Video von gefälschten Stimmzetteln im Umlauf – AfD in Leipzig wählbar

In der Woche der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 liegt die AfD in Umfragen mit rund 20 Prozent auf Platz zwei hinter der CDU. In sozialen Medien kursiert wenige Tage vor der Wahl ein Video, das Stimmzettel im Wahlkreis 151 in Leipzig zeigen soll, auf denen die AfD scheinbar nicht aufgeführt ist. Dabei handelt es sich jedoch um Fälschungen, wie Sprecher der Stadt Leipzig sowie des Landeskriminalamts und der Staatsanwaltschaft gegenüber AFP bestätigten. Sie weisen zudem eine Unregelmäßigkeit auf, die sie als unecht enttarnt.

Der Wahlkampf zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ist in der heißen Phase, als in sozialen Medien ein Video mit einem Stimmzettel ohne Zeile für die AfD und ihren Direktkandidaten Christian Kriegel im Wahlkreis 151 in Leipzig 1 geteilt wird. "Wahlbetrug bei Stimmen in Sachsen", heißt es dazu beispielsweise in einem Beitrag auf X vom 18. Februar 2025. Auch der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Alexander Wiesner aus Leipzig verbreitete die Behauptung auf Facebook und X. Inzwischen wurden seine Postings gelöscht.

Das Video wurde von zahlreichen Userinnen und Usern auf Instagram, Facebook, Telegram und in zahlreichen Tiktok-Videos geteilt. Zudem kursierte es auf anderen Sprachen wie Englisch und Französisch

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X-Screenshot der Behauptung: 19. Februar 2025

Bei den Wahlzetteln im Video handele es sich "ganz klar um eine Fälschung", sagte Leipzigs Stadtsprecher Matthias Hasberg in einem Telefonat mit AFP am 19. Februar 2025. Am Tag zuvor hatte die Stadt eine Pressemitteilung zu den gefälschten Stimmzetteln veröffentlicht: Demnach seien es "manipulierte Wahlunterlagen". Fehldrucke könne die Stadt ausschließen – unter anderem, da "alle jetzt vorliegenden Leipziger Stimmzettel in einer Charge produziert" wurden. Dementsprechend müsste die AfD auf allen Stimmzetteln fehlen. Mehr als 140.000 Stimmzettel seien laut Pressemitteilung bereits ausgegeben worden "und es gibt bisher keinerlei entsprechende Hinweise aus der Bevölkerung". 

Das Landeskriminalamt Sachsen (LKA) teilte AFP auf Anfrage am 20. Februar 2025 mit, dass die Stadt Leipzig Strafanzeige wegen des Tatvorwurfs der Fälschung von Wahlunterlagen erstattet habe und das LKA gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft Leipzig ermittle. Bei den Stimmzetteln im Video "handelt es sich um offensichtliche Fälschungen", schrieb ein Sprecher des LKA. "Ob den in dem Video angeführten angeblichen Empfängern die gefälschten Wahlzettel tatsächlich so zugesandt worden sind oder ob hier nur ein solches angebliches Übersenden vorgetäuscht wird, um anhand selbst verfälschter Wahlzettel den Eindruck offensichtlicher Manipulationen der Wahl zu Lasten der AfD zu erwecken, ist ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen." Das bestätigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig in einer E-Mail an AFP am 20. Februar 2025. Die Ermittlungen dauerten den Sprechern zufolge derzeit an. 

Auf der Website der Stadt Leipzig ist ein PDF-Dokument eines Musterstimmzettels für den Wahlkreis 151 Leipzig 1 zu finden. Darauf sind die AfD sowie ihr Direktkandidat Christian Kriegel an erster Stelle aufgelistet. Auch ein User teilte auf X ein Bild eines ihm zufolge authentischen Stimmzettels aus diesem Wahlkreis, auf dem die AfD und Kriegel aufgeführt sind. 

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Vergleich des Wahlzettels ohne AfD im Tiktok-Video mit der Behauptung (links) und des Musterstimmzettels mit AfD auf der Website der Stadt Leipzig (rechts): 20. Februar 2025

Bei genauer Betrachtung des Videos fällt zudem auf: Im Video beginnt die Liste der Erst- und Zweitstimmen mit der Nummer zwei. Das sagte auch Stadtsprecher Hasberg: "Es fehlt die Zeile eins, das gibt es gar nicht." 

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X-Screenshot der Behauptung, Hervorhebung durch AFP: 19. Februar 2025

Der Stadtsprecher erklärte auch warum: Die Reihenfolge der Parteien auf den Listen richte sich in jedem Bundesland nach dem Ergebnis der Parteien bei der vorangegangenen Bundestagswahl. Selbst wenn die AfD in diesem Wahlkreis keinen Direktkandidaten oder -kandidatin aufgestellt hätte, wäre sie in der Spalte der Zweitstimme aufgeführt und es gäbe somit eine Zeile mit der Nummer eins, erklärte Hasberg weiter. 

