Entgegen Spekulationen: Deutschland steht weiterhin zu Ukraine-Hilfen

In Deutschland stehen am 23. Februar 2025 vorgezogene Neuwahlen an. Die Finanzierung weiterer Ukraine-Hilfen in Höhe von drei Milliarden Euro wurde zum Zankapfel im Wahlkampf. In sozialen Medien wurde in diesem Zusammenhang behauptet, Deutschland habe die Finanzierung der Ukraine nun offiziell eingestellt. Doch das ist eine verkürzte Darstellung, wie AFP-Recherchen ergaben. Auch die Bundesregierung dementierte die Behauptung.

Am 23. Februar 2025 wählt Deutschland einen neuen Bundestag – nachdem die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP im November 2024 in die Brüche gegangen war. Ob die Regierung der Ukraine noch vor diesem Termin ein weiteres Waffenpaket zusagen soll, sorgte zuletzt für Verwirrung. Im Netz verbreitete sich schnell die Meldung, dass Deutschland "die Finanzierung der Ukraine offiziell eingestellt" hätte.

Auf Facebook stieß diese Schlagzeile auf Zustimmung. "Es ist vorbei", schrieben viele Nutzerinnen und Nutzer am 20. Januar 2025. "Wieso noch Geld zusagen, wenn der Krieg bald vorbei ist", hieß es am selben Tag in einem anderen Post. Auch auf Telegram und X wurde die Meldung verbreitet.

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Telegram-Screenshot der Behauptung: 29. Januar 2025

Weiter hieß es in Postings: "Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich geweigert, weitere 3 Milliarden Euro Militärhilfe für die Ukraine zu genehmigen."

Koalition streitet über zusätzliche Hilfen

Nach Medienberichten schlugen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) noch vor der Bundestagswahl ein zusätzliches Budget von drei Milliarden Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Doch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weigerte sich, die Pläne für neue Militärhilfen ohne Weiteres zu genehmigen. Scholz stellte zuletzt allerdings nicht die Unterstützungsleistungen grundsätzlich in Frage: "Ich finde es richtig, die Ukraine stärker zu unterstützen", sagte er am 26. Januar 2025 in einem Interview mit dem "Handelsblatt".

Der Streitpunkt liegt viel eher bei der Finanzierung der Hilfen. Scholz schlug vor, diese nicht über den Bundeshaushalt zu beschaffen, sondern "gesondert in einem Überschreitungsbeschuss", wie er im selben Interview wiederholte. Das würde ein Aussetzen der Schuldenbremse bedeuten. Die Schuldenbremse gibt der Bundesregierung einen maximalen Rahmen zur Neuverschuldung vor. Gegen dieses Argument spricht laut Medienberichten etwa, dass der Bund laut Haushaltsabschluss für 2024 weniger Geld als ursprünglich geplant ausgab. Unter anderem an der Debatte, inwieweit der Haushalt über höhere Schulden ausgeglichen werden könne, zerbrach die Ampelkoalition im November 2024.

Im Gegensatz zu Scholz wollen Union, FDP und auch die Grünen die Waffenlieferungen über eine außerplanmäßige Ausgabe im Haushalt finanzieren. Am 31. Januar 2025 wurde ein Antrag der FDP über weitere Ukraine-Waffenhilfen im Bundestag angenommen: Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, dem Haushaltsausschuss eine Vorlage über eine "überplanmäßige Ausgabe" in Höhe von bis zu drei Milliarden Euro für weitere Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine zuzuleiten.

Ministerien dementierten Aus der Ukraine-Hilfen

Es sei "gar nichts" von der Ukraine-Hilfe eingestellt worden, sagte eine Sprecherin des Bundeskanzleramtes im Gespräch mit AFP am 22. Januar 2025. Deutschland stehe weiterhin zum Versprechen, die Ukraine "solange wie nötig" zu unterstützen. 

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es dazu zur Einordnung: "Im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 sind bereits rund vier Milliarden Euro für die militärische Unterstützung der Ukraine vorgesehen", schrieb ein Sprecher am 24. Januar 2025. "Diese Mittel werden für die Finanzierung der kontinuierlichen Lieferung von militärischer Ausrüstung und Versorgungsgütern an die Ukraine genutzt." Deutschland setze seine Unterstützung "auch in diesem Jahr weiter fort" und habe auch darüber hinaus weitere Militärhilfen "bereits fest geplant", hieß es weiter. "Bei der aktuell diskutierten Unterstützung der Ukraine in Höhe von drei Milliarden Euro würde es sich um eine zusätzliche Hilfe für die Ukraine handeln", so der Sprecher.

