Nein, dieses Video zeigt Angela Merkel nicht aktuell beim Wahlkampf in Stralsund, sondern 2012 in Stuttgart

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  • Veröffentlicht am 24. September 2021 um 15:24
  • Aktualisiert am 24. September 2021 um 15:29
  • 3 Minuten Lesezeit
  • Von: Eva WACKENREUTHER, AFP Österreich
Tausende Nutzerinnen und Nutzer haben ein Video auf Facebook geteilt, in dem eine Menschenmenge vermeintlich die noch amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Stralsund ausbuht. Dort hatte es kürzlich zwar tatsächlich Pfiffe gegen die Kanzlerin gegeben, die aktuell geteilte Aufnahme von Merkel stammt allerdings aus dem Jahr 2012 und zeigt sie bei einem Auftritt in Stuttgart. Das Video hat nichts mit dem Wahlkampf 2021 zu tun.

Was Kanzlerin Angela Merkel sagt, lässt sich zwischen Pfiffen und Buhrufen kaum verstehen. Tausende Facebook-Nutzerinnen und Nutzer haben ein Video mit dieser Szene seit Ende September geteilt (hier, hier, hier). Tausende sahen die Aufnahmen der übertönten Kanzlerin seitdem auf Telegram (hier, hier) und auf Twitter (hier, hier).

Die Falschbehauptung: Die Szene zeige eine Rede von Angela Merkel am 21. September 2021 in Stralsund. Deutsche Medien hätten den von Pfiffen begleiteten Auftritt verschwiegen. "Merkel in Stralsund am Dienstag 21.09. Auf 140 Sendern weltweit gesendet. Nur in good old Germany Sendeverbot", schreiben User etwa.

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Facebook-Screenshot der Behauptung: 24.09.2021

Es sind Merkels letzte Auftritte als deutsche Kanzlerin, bevor ihre Kanzlerinnenschaft nach 16 Jahren enden wird. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet will als Kandidat der Union für die Bundestagswahl ihre Nachfolge antreten. Merkel unterstützte ihn deshalb im Wahlkampf, etwa mit einem Auftritt am 21. September 2021 am Alten Markt in Stralsund, ihrem Wahlkreis. Auch AFP berichtete mit Text und Video über die Wahlkampfveranstaltung.

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Angela Merkel und Armin Laschet bei einem Wahlkampfauftritt am 21. September 2021 in Stralsund, kurz vor der Bundestagswahl ( AFP / JOHN MACDOUGALL)

Tatsächlich wurde Merkel bei strömendem Regen in Stralsund mit Pfiffen empfangen. Anders als die aktuell geteilten Postings behaupten, haben deutsche Medien das allerdings durchaus berichtet. Die "Bild" titelte etwa mit "Regen und Pfiffe statt kraftvollem Heimspiel", das Redaktionsnetzwerk Deutschland mit "Pfiffe bei Merkels Wahlkampf für Laschet in Stralsund". Zahlreiche andere deutsche Medien, beispielsweise "Welt", "Merkur", "WAZ", "Euronews" und der österreichische "Standard" berichteten ebenfalls über die Buhrufe.

Ein Video des Auftritts hat auch die CDU selbst veröffentlicht. Die Kanzlerin spricht darin ab Minute 04:20, im Hintergrund sind Pfiffe und Rufe zu hören.

Der Auftritt in Stuttgart 2012

Bei ihrem Auftritt in Stralsund trug Merkel einen gelben Blazer. In der aktuell geteilten Aufnahme ist ihr Blazer rosa. Auch der Hintergrund stimmt nicht überein. AFP hat deshalb mit einer Bildsuche nach Ausschnitten aus dem dem Video gesucht.

Verschiedene Kanäle haben dieses bereits 2012 auf Youtube veröffentlicht (hier, hier, hier). In den etwas längeren Fassungen der Aufnahme ist gut zu erkennen, dass Merkel an einem Rednerpult mit der Aufschrift "Arbeit. Zukunft. Turner." spricht. Angela Merkel unterstützte den parteilosen Sebastian Turner damals als Oberbürgermeisterkandidat Stuttgarts.

Am 12. Oktober 2012 trat sie deshalb am Stuttgarter Marktplatz mit ihm auf. Medien berichteten über den ungemütlichen Empfang für die Kanzlerin (hier, hier, hier, hier). In vielender damals gemachten Aufnahmen ist sie im rosa Sakko mit beigem Kragen und auf derselben Bühne wie im aktuell geteilten Video zu sehen. Grund für den damaligen Unmut: Das Bauprojekt Stuttgart 21. Die Neuordnung des dortigen Eisenbahnknoten führte zu lang anhaltenden Protesten.

Fazit: Das aktuell geteilte Video zeigt die Kanzlerin bei einer von Buhrufen übertönten Wahlkampfrede in Stuttgart im Jahr 2012. Mit einem aktuellen Auftritt Merkels in Stralsund am 21. September 2021 gemeinsam mit Kanzlerkandidat Armin Laschet in Stralsund hat die Aufnahme allerdings nichts zu tun. Auch in Stralsund kam es zu Pfiffen gegen Merkel.

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