Kein HAARP-Einfluss: Warum Polarlichter auch in Österreich sichtbar sein können

Spektakuläre Polarlichter sind auch in Mitteleuropa hin und wieder zu beobachten. Ein Sonnensturm ließ in der Nacht auf den 2. September 2025 den Himmel über Österreich aufleuchten – wenngleich nur schwach. Doch Userinnen und User zweifelten online daran, dass es sich dabei um "echte Polarlichter" handelte. Viel eher vermuteten sie das US-amerikanische Forschungsprogramm HAARP dahinter. Doch diese Annahme ist falsch, wie mehrere Forschende erklärten. Der aktuelle Sonnenzyklus begünstigt die Sichtung von Polarlichtern in Österreich. HAARP kann überdies keine globalen Wetterphänomene auslösen.

"Heute wieder über Österreich zu sehen: angebliche 'Polarlichter'", lautete ein tausendfach geteilter Facebook-Post am 1. September 2025. In der Nacht auf den 2. September 2025 waren mögliche Sichtungen von Polarlichtern, auch Aurora Borealis genannt, in Österreich angekündigt. Es handle sich aber "sehr wahrscheinlich nicht um Polarlichter", befand der Verfasser des Beitrags. "Programme wie HAARP", erklärte der User weiter, würden "sehr wahrscheinlich" hinter den "künstlich erzeugten Lichterscheinungen in der Ionosphäre" stecken. "Ganz genau so ist es", stimmten mehrere Userinnen und User in den Kommentaren zu.

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Facebook-Screenshot der Behauptung, rotes Kreuz von AFP hinzugefügt: 11. September 2025

Polarlichter sind so weit entfernt von den Polarregionen zwar selten, doch wie mehrere Quellen bestätigen, handelt es sich dabei um ein natürliches Schauspiel. Das Phänomen hat jedoch nichts dem HAARP-Forschungsprogramm (High-Frequency Active Auroral Research Program) zu tun.

So entstehen Polarlichter

Polarlichter entstehen, wenn elektrisch geladene Teilchen von der Sonne in Form von Sonnenwind die Erde erreichen und mit Gasmolekülen in der oberen Atmosphäre wechselwirken. Der häufig geteilte Beitrag mit der Falschbehauptung führte an, dass "Feldlinien offen" sein müssten, damit Polarlichter über Österreich sichtbar sein könnten. Feldlinien sind gedachte Linien, die den Verlauf eines Magnetfeldes darstellen. Auch die Erde ist von einem Magnetfeld umgeben. Der Behauptung, dass diese "offen" sein müssten, widersprachen Fachleute gegenüber AFP.

Wenn die elektrisch geladenen Sonnenpartikel auf die Erde zufliegen, treffen sie auf den Rand der Magnetosphäre – des Magnetfeldes des Planeten – die sie normalerweise zu den Polen lenkt. Dort interagieren sie mit der Erdatmosphäre und strahlen Licht aus. Dabei entsteht Strahlung verschiedener Wellenlängen, welche die Farben des Polarlichts erzeugt.

Die Wechselwirkung tritt zwischen 80 und 250 Kilometer über der Erdoberfläche auf, am häufigsten um die Arktis und den Polarkreis. Starke Sonnenaktivität kann jedoch dazu führen, dass sich das Polarlicht bis in mittlere Breiten ausbreitet. Mitteleuropa und damit auch Deutschland sowie Österreich befinden sich in diesen mittleren Breiten, wo unter bestimmten Voraussetzungen Polarlichter beobachtet werden können.

"Es ist ein Missverständnis, dass Teilchen von der Sonne, welche direkt über 'offene' Feldlinien auf die Atmosphäre treffen, die Nordlichter hervorrufen", sagte Christian Möstl, Leiter des Austrian Space Weather Office an der österreichischen Bundesanstalt für Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie (Geosphere Austria). In einer E-Mail vom 11. September 2025 erklärte er: "Vielmehr kann ein Sonnensturm Energie in das Erdmagnetfeld übertragen."

