der archäologischen Gemeinschaft jedoch widerlegt.

Die Sprecherin der Pressekonferenzen, Nicole Ciccolo, ist Graphologin und hat einen Youtube-Kanal mit über 34.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Dort führt sie Gespräche über Pyramiden und die Mondlandung. Im Jahr 2024 veröffentlichte sie ein Video mit dem Titel "Wie man zum Mars geht", in dem sie zusammen mit Malanga die Echtheit der Mondmissionen anzweifelt. Sie suggerieren, die Nasa hätte die ersten Schritte von Menschen auf dem Mond inszeniert. 

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Youtube-Screenshot des Profils von Nicole Ciccolo: 1. April 2025 (Dounia MAHIEDDINE)

Anstatt ihre Ergebnisse in einem Peer-Review-Verfahren von Fachleuten kritisch prüfen zu lassen, die nicht in die Forschung involviert waren, erklärte der französische Ägyptologe Rondot, hätten die Forscher wissenschaftliche Praktiken umgangen, indem sie ihre Entdeckung in sozialen Medien und auf einer Pressekonferenz verkündeten. 

"Wie kann ein Chemiker eine so entschiedene Meinung über ein so altes Denkmal haben, das er nie studiert hat?", fragte Rondot. "Solche Ergebnisse werden nicht zuerst der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Man teilt sie mit einer sehr begrenzten Gruppe von Personen, die ihre Gültigkeit beurteilen können." 

"Keine Beweise" 

Laut Guillemette Andreu-Lanoë, Vizepräsidentin der Französischen Gesellschaft für Ägyptologie und ehemalige Präsidentin des wissenschaftlichen Rates des Französischen Instituts für Orientalische Archäologie (Ifao), gibt es keine archäologische oder geologische Studie, die die Hypothese von großen unterirdischen Strukturen unter den Pyramiden von Gizeh unterstützen würde. Das bestätigte Jean-Guillaume Olette-Pelletier, der seinen Doktortitel in Ägyptologie von der Pariser Sorbonne-Universität erhielt.

"Die Pyramiden sind monumentale Steinstrukturen, die auf einem flachen Plateau gebaut sind", erklärte Olette-Pelletier gegenüber AFP am 31. März 2025. "Sie wurden anschließend ausgehöhlt oder angepasst, um Grab- und Bestattungskammern zu integrieren, aber es gibt keine Beweise für unterirdische Netzwerke, die so tief sind wie die erwähnten." 

In der Archäologie kommen Techniken wie die Magnetometrie zum Einsatz. Sie ermöglicht es, den Boden bis zu einer Tiefe von drei bis fünf Metern zu analysieren. Die Behauptungen der italienischen Forscher beruhen jedoch auf "keinen wissenschaftlich validen Daten", sagte Olette-Pelletier.

SAR für solche Tiefen nicht ausgelegt

Ihr Hauptargument stützt sich auf die Verwendung eines synthetischen Apertur Radars (SAR). Das ist eine Technologie, die insbesondere von der Nasa verwendet wird, um die Erdoberfläche zu kartieren. Diese Art von Radar ist jedoch nicht darauf ausgelegt, Strukturen zu erkennen, die sich mehrere hundert Meter unter der Erde befinden, erklärten Fachleute.

"Radarsignale werden beim Durchdringen des Bodens absorbiert", erläuterte Lawrence Conyers, Radarspezialist an der Universität von Denver, am 26. März 2025 gegenüber AFP. "Deshalb wird es hier eine Tiefenbeschränkung geben, die höchstens vielleicht einige zehn Meter betragen könnte."

Die Nasa erklärt online, dass SAR es möglich mache, "detaillierte Bilder der Erdoberfläche zu erhalten". Die Technologie sei jedoch "nicht dafür ausgelegt, extreme Tiefen zu sondieren". 

Behauptungen seien "bloße Erfindungen"

Forschende können eine wissenschaftliche Hypothese nur akzeptieren, wenn sie konsistente Beweise gesammelt haben, die durch anerkannte wissenschaftliche Publikationen und Feldforschung bestätigt wurdenDer renommierte ägyptische Archäologe Zahi Hawass, ehemaliger Leiter der Altertümer in Ägypten, widerlegte die Behauptung der italienischen Forscher in einer öffentlichen Mitteilung, die von internationalen Medien aufgegriffen wurde. Hawass bezeichnete die Untersuchung als "bloße Erfindungen". 

"Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise, die diese Behauptungen stützen würden", erklärte er. Die Basis der Chephren-Pyramide "wurde direkt aus dem Felsen bis zu einer Höhe von etwa acht Metern herausgehauen. Laut umfangreichen wissenschaftlichen Studien und Forschungen, die in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden, gibt es keine Säulen unter dieser Basis", erklärte Hawass. "Solche grundlosen Gerüchte werden letztendlich im Mülleimer der Geschichte landen."

Olette-Pelletier fügte hinzu, dass die ägyptischen Behörden selbst im Jahr 2015 das sogenannte ScanPyramids-Projekt ins Leben gerufen haben, das insbesondere darauf abzielt, geheime Kammern im Herzen der Pyramiden von Gizeh und Dahschur zu entdecken und ohne Ausgrabungen einen Blick auf deren Bau zu werfen. Die angewandte Technologie ist eine Mischung aus Infrarot-Thermografie, Myonen-Radiographie und 3D-Rekonstruktion. 

Verwendetes Paper ohne große Entdeckungen

Ein weiteres Element, das die drei Forscher heranzogen, um ihre These von angeblichen Megastrukturen unter den Pyramiden zu stützen, ist eine wissenschaftliche Veröffentlichung von Corrado Malanga und Filippo Biondi aus dem Jahr 2022. 