Zudem wies er darauf hin, dass Deutschland "auch finanzielle Hilfen im Rahmen seiner EU-Mitgliedschaft" leiste – sowie als Teil des sogenannten G7-Kredits. Die G7-Staaten einigten sich darauf, der Ukraine Geldmittel aus Einnahmen der eingefrorenen staatlichen russischen Vermögenswerte bereitzustellen: "Die erste Tranche in Höhe von drei Milliarden Euro wurde der Ukraine am 10. Januar 2025 überwiesen", führte der Sprecher an. Über die EU-Ukraine-Fazilität, ein EU-Hilfsprogramm zur finanziellen Unterstützung der Ukraine, sicherte Deutschland gemeinsam mit den anderen EU-Staaten der Ukraine ein Gesamtbudget von 50 Milliarden Euro zwischen 2024 und 2027 zu.

AFP fragte ebenfalls im Verteidigungsministerium unter Boris Pistorius nach, verantwortlich für militärische Hilfsleistungen: "Hier geht die Unterstützung ununterbrochen weiter", schrieb ein Sprecher am 24. Januar 2025 und verwies auf "zahlreiche aktuelle Statements" von Pistorius, die dies bekräftigen. Erst Mitte Januar 2025 reiste Pistorius nach Kiew, um zu "zeigen, dass wir die Ukraine weiterhin tatkräftig unterstützen". Auch beim "Group of Five"-Treffen im polnischen Helenów bekannte sich Pistorius zur Stärkung der ukrainischen Rüstungsindustrie. Zu den "Group of Five" gehören neben Deutschland die Nato-Länder Polen, Frankreich, Großbritannien und Italien. Gemeinsam verfolgen sie eine engere Zusammenarbeit ukrainischer und europäischer Waffenhersteller. 

Auch eine Sprecherin des Finanzministeriums bestätigt gegenüber AFP am 24. Januar 2025, dass Deutschland die Ukraine-Hilfen nicht eingestellt habe.

Des Weiteren konnte AFP mittels Stichwortsuche keine einschlägigen Medienberichte finden, aus denen hervorgeht, dass Deutschland die Finanzierung der Ukraine aktuell offiziell eingestellt hätte. Ob eine neue Bundesregierung aktuelle Unterstützungszusicherungen wieder kippen wird, ist derzeit ungewiss.

Deutschland unterstützt hauptsächlich militärisch

Grundsätzlich gelangen Unterstützungsleistungen über verschiedene Wege in Kriegsgebiete. Ein Weg ist etwa über ein vom Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Ukraine verwaltetes Konto, auf das Deutschland laut Website der Bundesregierung "milliardenschwere Zuschüsse" geleistet habe. AFP-Recherchen ergaben, dass die letzte und einzige Direktzahlung an den ukrainischen Staat über das IWF-Konto Ende 2022 stattfand. Nach wie vor machen Militärhilfen den Großteil der Unterstützungsleistungen von Deutschland aus.

Während Russland in der Ukraine langsam vorrückte und Anfang Januar 2025 etwa die ostukrainische Stadt Kurachowe einnahm, rang die angegriffene Ukraine um neue Waffenlieferungen und Militärpersonal.

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Schäden im Innenhof eines Wohnhauses nach einem Raketenangriff in Odessa am 28. Januar 2025 (AFP / OLEKSANDR GIMANOV)

Bis zuletzt galt Deutschland als einer der größten Unterstützer der Ukraine. Laut Angaben der Bundesregierung von Dezember 2024 beliefen sich die bisherigen Unterstützungsleistungen auf mehr als 37 Milliarden Euro. Die bislang bewilligten militärischen Hilfen beliefen sich der Bundesregierung zufolge Mitte Januar 2025 auf einen Wert von etwa 28 Milliarden Euro.

AFP hat bereits mehrfach Falschbehauptungen zum Krieg in der Ukraine und zur Bundestagswahl überprüft.

Fazit: Die Behauptung, dass Deutschland die Finanzierung der Ukraine offiziell eingestellt hätte, ist zu kurzgegriffen. Trotz Spannungen im Wahlkampf rund um ein weiteres Drei-Milliarden-Euro-Paket sicherte Deutschland der Ukraine auch im Rahmen internationaler Projekte künftig Unterstützung zu. Die Bundesregierung dementierte Spekulationen über eine Einstellung der Ukraine-Hilfen.

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