Der Astronom Sami Solanki, Direktor der Abteilung für Sonnen- und Heliosphärenforschung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen, bestätigte gegenüber AFP am 12. September 2025 ebenfalls: "Es stimmt nicht, dass Feldlinien offen sein müssen, damit Polarlichter entstehen." Stattdessen entstünden sie "durch das Eindringen von energiereichen Teilchen in die obere Atmosphäre der Erde, wo sie schon vorhandene Atome zum Leuchten bringen".

Aktuell kommt es häufiger zu starken Sonnenstürmen

Der Facebook-User, der die Echtheit der Nordlichter am 2. September 2025 infrage stellte, schrieb des Weiteren, dass es für eine Sichtung in Österreich "einen extremen Sonnensturm" brauche. Dieser Punkt ist laut Experten zutreffend. "Tatsächlich braucht es eine gewisse Stärke des Sturms", sagte Möstl von Geosphere Austria. "Je stärker der geomagnetische Sturm ist, desto weiter südlich sind Nordlichter zu sehen". Der Sonnensturm müsse "mit einer hohen Geschwindigkeit um das Erdmagnetfeld 'fegen' und ein stark südwärts gerichtetes Magnetfeld besitzen, damit sich Nordlichter nach Süden ausbreiten" könnten. "Das kommt nur selten vor."

Seit April 2023 sind Polarlichter auch in Zentraleuropa mehrmals pro Jahr zu sehen. Das belegt auch öffentlich verfügbares Bildmaterial von Webcams, wie zum Beispiel in der Folge zu sehen ist:

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Screenshots der Webcam an der Raxseilbahn zeigen Nordlichter im Jahr 2023 (links), 2024 (Mitte) und aktuell am 2. September 2025 (rechts): 11. September 2025

Das liege laut Möstl daran, "dass der Sonnenzyklus, der einen elfjährigen Rhythmus aufweist, gerade im Maximum ist und pro Jahr bis zu 50 Sonnenstürme auf die Erde treffen". Die meisten seien allerdings "zu schwach, um Nordlichter in Mitteleuropa hervorzurufen". Der aktuelle Sonnenzyklus dauere bis ungefähr 2030.

Mehrere Medien dokumentierten Polarlichter über Österreich in den vergangenen Jahren. Im Mai 2024 waren sie etwa in Wien zu sehen, im Jahr davor zum Beispiel in der Region rund um den Großglockner, wie Aufnahmen belegen. Da der Sturm in der Nacht auf den 2. September 2025 weniger stark als erwartet ausfiel, leuchteten die Polarlichter in Österreich schwächer als in den Vorjahren.

Polarlichter waren Anfang September 2025 weiter entfernt von den üblichen Zonen zu beobachten. Das wurde – wie üblich – auf mehreren Websites vorhergesagt. Geosphere informierte ebenfalls im Voraus über die Sichtungsbedingungen in Österreich auf Facebook und Instagram.

Was es mit den unterschiedlichen Farben auf sich hat

Die rötliche Farbe, in der die Nordlichter am 2. September 2025 über Österreich leuchteten, sorgte in den Kommentaren unter der Falschbehauptung ebenfalls für Unsicherheit. Echte Polarlichter würden "dynamisch grün und tanzend" aussehen, "nicht statisch rotviolett wie in unseren Breiten". Doch anstatt einer "Störung des natürlichen Magnetfeldes", wie eine Userin kommentierte, hat die unterschiedliche Färbung des Naturphänomens andere Gründe.

Astronom Solanki vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung erklärte gegenüber AFP: "Polarlichter strahlen prinzipiell in verschiedenen Farben." Das hänge davon ab, in welcher Höhe das Polarlicht entstehe: "Rote Polarlichter entstehen am höchsten in der Erdatmosphäre, grüne tiefer unten und blaue am tiefsten". Dies alles liege "weit oberhalb der Höhe, in der zum Beispiel Passagierflugzeuge fliegen".

Möstl von Geosphere Austria erklärte, warum die rötlichen Farbtöne in Österreich häufiger vorkommen: "Wenn man eine eher rötliche oder violette Farbe sieht, die weniger wie 'Schleier' aussieht und den Himmel generell färbt, kommt das von einer Aufheizung der oberen Atmosphäre während eines starken geomagnetischen Sturms." Dieses Phänomen könne "südlicher auftreten als die intensiveren grünen Nordlichter".