Dieses Paper beschreibt, wie eine neue Methode – SAR kombiniert mit Doppler-Tomographie (Bildgebungstechnik) – es ermöglichen würde, das Innere der Cheops-Pyramide in Gizeh ohne Ausgrabungen oder Beschädigungen zu kartieren. Das könnte den Weg für nicht-invasive Erkundungen anderer antiker Monumente ebnen. Malanga und Biondi erwähnen in dem Paper jedoch keine wesentlichen Entdeckungen oder die Existenz möglicher Überbauten innerhalb der Chephren-Pyramide. 

"Sie haben mich in ihren 'Algorithmen' verloren, die sie für ihre Interpretation verwendet haben, und sagten dem Chefredakteur, sie müssten einen Spitzen-Mathematiker hinzuziehen, um sich das anzusehen", erinnerte sich Conyers daran, wie er 2022 gebeten wurde, das Papier zu überprüfen. "Ich bin mir nicht sicher, ob sie das getan haben, da der Artikel mit all diesen Gleichungen erschienen ist, die ich nie verstanden habe." 

Kursierende Bilder sind älter als die Forschung

In einigen der Beiträge in sozialen Medien, die die Behauptung der italienischen Forscher enthalten, werden Bilder geteilt, die schon seit einiger Zeit online kursieren. 

"Unten sehen Sie eine Visualisierung der Radarscans, die kürzlich von den größten künstlich errichteten Strukturen auf der Erde unter dem Pyramidenkomplex von Gizeh veröffentlicht wurden. Die unglaubliche Illustration ist maßstabgetreu", schrieb der US-amerikanische Radiomoderator und Verschwörungstheoretiker Alex Jones am 20. März 2025 auf X. Dazu teilte er ein Foto von Pyramiden als Spitzen großer unterirdischer Obelisken, die mit ägyptischen Motiven und Inschriften verziert sind. 

Umgekehrte Bildsuchen mit Google Lens und Tineye ergaben jedoch, dass das Bild bereits im Jahr 2023 in sozialen Medien kursierte

Im September 2024 scherzte das französische Satiremedium Pediavenir: "Archäologen enthüllen, dass die ägyptischen Pyramiden tatsächlich massive Türme sind, die unterirdisch gebaut wurden". Dazu teilte das Medium dasselbe Bild. 

Ein weiteres weit verbreitetes Bild in sozialen Medien zeigt einen Querschnitt der Pyramide und die angeblichen Strukturen darunter. Das Bild und die begleitenden falschen Informationen wurden von einer marokkanischen Medienagentur aufgegriffen. 

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X-Screenshots der kursierenden Bilder: 1. April 2025

Spekulationen über große unterirdische Säulen haben sich in der Zwischenzeit im Internet zu der Behauptung entwickelt, dass eine "riesige unterirdische Stadt" unter den Pyramiden entdeckt worden sei, manchmal begleitet von computergenerierten Bildern.

Pyramiden sind oft Gegenstand von Verschwörungserzählungen 

Ägyptens Pyramiden sind häufig Thema von Verschwörungserzählungen und paranormalen Geschichten. Es wird behauptet, dass Außerirdische am Bau der Pyramiden beteiligt waren, während andere behaupten, Pyramiden würden okkultes Wissen verbergen, das von Eliten geheim gehalten wird. 

Diese Verschwörungserzählungen haben sich mit dem Aufstieg sozialer Netzwerke und Videoplattformen wie Youtube weiterverbreitet. "Es gibt ein Vorher und Nachher mit dem Erscheinen dieser Plattformen", sagte Tristan Mendès France, Spezialist für digitale Kulturen und Online-Extremismus, am 29. März 2025 auf AFP-Anfrage. "Sie haben diesen Erzählungen phänomenale Sichtbarkeit verschafft und es ihnen ermöglicht, ein beispielloses Publikum zu erreichen." 

Ihm zufolge würden diese Erzählungen zunächst in Verschwörungskreisen kursieren, bevor sie von sensationshungrigen Medien aufgegriffen würden, die auf Klicks aus seien. "Ein bedeutender Teil der Internetnutzerinnen und -nutzer gerät in ihre eigenen Informationsökosysteme, wo ihre Konsumgewohnheiten ihre Überzeugungen verstärken", sagte er. 

Dieses Phänomen beunruhigt Mendès France. "Wenn wir die Idee akzeptieren, dass alles, was uns über Pyramiden beigebracht wurde, falsch ist, impliziert das, dass Bildungssysteme und Regierungen weltweit an einer großen Verschwörung teilnehmen", sagte er. Dieser systematische Zweifel könne zu einer Radikalisierung von Überzeugungen führen. "Was wie spielerisches Verschwörungsdenken erscheint, kann, wenn es kontinuierlich genährt wird, die Tür zu einer extremeren Sichtweise der Realität öffnen", sagte er.

AFP hat bereits andere Falschinformationen über ägyptische Pyramiden widerlegt.

Fazit: Angebliche Erkenntisse über ein System unter den Pyramiden von Gizeh halten wissenschaftlichen Standards nicht stand. Ihre Glaubwürdigkeit wurde nicht von Fachkolleginnen und -kollegen überprüft. Die Autoren der Untersuchung sind weder Archäologen noch Ägyptologen. Das angeblich ausgewertete Verfahren ist für Untersuchungen in einer solchen Tiefe im Erdboden zudem nicht ausgelegt.

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