Dieses Bild wurde bereits 2019 bei Bauernprotesten in den Niederlanden aufgenommen

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  • Veröffentlicht am 6. Juli 2022 um 11:42
  • Aktualisiert am 8. Juli 2022 um 14:21
  • 4 Minuten Lesezeit
  • Von: Saladin SALEM, AFP Deutschland
In den Niederlanden kam es Anfang Juli zu Protesten aufgrund neuer Auflagen in der Landwirtschaft. Im Netz haben User ein Foto verbreitet, das aktuell vor Ort aufgenommen worden sein soll. Das Bild stammt aber gar nicht von 2022, sondern wurde bereits 2019 aufgenommen. Es zeigt eine von Landwirten organisierte Straßenblockade im niederländischen De Bilt. 

Tausende Nutzerinnen und Nutzer haben das angeblich aktuelle Foto der Proteste auf Facebook geteilt. Sollten auch Sie auf Falschinformationen im Netz aufmerksam werden, wenden Sie sich gerne mit Hinweisen auf WhatsApp an unsere Faktencheck-Redaktion. 

Die Behauptung: Auf Facebook wird das Foto einer von Traktoren blockierten Autobahn verbreitet. Dazu heißt es "mittlerweile in den Niederlanden" – ein Bezug zu aktuell dort stattfindenden Protesten gegen neue Auflagen für Bäuerinnen und Bauern. 

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 05.07.2022

AFP hat bereits in der Vergangenheit Aufnahmen von Protesten und Straßenblockaden in den Niederlanden überprüft (hier, hier). Wie auch in diesem Fall wurden dabei veraltete Bilder genutzt, um aktuelle Vorkommnisse zu illustrieren. 

Foto entstand bereits 2019 

Über eine Bild-Rückwärtssuche lässt sich das nun verbreitete Foto in verschiedenen Online-Veröffentlichungen aus dem Jahr 2019 wiederfinden (hier, hier, hier). Dazu heißt es unter anderem, das Foto zeige Bauernproteste in den Niederlanden. Auslöser seien strenge Normen zu Stickstoffemissionen gewesen. 

Ein fast identisches Foto findet sich zudem auf der Website des Foto-Anbieters Shutterstock wieder. Als Urheber wird dort die European Pressphoto Agency (EPA) sowie die spanische Nachrichtenagentur EFE angegeben. Sowohl bei Shutterstock als auch auf der EPA Website wird das Foto auf den 16. Oktober 2019 datiert. Aufgenommen wurde es vom Fotografen Robin van Lonkhuijsen im niederländischen De Bilt

Anhand mehrerer Auffälligkeiten im Bild lässt sich erkennen, dass es sich um eine Aufnahme derselben Situation handelt. So ist am linken unteren Bildrand eine Personengruppe zu erkennen. Einer der Menschen trägt eine orange Warnschutzjacke, neben ihm stehen vier weitere Menschen, zwei in schwarzen Oberteilen, einer in Rot, einer in Grau. Auffällig ist auch der auf der linken Fahrbahn vor den Traktoren geparkte Kleinwagen, der rote Traktor, welcher auf dem Grünstreifen mittig zwischen grünen Traktoren steht, sowie die Färbung der Laubbäume.

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Screenshot der EPA-Website (links) sowie der Facebook-Beitrag (rechts) im Vergleich: 05.07.2022

In der Beschreibung des Bildes auf der EPA-Seite und bei Shutterstock heißt es: "Landwirte blockieren die Straße mit Traktoren, als sie sich am 16. Oktober 2019 in der Nähe der Gebäude des Nationalen Instituts für öffentliche Gesundheit und Umwelt (RIVM) in De Bilt, Niederlande, versammeln, um eine Aussetzung der Stickstoffvorschriften der Regierung zu fordern, deren Opfer sie angeblich sind."

Im Oktober 2019 verursachten mehrere Traktor-Proteste Verkehrschaos in den Niederlanden. Im andauernden Streit um die Stickstoffgrenzwerte blockierten die Landwirte auch 2020 beispielsweise Zufahrtsstraßen nach Den Haag, es kam zu Staus von Hunderten Kilometer Länge.

Mehrere Artikel (hier, hier, hier, hier) erklärten damals die Hintergründe der niederländischen Proteste im Herbst 2019: Die Landwirte protestierten im ganzen Land gegen Umweltauflagen der niederländischen Regierung zur Senkung des Stickstoff-Ausstoßes, den beispielsweise Tierhaltung durch Gülle verursacht. Zur Senkung der Emissionen wurde daher eine Reduzierung der Viehbestände ins Gespräch gebracht. Die Protestierenden sähen sich hingegen zu einseitig für den hohen Stickstoff-Ausstoß verantwortlich gemacht. 

Das RIVM veröffentlichte zum Protest vom 16. Oktober 2019 noch am selben Tag eine Reaktion. Darin hieß es, das RIVM arbeite mit dem Agrarsektor zusammen, um Wissen über die Stickstoffwerte und deren Einfluss auf die Natur in den Niederlanden zusammenzutragen. Das Institut habe die Zweifel und Kritik der Demonstrierenden zur Kenntnis genommen.

Warum wird aktuell demonstriert?

Auch aktuell protestieren Landwirte in den Niederlanden erneut gegen die Stickstoff-Auflagen der Regierung. So fanden Blockaden an Supermärkten statt. Auch Straßen wurden erneut blockiert, wie die niederländische Polizei am 4. Juli 2022 auf Twitter berichtete. Im Rahmen der Proteste durchbrachen Demonstrierende Ende Juni eine Polizeibarrikade vor dem Haus der niederländischen Umweltministerin Christianne van der Wal-Zeggelink

Auslöser ist erneut eine Ankündigung der niederländischen Regierung von Mitte Juni 2022, wonach Stickstoff-Emissionen bis 2030 deutlich reduziert werden müssten. Auch AFP berichtete, die Niederlande plane Stickstofffreisetzungen in 131 Schlüsselregionen um bis zu 70 Prozent zu reduzieren, um die Klimaziele des Landes bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Die Niederlanden zählen zu den höchsten Emittenten von Treibhausgasen in Europa, für einen Großteil der Gase seien Rinderherden verantwortlich. Der niederländische Premierminister Mark Rutte erklärte auf einer Pressekonferenz, die Regierung sei sich der enormen Auswirkungen auf die Bäuerinnen und Bauern bewusst. "Der Sektor wird sich verändern, aber leider gibt es keine Wahl. Wir müssen die Stickstoff-Emissionen runterfahren", erklärte Rutte.

Fazit: Das aktuell verbreitete Foto stammt von niederländischen Bauernprotesten aus dem Jahr 2019, nicht von 2022. Allerdings demonstrieren auch aktuell Landwirte in den Niederlanden gegen Pläne der Regierung zur Stickstoffreduzierung. Tierhaltung wird für einen großen Anteil der Gase verantwortlich gemacht.

8. Juli 2022 nicht funktionierenden Link ersetzt

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