
Für Bargeldabhebungen muss laut deutschen Behörden weiterhin kein Grund angegeben werden
- Veröffentlicht am 30. April 2025 um 12:13
- 4 Minuten Lesezeit
- Von: Elena CRISAN, AFP Österreich
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Wer Bargeld abhebt und mit diesem bezahlt, muss diesen Vorgang nicht dokumentieren. Deshalb liegen etwa auch "keine vollständigen statistischen Angaben über Anlass und Umfang der Bargeldverwendung vor", wie die deutsche Bundesbank in einer Ausarbeitung zum Thema Bargeld aus dem Jahr 2019 anschaulich schilderte.
Laut zahlreichen Beiträgen in sozialen Plattformen soll sich das im Herbst 2025 ändern. "Künftig soll bei jeder Abhebung am Automaten angegeben werden, wofür das Geld genutzt wird", behaupteten Userinnen und User Anfang April 2025 auf Facebook sowie Instagram. "Verbraucherschützer warnen: Das ist der Anfang vom Ende der finanziellen Privatsphäre", hieß es weiter.
Als Beweis wurde ein entsprechender Screenshot einer angeblichen Nachrichtensendung geteilt. Zu sehen ist ein Nachrichtensprecher, der sich in einem TV-Studio befindet. Daneben ist ein Geldautomat eingeblendet. In dem Bild steht "Grund für Bargeldabhebung muss künftig angegeben werden". Der älteste Beitrag, den AFP finden konnte, wurde am 7. April 2025 auf Tiktok veröffentlicht.

Die geteilte Behauptung ist jedoch falsch. Der Tiktok-Beitrag, der tausendfach geteilt und kommentiert wurde, führt zwar den Hashtag #satire an und ist mit einem KI-Label versehen – so auch die meisten Posts jenes Accounts. Diese Elemente wurden bei der Weiterverbreitung jedoch abgeschnitten.
Hinweise dafür, dass das Bild mittels künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurde, sind etwa die unnatürlich wirkenden Finger an der rechten Hand der Figur, die zusammengewachsen wirken, sowie die unscharfe Brillenfassung.
Bargeld benötigt keinen Verwendungszweck
Keine Behörde, die AFP kontaktierte, konnte eine angebliche Regelung bestätigen, dass Bargeld künftig nur mit der Angabe eines Grundes abgehoben werden kann – weder die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), noch Bundesbank, Finanzministerium oder Justizministerium.
Auf AFP-Anfrage schrieb ein Sprecher der Bundesbank am 28. April 2025: "Die Bundesbank hat keine Kenntnis von Bestrebungen zur Einführung eines verpflichtenden Verwendungszweckes für Bargeldabhebungen."
In den geteilten Beiträgen hieß es, dass die "neue Regelung" Geldwäsche bekämpfen soll. Zuständige Behörde in geldwäscherechtlichen Angelegenheiten ist die Bafin. Das ist im Geldwäschegesetz (GwG) geregelt. Ein Sprecher antwortete AFP am 25. April 2025: "Weder im GwG noch in den Auslegungs- und Anwendungshinweisen Allgemeiner Teil (AT) oder Besonderer Teil für Kreditinstitute (BT KI) der Bafin ist eine Regelung enthalten, dass Kunden generell einen Grund angeben müssen, wenn sie Bargeld an einem Automaten abheben möchten."
Aktuelle Informationen für Verbraucherinnen und Verbraucher sind auf der Homepage der Bafin verfügbar, gab ein Sprecher zudem bekannt. Darunter fand AFP keine Regelung, die einen Verwendungszweck bei Bargeldabhebungen vorsieht.
Der Sprecher merkte an, dass Banken im umgekehrten Fall der Einzahlung von Bargeld auf ein Bankkonto "Informationen über die Herkunft der Vermögenswerte" einholen müssen. Das GwG sieht dies bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte (2500 Euro bei Gelegenheitskunden und 10.000 Euro bei bestehender Geschäftsbeziehung) vor. Hintergrund sei laut dem Sprecher, dass "von Geschäften mit Bargeld ein erhöhtes Risiko für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausgehen" könne. Ziel dieser Regelung sei die "Plausibilisierung der Herkunft der Vermögenswerte".
Die nachrichtenähnlich gestalteten Meldungen, welche die Runde machten, erinnern an den Social Media-Auftritt der Nachrichtensendung "Tagesschau". Wie es am 28. April 2025 aus der Redaktion gegenüber AFP hieß, listet ihre Website "all unsere verifizierten Social Media Accounts". AFP konnte dort keinerlei Hinweise darauf finden, dass die Falschinformation von der Tagesschau verbreitet wurde.
Die Bargeldnutzung nimmt in Deutschland zwar tendenziell ab, am häufigsten zahlten Deutsche 2023 dennoch bar.
Deutschland zu solcher Regelung rechtlich nicht befugt
"Einer solchen Regelung stünde grundsätzlich das Recht auf Privatsphäre und das Recht auf Datenschutz entgegen", sagte Christoph Ohler, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena, gegenüber AFP am 28. April 2025.
Das ergebe sich "vor allem daraus, dass die meisten Barabhebungen den Zweck verfolgen, Mittel zu Verfügung zu haben, um kleinere Alltagseinkäufe zu bezahlen". Ein Verwendungsnachweis sei in solchen Fällen "unverhältnismäßig, zumal auch das Geldwäscherisiko typischerweise sehr gering ist". Zudem läge die Zuständigkeit für eine solche Regelung bei der EU.
Auf AFP-Anfrage an die Österreichische Nationalbank bestätigte diese am 29. April 2025, dass auch in Österreich eine solche Gesetzesänderung nicht geplant sei.
Auch das Faktencheck-Ressort der Deutschen Presse-Agentur (dpa) kam zum Schluss, dass eine angebliche Meldepflicht beim Geldabheben nicht geplant ist.
Weitere Faktenchecks zum Thema Geld und Finanzen finden sich auf der AFP-Website. Auch auf Französisch hat AFP bereits eine ähnliche Behauptung überprüft.
Fazit: Beiträge in sozialen Medien, wonach Bargeldabhebungen in Deutschland ab Herbst 2025 begründet werden müssten, sind laut den zuständigen Behörden falsch. Ein dazu kursierender Nachrichtenbeitrag ist zudem nicht echt.