2024 war Deutschlands wärmster März seit Messbeginn

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) war der März 2024 der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen 1881. Ein Blog bezeichnet diese Meldung als "Klima-Verarsche" und behauptet, der März sei in diesem Jahr "auffallend kühl" gewesen. Dem DWD wird dort vorgeworfen, Daten zu manipulieren und durch die Wahl kalter Vergleichsperioden "Klimaalarmismus" zu verbreiten. AFP hat mit verschiedenen Wetterdiensten und unabhängigen Experten gesprochen. Laut den Meteorologen gibt es keine Zweifel an der Richtigkeit der Arbeit des DWD. Zudem bestätigen deren eigenständige Messungen die Ergebnisse des Dienstes.

"Wer nicht gerade unter Demenz oder Verdrängungszwang leidet und womöglich noch über eigene Erinnerungen und Erfahrungen verfügt, wird wissen, dass es selbstverständlich in Deutschland schon weitaus wärmere Märze gegeben hat." Das Zitat stammt aus einem Eintrag auf dem politischen Meinungs-Blog "Ansage!". In dem Beitrag wird zudem Medien und dem Deutschen Wetterdienst "reine Klimaalarmismus-Propaganda" vorgeworfen, "die entweder nur auf vorsätzlich erlogenen oder bewusst 'passend gemachten' Messanordnungen" basiere. Der Blogeintrag wurde auf Facebook, Telegram und X geteilt und kommentiert. 

Der Eintrag hat den Titel "Klima-Verarsche und kein Ende: Auffallend kühler März soll der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen sein". Darin zweifelt der Gründer des Blogs, Daniel Matissek, die Meldung des DWD an, der März 2024 sei der "wärmste seit Messbeginn im Jahr 1881" gewesen. Zudem kritisiert er, dass die Referenzperiode von 1961 bis 1990 "willkürlich ausgewählt" und "eine vergleichsweise kühle Phase" gewesen sei.

Laut einer aktuellen Mitteilung (hier archiviert) des Dienstes lag die Mitteltemperatur in Deutschland im März 2024 mit 7,5 Grad Celsius um vier Grad über dem Wert der Referenzperiode von 1961 bis 1990. 

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 11. April 2024

Wetterdienste aus der Schweiz und Österreich widersprechen

Thomas Wostal, Sprecher von Geosphere Austria, dem staatlichen Wetterdienst Österreichs, hält dagegen. In einer Mail an AFP vom 8. April 2024 schrieb er: "Wir wissen aus unserer regelmäßigen Zusammenarbeit, dass der DWD extrem sorgsam mit den Daten und den Auswertungen umgeht." Zwar habe man in Österreich keine Möglichkeit, die Daten des DWD auf Richtigkeit zu prüfen, dafür gäbe es aber auch keinen Anlass. 

Man wisse aus der Erfahrung der letzten Jahre und Jahrzehnte, dass die Monats-Klimabilanzen des österreichischen Dienstes denen des DWD sehr ähnlich seien, vor allem, in Bezug auf die Südhälfte Deutschlands, so Wostal. "Der März 2024 war im Tiefland Österreichs der wärmste der 258-jährigen Messgeschichte. Auf den Bergen war es Platz neun in der 174-jährigen Gebirgsmessreihe." 

Eine ähnliche Einschätzung nahm, Stephan Bader, Sprecher des Bundesamts für Meteorologie und Klimatologie Meteoschweiz vor: "Der in den Behauptungen bewusst geschürte Vorwurf, der DWD würde Messdaten manipulieren, ist völlig haltlos. Vergleicht man die langfristige Temperaturentwicklung in der Schweiz mit Deutschland, so erkennt man vor allem seit 1980 eine extrem gute Übereinstimmung im Temperaturverlauf der beiden Länder", so Bader in einer Mail an AFP vom 9. April 2024. 

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Temperaturen im Monatsmittel in Deutschland und der Schweiz zwischen 1864/81 bis 2023 im Vergleich. Zur Verfügung gestellt durch Meteoschweiz

Auch der Schweizer Meteorologe verweist auf ähnliche Ergebnisse an den dortigen Messstationen. "In der Nordschweiz unter 1000 Meter, also die Region der Schweiz, die an Deutschland grenzt, war es der drittwärmste März seit Messbeginn 1864. In St. Gallen in der Region Bodensee war es der zweitwärmste März seit Messbeginn 1864."