Eine Pressemitteilung des Deutschen Bundestags zu den antretenden Parteien bestätigte die von Hasberg geschilderte Methode. Bei der Bundestagswahl 2021 wurde die AfD in Sachsen stärkste Kraft, gefolgt von SPD und CDU – dieselbe Reihenfolge haben die ersten drei Parteien nun auf dem Musterstimmzettel für den Wahlkreis 151 in Leipzig. Auch auf dem entsprechenden Muster für den Wahlkreis 152 Leipzig 2 ist die AfD in Zeile eins aufgeführt, SPD und CDU in Zeile zwei und drei.

"Leider liegen uns bislang keine Stimmzettelmuster aus Leipzig vor, sodass wir keinen direkten Abgleich der Videos mit einem echten amtlichen Stimmzettel vornehmen können", erklärte eine Sprecherin der Bundeswahlleiterin am 19. Februar 2025 in einer E-Mail an AFP. Sie verwies jedoch auf den offiziellen Musterstimmzettel in der Bundeswahlordnung, der ebenfalls eine Zeile eins vorsieht. Diese Abweichung könne der Sprecherin zufolge ein Anhaltspunkt für eine Fälschung sein.

Parteien haben nicht in allen Wahlkreisen Direktkandidatinnen und -kandidaten

Nun mag widersprüchlich erscheinen, dass auf dem Muster des echten Stimmzettels für den Leipziger Wahlkreis und auf den gefälschten Stimmzetteln im Video einige Felder für die Erststimme, also die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten, leer sind. Das liegt jedoch daran, dass nicht alle Parteien in allen Wahlkreisen einen Direktkandidaten oder eine Direktkandidatin aufstellen, wie aus der Auflistung der Bundeswahlleiterin hervorgeht. Demnach kann für die AfD hingegen in jedem Wahlkreis in Sachsen die Erststimme abgegeben werden, überall hat die Partei ein Mitglied als Direktkandidatin oder -kandidat aufgestellt. Das gilt überdies für alle Parteien, die in einem Bundesland auf dem Stimmzettel an erster Stelle angeführt sind.

Ausnahmen gibt es bei der AfD nur in Nordrhein-Westfalen und Bayern: So wurde etwa in Aachen der AfD-Direktkandidat dem WDR zufolge wegen eines Formfehlers nicht zugelassen. Im Wahlkreis München West/Mitte kann ebenfalls zwar die Zweitstimme an die AfD vergeben werden, die Erststimme jedoch nicht, wie der Musterstimmzettel zeigt. In allen anderen Bundesländern ist die AfD in allen Wahlkreisen mit einem Direktkandidaten oder einer Direktkandidatin vertreten

Die Stadt Leipzig informiere die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer noch einmal über die gefälschten Stimmzettel, damit sie bei der Auszählung am 23. Februar 2025 ein besonderes Augenmerk darauf haben, erklärte Sprecher Hasberg. Die gefälschten Stimmzettel aus dem Video seien ungültig. Aus Sicht der Bundeswahlleiterin sei es "sehr gut, dass es hier eine gezielte Sensibilisierung gibt", erklärte eine Sprecherin. Sie verwies zudem auf das Bundeswahlgesetz, wonach ein Stimmzettel nicht gültig ist, wenn er nicht amtlich hergestellt worden ist.

AfD kurz vor der Wahl in Umfragen zweitstärkste Kraft

Wenige Tage vor der Bundestagswahl liegt die AfD in Umfragen bundesweit mit 20 bis 22 Prozent auf Platz zwei hinter der CDU mit rund 30 Prozent. Eine Koalition mit der AfD schließen unterdessen alle Parteien im Bundestag aus. Die in Umfragen führende CDU hat 2018 einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD gefasst. Dennoch sorgte Friedrich Merz Ende Januar 2025 mit einer Abstimmung über einen Entschließungsantrag zur Migrationspolitik, dem auch die AfD zustimmte, für einen Eklat und eine Protestwelle.

Von wem das Video der gefälschten Stimmzettel in Umlauf gebracht wurde, war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch unklar. Die Recherchegruppe Gnida Project, die russische Desinformationskampagnen im Internet analysiert, sieht jedoch einen möglichen Zusammenhang zu einer solchen Kampagne namens Storm-1516, wie sie auf Bluesky schrieb. Diese hatte zuletzt zahlreiche Falschinformationen im Vorfeld der Bundestagswahl in Deutschland verbreitet.

Alle Faktenchecks zur Bundestagswahl 2025 sammelt AFP auf ihrer Website

Fazit: Ein Video von Stimmzetteln im Wahlkreis Leipzig 1 ohne Zeilen für die AfD zeigt gefälschte Wahlzettel. Das bestätigten Sprecher der Stadt Leipzig, des LKA Sachsen und der Staatsanwaltschaft Leipzig. Zudem entsprechen die Stimmzettel weder dem offiziellen Musterstimmzettel für den Wahlkreis noch dem allgemein gültigen Muster in der Bundeswahlordnung. 

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