US-Forschungsprogramm HAARP nicht für Polarlichter in Europa verantwortlich

Das 1990 gestartete "High-frequency Active Auroral Research Program" (HAARP) ist laut eigener Website "der leistungsfähigste Hochleistungs-Hochfrequenzsender (HF) der Welt zur Erforschung der Ionosphäre". Die Ionosphäre beginnt in etwa 60 bis 70 Kilometern Höhe und erstreckt sich bis über 500 Kilometer Höhe. Im Gegensatz zu anderen Teilen der Atmosphäre ist die Ionosphäre keine eigenständige Schicht, sondern "eine Reihe von Bereichen in der Mesosphäre und Thermosphäre", wie etwa UCAR, das US-amerikanische Zentrum für wissenschaftliche Bildung, auf seiner Website erklärte.

Bis 2015 wurde HAARP von der United States Air Force (Usaf) zusammen mit der United States Navy verwaltet. Nachdem die Usaf im Verlauf der 25-jährigen Nutzung immer weniger Mittel für das Projekt bereitgestellt hatte, übernahm die University of Alaska Fairbanks den Betrieb der Anlage, heißt es auf der Website des Programms.

Auf die Frage, ob dieses US-Forschungsprogramm "Lichterscheinungen in der Ionosphäre" über Österreich hervorrufen könne, antwortete Möstl von Geosphere Austria: "Nein, ganz sicher nicht." HAARP sei eine Forschungsanlage in Alaska, wo Radiowellen "nach oben geschickt" würden, die "in der Ionosphäre (einer elektrisch leitenden Schicht in der Atmosphäre) absorbiert werden und diese dann aufheizen". Diese Effekte würden "zu minimalen Veränderungen in der Ionosphäre" führen, welche "sehr kurzzeitig und lokal auftreten" und womit man die Ionosphäre studieren könnte. 

In einem Faktencheck aus dem Jahr 2024 widerlegte AFP bereits die Behauptung, dass HAARP Polarlichter verursachen könne. Dennis Papadopoulos, Professor für Plasmaphysik an der University of Maryland in den USA, zählt zu jenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die an der Entwicklung von HAARP beteiligt waren. Papadopoulos hielt die Vorwürfe schon 2024 für unbegründet. "Während wir in der Vergangenheit künstliche Polarlichter erzeugt haben, ist dies auf das Gebiet um Gakona (Ort in Alaska, Anm. d. Red.) beschränkt", sagte er am 13. Mai 2024. "HAARP kann keine globalen Auswirkungen haben", sagte der Physiker.

In einer Erklärung der University of Alaska Fairbanks vom 13. Mai 2024 wurde HAARP-Direktorin Jessica Matthews mit folgenden Worten zitiert: "Die wissenschaftlichen HAARP-Experimente standen in keinem Zusammenhang mit dem Sonnensturm oder der weltweit beobachteten hohen Aurora-Aktivität." Damals stellte AFP Behauptungen im Zusammenhang mit Polarlichtern richtig, die im Mai 2024 zu sehen waren.

Auf der HAARP-Website ging das Forschungsprogramm auf Behauptungen ein, wonach das Projekt im Mai 2024 einen geomagnetischen Sturm erzeugt und damit global für Polarlichter gesorgt hätte: "HAARP würde über zehn Milliarden Jahre brauchen, um genug Energie zu erzeugen, um dieses natürlich auftretende Phänomen zu beeinflussen". Das sei "wie wenn man einen Kieselstein in einen Ozean wirft, der aufgrund eines Hurrikans tobt", heißt es auf der Website.

Fazit: In einem tausendfach geteilten Facebook-Beitrag wurde behauptet, dass das US-amerikanische Forschungsprogramm HAARP hinter den Polarlichtern über Österreich in der Nacht auf den 2. September 2025 stecke. Wie Experten jedoch gegenüber AFP erklärten, können Nordlichter im aktuellen Sonnenzyklus aufgrund stärkerer Sonnenstürme auch in Mitteleuropa häufiger gesichtet werden. Zudem kann HAARP keine globalen Wetterphänomene erzeugen.

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