Zudem seien auch in weiteren europäischen Ländern hohe Temperaturen gemessen worden, so Stephan Bader. In den Niederlanden war es der wärmste März in der Messreihe seit 1901. In Frankreich der sechstwärmste in der Messgeschichte, so die dortigen Institute.

Unabhängige Messungen

Henning Rust, Professor für Statistische Meteorologie an der FU Berlin, zeichnet in Berlin ebenfalls Klimadaten (hier archiviert) auf. Seine Messungen decken sich mit denen des DWD. Auch dort war der März 2024 der wärmste jemals gemessene, "jedoch beträgt der Unterschied zum zweitwärmsten März in 1938 nur 0,1 Grad Celsius", schrieb der Forscher in einer Mail an AFP am 9. April 2023. Der drittwärmste März in Berlin war laut Rust im Jahr 1990, der viertwärmste 2014 und der fünftwärmste 2007.

Die Aussage, die "frostig-durchwachsenen Temperaturen der letzten zwei Märzwochen" würden den Aussagen des DWD widersprechen, lässt Rust nicht gelten: "In Berlin – dafür kann ich mit eigenen Daten sprechen – gab es nur acht Tage, die unter dem Mittelwert für die Referenzperiode von 1991 bis 2020 lagen." 

Dass es auch einzelne Regionen gebe, an denen es an einzelnen Tagen kälter war als erwartet, lasse ihn aber nicht an der Aussage des DWD für Gesamtdeutschland und den gesamten März zweifeln. "Die durchschnittliche Körpergröße von Männern in Deutschland ist 178 Zentimeter. Und doch kenne ich Männer, die kleiner als 170 Zentimeter sind. Deswegen zweifele ich ja auch nicht an der Aussage des Bundesamts für Statistik", so Rust.

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2023 war in Deutschland wärmstes Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen: Temperaturabweichungen seit 1881 (AFP / Thorsten EBERDING)

Auch Felix Ament, Professor für Erdsystemwissenschaften an der Universität Hamburg, bestätigte, dass die Messungen des DWD mit den unabhängigen Messungen am Standort seines Institutes übereinstimmen: "Auch hier war der März außergewöhnlich warm. Interessanterweise lag das vor allem daran, dass es keinerlei Kälte oder Frostperiode gab – es gab nur an einem Tag minimalen Frost in Hamburg." Bei den Tageshöchsttemperaturen habe man umgekehrt keine ungewöhnlichen Rekorde verzeichnet. "Die Kälte fehlte und damit war es im Mittel deutlich wärmer im Vergleich zu den typischen Märzen früherer Dekaden", so Ament in einer Mail an AFP am 9. April 2024. 

An der Richtigkeit der Daten des DWD zweifelt auch Felix Ament nicht. Diese seien öffentlich einsehbar und von jedem selbst nachprüfbar und würden vielseitig genutzt. "Die Daten des DWD erscheinen beispielsweise als aktuellen Wetterinformationen auf Wetterapps, bilden die Basis für alle Wettervorhersagen und -warnungen und fließen direkt in viele Forschungsprojekte ein." Dabei werden die Daten oft geprüft und mit anderen Messungen verifiziert, so der Forscher. "Es wäre unmöglich, die Daten systematisch zu manipulieren, ohne dass es bei dieser diversen und intensiven Nutzung durch viele unabhängigen, internationalen Akteure auffallen würde."

Die Meldung des DWD wurde von unterschiedlichen deutschen Medien (hier, hier und hier) und internationalen Medien (hier und hier) aufgegriffen.

Referenzzeitraum nicht entscheidend

Bodo Ahrens, Professor für Meteorologie und Klima an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, sieht ebenso keinen Grund, an den Messergebnissen des DWD zu zweifeln, zumal der europäische Dienst zur Überwachung des Klimawandels Copernicus zum selben Ergebnis gekommen sei.

