Metas Entscheidung, Faktenchecks in den USA einzustellen, erntet harsche Kritik
- Veröffentlicht am 10. Januar 2025 um 13:14
- 4 Minuten Lesezeit
- Von: Anuj CHOPRA
- Übersetzung: Lisa-Marie ROZSA
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Mark Zuckerberg, Gründer, Vorstandsvorsitzender und Chief Executive Officer von Meta, kündigte am 7. Januar 2025 an, dass das Unternehmen seine externen Faktenprüferinnen und Faktenprüfer in den Vereinigten Staaten "loswerden" möchte. Diese weitreichende Änderung der Unternehmenspolitik wurde von Fachleuten als Versuch gewertet, den designierten US-Präsidenten Donald Trump zu beschwichtigen.
"Dies ist ein großer Rückschritt für die Content-Moderation und das in einer Zeit, in der sich Desinformation und schädliche Inhalte schneller denn je entwickeln", so Ross Burley, Mitbegründer des gemeinnützigen Centre for Information Resilience in London.
Faktenprüfung und Desinformationsforschung sind in dem stark polarisierten politischen Klima der Vereinigten Staaten seit langem ein heißes Thema.
Konservative US-Bürgerinnen und -Bürger sagen, sie seien ein Instrument, um die Meinungsfreiheit einzuschränken und rechte Inhalte zu zensieren.
Trumps Republikanische Partei und sein Verbündeter, der Milliardär Elon Musk – Eigentümer des Social-Media-Riesen X – haben schon lange ähnliche Beschwerden geäußert.
"Während Bemühungen zum Schutz der freien Meinungsäußerung unerlässlich sind, besteht die Gefahr, dass durch die Abschaffung der Faktenprüfung ohne eine glaubwürdige Alternative schädlichen Narrativen Tür und Tor geöffnet wird", sagte Burley.
Als Alternative kündigte Zuckerberg an, dass die Plattformen von Meta, Facebook und Instagram, in den Vereinigten Staaten "Community Notes wie auch auf X" verwenden würden.
"Community Notes" sind ein Crowd-Sourcing-Moderationswerkzeug, das X als Möglichkeit für Nutzerinnen und Nutzer beworben hat, Beiträge mit Kontext zu versehen. Fachleute haben jedoch wiederholt seine Wirksamkeit bei der Bekämpfung von Falschmeldungen in Frage gestellt.
"Sich aus der sozialen Verantwortung stehlen"
"Um eine undichte Stelle bei seiner Toilette zu reparieren, würde man ja auch einen Installateur und nicht einfach irgendjemanden zu Rate ziehen... um die Verbreitung von Fehlinformation auf ihren Plattformen verhindern, will sich Meta jetzt aber nicht mehr auf Faktenprüferinnen und Faktenprüfer verlassen, sondern das einfach irgendjemandem überlassen", so Michael Wagner von der School of Journalism and Mass Communication an der University of Wisconsin-Madison gegenüber AFP.
"Menschen einfach zu bitten, kostenfrei die falschen Behauptungen zu überwachen, die auf den milliardenschweren Social-Media-Plattformen von Meta gepostet werden, bedeutet, sich aus der sozialen Verantwortung zu stehlen."
Die Ankündigung von Meta bedeutet einen finanziellen Rückschlag für die in den USA ansässigen externen Faktenprüferinnen und Faktenprüfer.
Das Programm von Meta und externe Zuschüsse waren laut einer Umfrage des International Fact-Checking Network (IFCN) aus dem Jahr 2023 unter 137 Organisationen in Dutzenden von Ländern die "wichtigsten Einnahmequellen" für globale Faktenprüferinnen und Faktenprüfer.
Die Entscheidung werde auch "Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzern schaden, die nach genauen, zuverlässigen Informationen suchen, um Entscheidungen über ihr tägliches Leben und ihre Interaktionen zu treffen", sagte IFCN-Direktorin Angie Holan.
"Es ist bedauerlich, dass diese Entscheidung auf externen politischen Druck einer neuen Regierung und ihrer Anhängerschaft zurückzuführen ist", fügte Holan hinzu.
Die Ankündigung von Meta wurde von der konservativen Anhängerschaft Trumps bejubelt. Sie sagten, der Schritt sei "wahrscheinlich" eine Reaktion auf seine Drohungen gegen das Unternehmen und Zuckerberg gewesen.
Die US-Republikanische Senatorin Marsha Blackburn postete auf X, dass Metas Schritt "ein Trick sei, um einer Regulierung zu entgehen".
Politisches Kalkül statt faktenbasierter Prüfung
Aaron Sharockman, Geschäftsführer der US-amerikanischen Faktenprüfungsorganisation PolitiFact, wies die Behauptung zurück, dass Faktenprüfung ein Instrument zur Unterdrückung der freien Meinungsäußerung sei.
Die Rolle der US-amerikanischen Faktenprüferinnen und Faktenprüfer bestehe darin, "zusätzliche Aussagen und Zusammenhänge zu Beiträgen zu liefern, die Journalistinnen und Journalisten als Fehlinformationen einstuften", und es sei an Meta, zu entscheiden, welche Konsequenzen den Nutzerinnen und Nutzern drohen.
"Das Tolle an der Redefreiheit ist, dass Menschen über jeden von uns veröffentlichten journalistischen Beitrag anderer Meinung sein können", sagte Sharockman.
"Wenn Meta verärgert darüber ist, dass es ein Instrument zur Zensur geschaffen hat, sollte es in den Spiegel schauen."
PolitiFact ist einer der ersten Partner, die mit Facebook zusammengearbeitet haben, um 2016 das Faktencheck-Programm in den Vereinigten Staaten zu starten.
AFP arbeitet derzeit in 26 Sprachen mit dem Faktenprüfungsprogramm von Facebook zusammen, bei dem Facebook für die Nutzung von Faktenchecks von rund 80 Organisationen weltweit auf seiner Plattform, WhatsApp und auf Instagram bezahlt.
In diesem Programm werden Inhalte, die als "falsch" eingestuft werden, in den Newsfeeds herabgestuft, sodass weniger Menschen sie sehen. Wenn jemand versucht, diesen Beitrag zu teilen, wird ihm ein Artikel angezeigt, in dem erklärt wird, warum er irreführend ist.
"Das Programm war keineswegs perfekt, und es besteht kein Zweifel daran, dass Faktenprüferinnen und Faktenprüfer bei einem gewissen Prozentsatz ihrer Kennzeichnungen Fehler gemacht haben", sagte Alexios Mantzarlis, Direktor der Security, Trust, and Safety Initiative (SETS) bei Cornell Tech.
"Wir sollten uns jedoch darüber im Klaren sein, dass Zuckerbergs Versprechen, Faktenprüfungen bei Meta abzuschaffen, eine taktische Entscheidung war und keine sachliche."