Auch die Kritik im Blogeintrag an dem angeblich kühlen Referenzzeitraum lässt Ahrens nicht gelten: "Es war der wärmste März – egal, welchen Referenzzeitraum man verwendet." Auch wenn ein anderer Vergleichszeitraum wie etwa die Jahre von 1991 bis 2020 gewählt werde, könne man die Anomalie der Temperatur im März 2024 gut erkennen, so der Wissenschaftler. 

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Screenshot der Copernicus-Website vom 10. April 2024: Anomalie der weltweiten Oberflächenlufttemperatur für März 2024 im Vergleich zum März-Mittelwert des Zeitraums 1991-2020

Für Karsten Haustein, Meterologe an der Universität Leipzig, ist die beste Referenzperiode von 1850 bis 1900. "Die zweitbeste ist jedes beliebige 30-Jahres-Intervall. Der DWD hat 1961 bis 1990 festgelegt und das ist auch gut so. Andere nutzen 1951 bis 1980. Ich nutze 1981 bis 2010. Wer mag, kann auch auf 1991 bis 2020 umsteigen." Deutschland habe sich relativ zur Periode von 1850 bis 1900 bereits um 2,3 Grad Celsius erwärmt, das sei die einzige Information, die relevant sei, so der Meteorologe. 

Menschengemachter Klimawandel zweifelsfrei belegt

Felix Ament wies zudem darauf hin, dass es für den Nachweis des menschengemachten Klimawandels unerheblich sei, wie warm ein einzelner Monat wie der März 2024 gewesen ist. "Er hätte auch besonders kalt gewesen sein können und das widerspräche dem Klimawandel keineswegs." Man werde sicher in den nächsten Jahren auch mal wieder einen zu kalten März erleben. "Aus einem Einzelereignis in einer winzigen Region der Erde lässt sich nicht auf das Klima schließen. Der menschengemachte Klimawandel ist durch wesentliche umfassendere, globale Analysen schon Mitte der 1990er-Jahre nachgewiesen worden."

Einen detaillierten Bericht, in dem der aktuelle Wissensstand zum Klimawandel zusammengefasst ist, stellt der sechste Bericht des Weltklimarates dar. Laut dem lag "globale Oberflächentemperatur im Zeitraum 2011 bis 2020 um 1,1 Grad Celsius höher als der Wert von 1850–1900". 

Der DWD selbst weist die Vorwürfe ebenfalls zurück und betont die Transparenz seiner Arbeit. In einer Mail an AFP vom 12. April 2024 schreibt der Dienst: "Der DWD verfolgt eine offene Datenpolitik, das heißt neben unseren Auswertungen, wie zum Beispiel Gebietsmittel der Temperatur für Deutschland, stellen wir auch alle zugrunde liegenden Messwerte aus unserem Stationsmessnetz der Öffentlichkeit zur Verfügung." Zugangswege seien zum Beispiel das CDC-Portal und der OpenData-Bereich. "Somit sind unsere Auswertungen auch jederzeit reproduzierbar."

Auch der DWD bezieht sich auf die Daten des europäischen Dienstes Copernicus: "Februar und März 2024 waren global die wärmsten Monate seit Aufzeichnungsbeginn, wie schon die acht Monate zuvor. Eine so lang anhaltende starke positive Anomalie wurde auf globaler Skala bisher noch nie beobachtet." Bei einer solch außergewöhnlichen globalen Situation wäre es sehr erstaunlich, wenn sich diese nicht auch regional hier in Mitteleuropa auswirken würde.

AFP hat den Autor des Blogeintrages Daniel Matissek per Mail kontaktiert und gefragt, ob dieser Messergebnisse habe, die seine Behauptungen stützen oder er Beweise vorlegen könne, die belegen, dass der DWD seine Daten manipuliert oder verzerrt darstellt. Matissek hat auf die Nachricht geantwortet, wollte sich zur Sache aber nicht weiter äußern.

Fazit: Der DWD meldete den wärmsten März in Deutschland seit 1881. Ein Blog bezweifelte dies und warf dem DWD Datenmanipulation vor. Ausländische Wetterdienste und unabhängige Experten mit eigenen Messungen bestätigten jedoch die Ergebnisse des DWD.

Satzbaufehler in Teaser korrigiert; Eigenschreibweisen vereinheitlicht
2. Mai 2024 Satzbaufehler in Teaser korrigiert; Eigenschreibweisen vereinheitlicht

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